Gesellschaft
Türkischer Offizier spricht Kurdisch
In der südöstlichen Unruheprovinz Hakkari haben sich mehrere türkische Offiziere mit einem wichtigen lokalen Meinungsführer getroffen und dabei teilweise auf kurdisch gesprochen – bislang ein Tabu in der türkischen Armee. (Foto: cihan)
Im Südosten der Türkei betritt ein Mann mittleren Alters den Flur eines Hauses und begrüßt den dort wartenden älteren Herrn mit einem respektvollen Kuss auf die Hand und herzlichen, kurdischen Begrüßungsfloskeln. Eine eigentlich alltägliche Szene, die das türkische Nachrichtenportal Today’s Zaman diese Woche ausstrahlte, wäre da nicht die Militäruniform des jüngeren Mannes. Es ist ein türkischer Soldat, der da kurdisch redet.
Im Zuge der Bemühungen der türkischen Regierung um einen Waffenstillstand mit der PKK und um eine baldige Lösung der Kurdenfrage hat ein türkischer Offizier ein in der Türkei und speziell im türkischen Militär herrschendes Tabu gebrochen: er sprach kurdisch – und das vor laufenden Kameras.
Eine Gruppe von türkischen Soldaten und Offizieren besuchte Mitte dieser Woche den 81-jährigen kurdischen Meinungsführer Latifan Katırcı (r.) in seinem Dorf Dağlıca in der Unruheprovinz Hakkari. Die Gruppe wurde vom Offizier Cemalettin Doğan (m.), Kommandeur der im Yüksekova-Distrikt stationierten dritten Infanteriedivision und des siebten Grenzregiments, angeführt und war anscheinend im Dorf unterwegs, um das gute Verhältnis des Militärs mit der lokalen Bevölkerung medienwirksam in Szene zu setzen.
Nachdem Doğan Süßigkeiten an einige Kinder verteilt hatte, betrat er das Haus des betagten kurdischen Mannes und begrüßte diesen mit den Worten „Çawani başi?” – kurdisch für „Wie geht es Dir?“ – und küsste als Zeichen seines Respekts die Hand des Mannes.
Türkische Armee galt stets als Verfechter einer militärischen Lösung in der Kurdenfrage
Emotional bewegt von den überraschenden Worten aus dem Mund des türkischen Offiziers umarmte Katırcı diesen und sagte, er freue sich, ihn zu sehen. Die kurdische Sprache war bis 1991 in der Türkei verboten und die Sicherheitskräfte setzten dieses Verbot vor allem im Osten der Türkei strikt durch. Die regierende AKP-Regierung unternahm zwar Schritte zur gesetzlichen Lockerung der sprachlichen Regelungen, jedoch ist die Kurdenfrage in der türkischen Gesellschaft extrem umstritten und besonders nationalistische Kräfte stemmen sich mit aller Kraft gegen eine Anerkennung der kurdischen Sprache. Dass nun ein ranghoher Militär vor laufenden Kameras kurdisch redet, dürfte in der Türkei als eine absolute Sensation aufgenommen werden.
Bei dem Gespräch der Soldaten mit dem kurdischen Meinungsführer ging es um den in der Region seit Jahrzehnten tobenden Konflikt zwischen der türkischen Armee und der verbotenen kurdischen Terrororganisation PKK, der bislang über 40.000 Tote forderte. Die neuaufgenommenen Friedensverhandlungen weckten in der Türkei die Hoffnung auf eine endgültige Beendigung des seit Anfang der Achtzigerjahre herrschenden und immer wieder aufflammenden Konflikts.