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Politik

Türkischer Vizepremier: „Viele Journalisten könnten bald freikommen“

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Der türkische Vize-Premierminister Bülent Arınç hat Veränderungen des umstrittenen Anti-Terror-Gesetzes angekündigt. In der Folge sei die Freilassung von vielen Journalisten wahrscheinlich. Kommende Woche berät das türkische Kabinett. (Foto: aa)

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Türkischer Vizepremier: „Viele Journalisten könnten bald freikommen“
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Der türkische Vize-Premierminister Bülent Arınç hat in Berlin Veränderungen des Anti-Terror-Gesetzes angekündigt. Im Rahmen eines Vortrags in der Konrad-Adenauer-Stiftung sagte Arınç: „Nicht wegen der journalistischen Tätigkeit, sondern des Verstoßes gegen das Anti-Terror-Gesetz sitzen viele Journalisten in Haft“. Als Regierung habe man hier Handlungsbedarf gesehen, über entsprechende Gesetzesänderungen würde am kommenden Montag das Kabinett beraten. Arınç weiter: „Ich gehe davon, dass die vorgesehenen Änderungen auch durch das Parlament gebilligt werden und viele inhaftierte Journalisten in der Folge freikommen könnten.“ Betroffen sind die Artikel 6 und 7 des Anti-Terror-Gesetzes, die bislang eine Unterscheidung zwischen neutraler Berichterstattung und Terrorpropaganda kaum möglich machten.

Die Türkei wurde in der Vergangenheit regelmäßig für ihre mangelnde Presse- und Meinungsfreiheit kritisiert. Tatsächlich sind viele Journalisten inhaftiert. Einigen wurde auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes vorgeworfen, Terrororganisationen propagandistisch zu unterstützen. Durch die Gesetzesänderungen soll nun klar zwischen neutraler Berichterstattung und Terrorpropaganda unterschieden werden können. Arınç nannte auch Fälle, bei denen Journalisten versucht hätten, Gerichtsverfahren durch die Veröffentlichung von nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Beweismitteln zu beeinflussen. Hier sei eine Verhaftung legitim, da diese Vorgehensweise die öffentliche Ordnung gefährde.

Thema der gestrigen Veranstaltung war der „Wandel der Türkei – Die 2023 Vision der türkischen Regierung und Europa“, an der Arınç als Gastredner teilnahm. Neben dem umstrittenen Anti-Terror-Gesetz ging es in erster Linie um die EU-Beitrittsverhandlungen und die Visionen der Türkei hinsichtlich ihres 100-jährigen Jubiläums 2023. Die moderne Türkei wurde 1923 von Mustafa Kemal Atatürk gegründet.

„EU-Beitritt bis 2023 möglich“

Arınç betonte, dass noch vor Ablauf der nächsten 10 Jahre eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei möglich sei. Wirtschaftliche Probleme wie in den EU-Ländern Griechenland und Italien seien im Hinblick auf die Türkei ausgeschlossen. Das Pro-Kopf-Einkommen der Türkei würde sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Die Mitgliedschaft sei für beide Seiten eine „Win-Win Situation“. Sicherheit, Zusammenwachsen sowie Verbesserung der Völkerverständigung in Europa würden mit dem Eintritt der Türkei in die EU gewährleistet.

Der Vizepremier warnte aber zugleich davor, die Türkei hinzuhalten, denn dies wirke sich in dem Land negativ auf die Zustimmung für die EU aus.

In Bezug auf seine Vision für die türkische Wirtschaft erklärte Arınç: „Die Türkei ist heute bereits die sechstgrößte Wirtschaft in Europa und die Nr. 16 der Welt. 2023 wollen wir (weltweit) zu den größten 10 Wirtschaften gehören und ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 25.000 Euro erzielen.” Die Regierung arbeite daran, 2023 die Beschäftigungsquote von Frauen 2023 auf über 40 Prozent zu hieven, um Wachstum und gerechte Verteilung zu gewährleisten, so Arınç.

TGB-Mitglieder verlangen Freilassung von Putschgenerälen

Die Veranstaltung wurde durch aufgebrachte TGB-Mitglieder (Türk Gençlik Birliği) unterbrochen. Sie verlangten die Freilassung von Putschgenerälen, darunter von İlker Başbuğ und Engin Alan, und warfen Arınç mangelhaftes Demokratieverständnis vor. Sicherheitskräfte verwiesen die Störenfriede des Saales, bevor die Situation eskalierte. Arınç selbst reagierte gelassen. Solche Aktionen sei er aus der Türkei gewohnt. Diverse Medien gaben den Vorfall irrtümlich als Protest gegen mangelnde Pressefreiheit in der Türkei wieder.

Die TGB, die sich selbst als „anti-imperialistische Widerstandsgruppe“ sieht, hatte bereits kürzlich für Aufsehen gesorgt, als sie in der südtürkischen Hafenstadt Iskenderun eine Gruppe der in das Land verlegten Bundeswehrsoldaten tätlich angriff.