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Politik

Kein Sieger im TV-Duell – Kein Wort über NSU oder Doppelpass

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Mit einem glanzlosen 0:0 endete am gestrigen Sonntag das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Einzig Stefan Raab als Moderator sorgte für eine Überraschung. (Foto: dpa)

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Die Bild-Zeitung erklärte Stefan Raab zum Sieger des TV-Duells zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück.
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Drei Wochen vor der Wahl versuchte der in Umfragen weit zurückliegende Herausforderer im TV-Duell am Sonntagabend mit Angriffslust zu punkten. Die schwarz-gelbe Koalition habe Deutschland vier Jahre lang nur im Kreis geführt. Das Land müsse nun endlich aus dem „Stillstand“ herauskommen, so SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Merkel wies die Vorwürfe zurück: „Wir haben gezeigt, dass wir es können – und das in einer schwierigen Zeit.“

Das 90-minütige Duell galt für den SPD-Herausforderer als möglicherweise letzte Chance, vor dem 22. September doch noch einen Stimmungswechsel zu schaffen. Immer wieder versuchte Steinbrück, Merkel aus der Reserve zu locken. Mit Blick auf den bisherigen Wahlkampf der Kanzlerin appellierte er an die Wähler: „Lassen Sie sich nicht einlullen!“

In allen Umfragen haben die Sozialdemokraten derzeit einen großen Rückstand auf die Union. Merkel liegt auch im Vergleich mit Steinbrück weit vorn.

Erwartungsgemäß zeichneten Kanzlerin und Kandidat ein völliges unterschiedliches Bild von der Lage. Merkel sagte, Deutschland habe heute so viele Beschäftigte wie nie zuvor. Der Bund werde 2015 erstmals wieder in der Lage sein, ohne neue Schulden auszukommen. Dann warnte sie: „Wir dürfen nichts tun, was Arbeitsplätze in Gefahr bringt. Die Steuererhöhungspläne der Sozialdemokraten und der Grünen bringen die Gefahr mit, dass wir die gute Ausgangslage, die wir haben, nicht verbessern, sondern verschlechtern.“

Weitere Griechenlandhilfen nicht ausgeschlossen

Steinbrück entgegnete: „Wir wollen nicht die Steuern für alle erhöhen.“ Die SPD wolle jedoch die „fünf oberen Prozent“ der Einkommensbezieher stärker heranziehen. Wenn er Kanzler würde, hätten die Bundesbürger mehr Geld in der Tasche – durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, gleiche Bezahlung von Frauen und Männer und eine höhere Kaufkraft. Schwarz-Gelb warf er vor, trotz günstiger Wirtschaftsdaten die Verschuldung weiter erhöht zu haben. Zudem seien Reformen wie die Energiewende oder im Pflegebereich ungewiss.

Im Streit um ein mögliches drittes Rettungspaket für Griechenland ließ die Kanzlerin offen, wie hoch weitere Hilfen ausfallen könnten. Möglicherweise werde es neues Hilfspaket geben, aber niemand kenne die Größenordnung. „Keiner weiß genau, wie sich die Dinge in Griechenland entwickeln“, sagte Merkel. Als Kanzlerin habe sie dafür zu sorgen, dass der Reformdruck aufrechterhalten bleibe. Beraten werde darüber aber erst, wenn es soweit ist.

Herausforderer Steinbrück hielt dagegen, man könne in Europa nicht immer nur die „Konsolidierungskeule“ schwingen. Nötig seien ein Aufbauprogramm und Wachstumsimpulse, eine groß angekündigte Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit komme nicht in Gang. Thema war auch eine Pkw-Maut auf Deutschlands Autobahnen, für die sich die CSU stark macht. Auf Drängen Steinbrücks bezog Merkel dabei klar Position: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“

Das Duell wurde von den vier großen Sendern ARD, ZDF, RTL und ProSieben live übertragen. Vermutlich waren am Fernseher und übers Internet deutlich mehr als 12 Millionen Zuschauer dabei. Die Parteien setzen in den letzten drei Wochen vor allem darauf, die vielen Wähler zu überzeugen, die derzeit noch unentschlossen sind.

Für Merkel war es bereits das dritte „Kanzlerduell“: 2005 verlor sie zwar im Fernsehen gegen den damaligen Regierungschef Gerhard Schröder (SPD), kam aber trotzdem ins Kanzleramt. 2009 ging der Rede-Wettstreit zwischen Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier unentschieden aus. Eine Umfrage der ARD unter 1800 Personen ergab einen leichten Vorteil für Steinbrück, der auf 49% der Zuschauer den besseren Eindruck gemacht hatte. Nur 44% behaupteten dies von der Kanzlerin. Es wird jedoch nicht erwartet, dass dies für eine Trendwende ausreicht. Bei ZDF lag hingegen Merkel mit 40:33 voran.

Kritik an Steinbrück-Statement zum Betreuungsgeld

Verwundert musste man feststellen, dass weder die Moderatoren noch die Duellanten ein Wort über Themen verloren, die die Migranten in Deutschland betreffen. NSU, Doppelpass oder Zuwanderung wurden zu keinem Zeitpunkt im TV-Duell angesprochen. Der Leiter des futureorg Institutes, Kamuran Sezer, übte auf seiner facebook-Pinnwand scharfe Kritik am Herausforderer, als dieser das Betreuungsgeld der Bundesregierung als „integrationspolitisch falsch“ bezeichnete, sowie an seiner kritischen Haltung gegenüber den Plänen für einen Militärschlag gegen den syrischen Diktator Bashar al-Assad. Auch die CDU-Landtagsabgeordnete aus NRW, Serap Güler, stieß ins gleiche Horn: „Betreuungsgeld ist integrationspolitisch falsch? Danke Steinbrück, dass Sie Migranten nicht zutrauen, ihre unter drei-jährigen Kinder gut zu erziehen!“

Im Fernsehduell zur Bundestagswahl hat sich auch der neue Moderator Stefan Raab an den Kontrahenten die Zähne ausgebissen – ebenso wie seine drei Kollegen. Die Versuche des gewohnt krawattenlosen ProSieben-Entertainers („TV total“, „Schlag den Raab“), am Sonntagabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu unterbrechen und mit Zwischenfragen zu konfrontieren, scheiterten an der Durchsetzungsfähigkeit der Regierungschefin. Sie ließ sich durch den Neuankömmling im Moderatorenquartett von ihrem Redefluss nicht abbringen.

Allerdings fiel Raab nach Expertenmeinung auch nicht hinter seinen drei Kollegen Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL) zurück. Aus Sicht zahlreicher Kommentatoren wirkte er wesentlich seriöser als man es von ihm erwartet hätte. Dennoch war er auch für unkonventionelle Formulierungen gut. Auch als Raab wissen wollte, ob es kreative Ideen zur Staatsfinanzierung gebe. Originell war der Entertainer, als er in einem wohlvorbereiteten Zahlenspiel der Kanzlerin vorrechnete, dass Deutschland erst im Jahr 2184 schuldenfrei sei, wenn jetzt mit dem Schuldenabbau angefangen würde. (dtj/dpa)