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Gesellschaft

Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof: Ich war dabei

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Was geschah bei den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof? Hysterie überlagert die Bereitschaft genauer hinzusehen und zu differenzieren, wie dieser Augenzeugenbericht zeigt.

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Ich erlebe nun seit drei Tagen die sich aufschaukelnde Hype um die Vorkommnisse am Kölner Hauptbahnhof. Ja, ich war mittendrin. An die drei Stunden. Im Bahnhof an der Seite zum Breslauer Platz. Zu dem, was auf dem Bahnhofsvorplatz am Dom vorgefallen ist, kann ich nichts sagen. Eine Menschenmenge wird sich überall unterschiedlich darstellen, sie ist nicht homogen. Ich stand eingekeilt in einer Gruppe von gefühlten neunzig Prozent Männern arabischen Ursprungs. Die Gleiszugänge waren gesperrt, weil die Bahnsteige überfüllt waren und weil sich Menschen auf den Gleisen befanden, sodass die DB alle Züge gestoppt hat. Ich vermute, nicht in allen Ländern unterliegt der Bahnverkehr so strengen Sicherheitsmaßnahmen wie hier, und es ist auch klar, wenn erst einmal alle Zugänge zu den Bahnsteigen gesperrt werden, wählt man den Weg über die Gleise, das schaukelt sich dann hoch.

Betrunkene im Stadtbild von Köln

Einzelne der Männer, die ich beobachtet habe, hatten zu viel getrunken und torkelten, einer saß vollkommen benommen in einer Ecke und übergab sich. Betrunkene kennt man vom Karneval in Köln in ungleich größerem Ausmaß, da wird in Horden gesoffen, gegrölt, gegrapscht, uriniert und gekotzt, und es sind in erster Linie Einheimische, die über die Stränge schlagen. Die ich in der Nacht gesehen habe, waren einzelne und sie wurden nicht alleingelassen, da waren andere, die sich um sie gekümmert haben und denen das augenscheinlich peinlich war. Alle Menschen um mich herum haben sich außerordentlich ruhig, geduldig und sehr achtsam verhalten. Ich habe immerhin Stunden dort zugebracht und keinen einzigen Übergriff beobachten können. Die Männer um mich herum – und das waren sehr, sehr viele –, haben sich sehr bemüht, mir trotz des Gedränges nicht zu nahe zu kommen. Mehr noch, sie haben mich mit den Armen abgeschirmt gegen die Leiber, die von allen Seiten herangeschoben wurden.

Geduld und Freundlichkeit

Sie waren sehr freundlich, haben die Situation bedauert, versucht, sich mit Händen und Füßen zu vermitteln, sich bei mir erkundigt, wohin ich wollte. Sie haben andere gefragt, die weiter oben standen, ob die Bahn, die ich brauchte, möglicherweise am Bahnsteig stehe oder angeschlagen sei, radebrechten, um mir zu erzählen, woher sie kämen und was sie hier machten, während sie die ganze Zeit Ruhe bewahrt haben. Ich habe selten derart freundliche und geduldige Landsleute erlebt. Hier rasten die Leute oft schon aus, wenn bei Aldi an der Kasse ein paar Menschen vor ihnen stehen. Anderswo ist man vermutlich ganz andere Dinge gewohnt.

Natürlich wird es die Ausschreitungen am Bahnhof gegeben haben. Aber ich vermute, das Ausmaß wird gerade mächtig aufgebläht, weil es in die vorherrschenden Ängste passt. Ich habe die Situation vollkommen anders erlebt.

Bitte nehmt die Berichte ernst, aber nicht die Hysterie, die da gerade verbreitet wird.