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Politik

Uiguren fühlen sich von Erdoğan hintergangen

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Erdoğan galt stets als ein Freund der Uiguren: Er prangerte Chinas Minderheitenpolitik an und setzte sich für die Rechte der Uiguren ein. Bei seinem Besuch in Peking verurteilte er die „terroristischen Aktivitäten“ in Ostturkestan – sehr zum Unmut der Exil-Uiguren.

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Auf einer Pressekonferenz der uigurischen Exilvertretung „Weltkongress der Uiguren“ in München übten uigurische Vertreter Kritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Erdoğan hatte die Behandlung der Uiguren in China 2009 als „eine Art Völkermord“ bezeichnet und sich in der Türkei mehrmals öffentlich für die Rechte der turksprachigen Minderheit ausgesprochen. Doch während seiner Reise nach China wurde er mit der Äußerung zitiert, dass er die staatliche Integrität Chinas respektiere und die terroristischen Aktivitäten in Ostturkestan verurteile.

Bei der Pressekonferenz sagte der uigurische Verantwortliche für die Politik und äußere Beziehungen, Asgar Can, dass Erdoğans Sätze eine große Enttäuschung unter den Uiguren hervorgerufen hätten. Can betonte: „Diese Äußerungen fanden bei den Uiguren eine große Resonanz. Das, was Erdoğan gesagt hat, ist nicht akzeptabel, zumal er die Ereignisse in Xinjiang im Jahre 2009 als Völkermord bezeichnet hatte. Worauf stützen sich die heutigen Äußerungen? Es ist uns nicht bekannt.“

Asgar Can sagte auch, dass sie als Vertretung der Uiguren den türkischen Staatspräsidenten über die Ereignisse in China informieren und für einen Termin bezüglich eines Treffens anfragen wollten. „Wir haben erfahren, dass er in China mit Vertretern des Islamischen Vereins zusammengekommen ist. Diese sind chinesische Muslime im Dienste des Staates China. Sie können nur das sagen, was sie sagen sollen. Man soll Erdoğan gesagt haben, dass es in China 36.000 aktive Moscheen geben soll. Wo befinden sich diese Moscheen? Wenn er nach Ostturkestan gefahren wäre, hätte er Plakate vor Moscheen sehen können, in denen draufsteht, wer die Moscheen betreten darf und wer nicht.“

Enttäuschung über Erdoğan: „Gerade der Staatspräsident unserer Türkei“

China habe seit Jahren große finanzielle Ausgaben getätigt, um durch eine systematische Kampagne den Uiguren den Terrorismus-Stempel aufzudrücken. Can brachte seine Enttäuschung über die Politik Ankaras zum Ausdruck: „Leider hat uns jetzt auch unsere zweite Heimat Türkei diesen Stempel aufgedrückt, während kein einziges europäisches Land in diese Falle hineingetappt ist. Es hat uns sehr betroffen gemacht, dass ausgerechnet der Staatspräsident unserer Türkei diese Worte gesagt hat.“

Der Geschäftsführer des Kongresses, Dolkun Isa, kritisierte auf der Pressekonferenz, dass bei der China-Reise Erdoğans wirtschaftliche Belange im Vordergrund stand und nicht der Einsatz für Menschenrechte. Isa verwies auf verschiedene Dokumente, die den staatlichen Druck auf die Uiguren belegen sollten.

Erdoğan hatte die Volksrepublik China in der vergangenen Woche mit einer 100-köpfigen Delegation besucht.

Besondere Verbindung zwischen der Türkei und den Uiguren

Hintergrund Medienberichten zufolge hat sich die Lage in Xinjiang, dem historischen Ostturkestan, während des Ramadan dramatisch verschlechtert. Muslimen werde das Fasten und das Tragen von Bärten und Kopftüchern untersagt, Moscheen strengstens kontrolliert. Da China keine Journalisten in das Gebiet lässt, ist eine Einschätzung dieser Meldungen äußerst schwierig. Die Gesellschaft für bedrohte Völker geht davon aus, dass 2015 über 500 Uiguren zu Tode gekommen sind. Mehr zur Lage der Uiguren hier.

Zwischen der Türkei und den zentralasiatischen Staaten besteht eine historische Verbindung, die nach dem Zerfall der Sowjetunion wieder zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die heute im Wesentlichen zu sieben Staaten gehörende Region „Turkestan“ wird auf Grund der dort lebenden turksprachigen Völker auch als die „Heimat“ oder das „Stammland der Turkvölker“ bezeichnet.

Diese „Turkvölker“ bilden heute die Bevölkerungsmehrheit in der Region, bestehen aber aus vielen verschiedenen Gruppen und Völkern, so etwa den Turkmenen, Aserbaidschaner, Uiguren, Kasachen, Usbeken, Kirgisen und Tataren. Die Gruppe der Turksprachen umfasst 40 relativ eng miteinander verwandte Sprachen mit etwa 180 bis 200 Mio. Sprechern.