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Uiguren – Tibets Schicksalsgenossen

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In der Region Xinjiang in China kommt es immer wieder zu schweren Unruhen zwischen Sicherheitskräften und der muslimischen Volksgruppe der Uiguren. Abseits der Schlagzeilen geschehen dort regelmäßig Menschenrechtsverletzungen. (Foto: rtr)

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Uiguren - Tibets Schicksalsgenossen
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Vergangene Woche kamen in der chinesischen Provinz Xinjiang 21 Menschen bei ethnischen Unruhen ums Leben. Die chinesische Staatsmacht regiert mit harter Hand über die dort lebenden muslimischen Uiguren und versucht durch staatliche Repressalien, Umsiedlungspolitik und strenger Geburtenkontrolle die Macht über die ethnische Gruppe und die Region zu behalten. Ein Bericht aus dem Jahre 2008 über die Lage der Uiguren ist daher auch heute noch aktuell.

Viel wird in den letzten Wochen über die Menschenrechtslage in China diskutiert. Forderungen nach einem Boykott der Olympischen Spiele in Peking werden laut. Prominente weltweit setzen sich medienwirksam für die Tibeter ein, die seit Jahrzehnten vom kommunistischen Regime in Peking unterdrückt werden. Wie berechtigt und richtig diese Debatte auch ist, ist es schon eigenartig, dass das Tibetproblem klar angesprochen wird, aber mindestens ebenso massive Menschenrechtsverletzungen an anderen Minderheiten in China gar nicht zur Sprache kommen. Als objektiver Beobachter wird man den Eindruck nicht los, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

Man muss lange suchen, um in den Medien Berichte über die Repressalien gegen die Uiguren in China zu finden. Wie in Tibet versucht die chinesische Regierung in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes die Uigurische Bevölkerung durch „Umsiedlungsmaßnahmen“ zu assimilieren. Offiziell wird Ostturkestan, wo die meisten muslimischen Uiguren leben, als „Autonome Uigurische Region Xianjiang“ bezeichnet, allerdings existiert keinerlei Uigurische Selbstverwaltung. Seit Jahrzehnten werden systematisch Han-Chinesen in Ostturkestan angesiedelt, um so die Uigurische Bevölkerung zu dezimieren und die Provinz in eine rein chinesische zu verwandeln.
1949 lebten gerade mal 300.000 Chinesen in Xianjiang, heute sind es fast 10 Millionen. Ein Ergebnis der so genannten „Umsiedlungsmaßnahmen“. Die systematische Ansiedlung von Han-Chinesen stößt bei der seit Jahrhunderten ansässigen Bevölkerung in der Autonomen Region Xinjiang, die die Uiguren selbst als Ostturkestan bezeichnen, auf immer mehr Ablehnung und Kritik. Schon heute ähneln die Städte Ostturkestans und Tibets mit ihren breiten Straßen und modernen Häuserblocks architektonisch immer mehr chinesischen Städten und verlieren ihren besonderen kulturellen Charakter. Ihr architektonischer Niedergang ist symptomatisch für die wachsende Bedrohung der traditionellen Kultur ihrer einheimischen Völker.

Die chinesische Regierung führt bei den muslimischen Uiguren auch eine strenge Geburtenkontrolle durch, um so das natürliche Anwachsen der Uigurischen Bevölkerung aufzuhalten. Menschenrechtsorganisationen berichten auch von zahlreichen erzwungenen Abtreibungen und sogar von Todesfällen in diesem Zusammenhang. Nach einem Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker werden Moscheen und Koran-Schulen willkürlich geschlossen, religiös und kulturell bedeutende Schriften und Bücher öffentlich verbrannt, das Feiern muslimischer Feste wird untersagt, Imame werden zur Teilnahme an Umerziehungskursen der Kommunistischen Partei gezwungen.

Ausrottung einer Kultur

Auch die ökologische Lage in Ostturkestan ist katastrophal. Das chinesische Militär führt auf dem Versuchsgelände in Lop Nor in Ostturkestan unverändert Atomtests durch. Seit 1964 wurden dort über 45 Atomversuche durchgeführt. Beobachter sprechen von gesundheitlichen Problemen aufgrund dieser Atomversuche und von zahlreichen Toten.

Die Lage in Ostturkestan ist sehr angespannt, besonders zwischen den einheimischen Uiguren und den zugewanderten Han-Chinesen kommt es häufiger zu Unruhen. Willkürliche Festnahmen und Deportationen sind an der Tagesordnung. Jegliche religiöse und kulturelle Aktivitäten von Uiguren werden unterbunden. Im Fastenmonat Ramadan wurden 1997 hunderte junge muslimische Gläubige von chinesischen Sicherheitskräften festgenommen, weil sie sich zum gemeinsamen Fastenbrechen und Gebet versammelt hatten. Es kam zu heftigen Protesten seitens der Bevölkerung, die die Freilassung der jungen Uiguren forderten. Die chinesische Polizei reagierte mit „harter Hand“. Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet von über 100 Toten und zahlreichen Verletzten. Mindestens 52 Uiguren wurden aufgrund ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Unruhen zum Tode verurteilt und hingerichtet.
In Schnellverfahren oder in Schauprozessen, die allen rechtsstaatlichen Grundsätzen eines Gerichtsverfahrens widersprachen, wurden die Urteile gegen die Angeklagten verhängt. Die Vollstreckung der Todesurteile gegen fünf weitere Personen wurde aufgeschoben, mindestens 90 Uiguren wurden zu meist langjährigen Haftstrafen verurteilt. Bis zu 14 Inhaftierte starben aufgrund der Folter in der Haft. Den Angehörigen der Folteropfer, Hingerichteten und Erschossenen wurde die Herausgabe der Leichen und eine angemessene Bestattung ihrer Toten verweigert.

Per Erlass wurde die Bevölkerung unter Androhung drakonischer Strafen aufgefordert, absolutes Stillschweigen über den Verlauf der Unruhen zu wahren. Wer dagegen verstieß und Journalisten Informationen über den tatsächlichen Hergang des Massakers zur Verfügung stellte, wurde zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
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Willkürliche Gewalt

Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker ist keine andere ethnische Gruppe in China so massiver und willkürlicher Gewalt der Sicherheitskräfte ausgesetzt wie die Uiguren. „So wurden seit Mitte der 90er-Jahre im Rahmen der ,Schlag hart zu‘- Kampagne der Sicherheitskräfte mehr als 700 Todesurteile aus politischen Gründen gegen Uiguren verhängt und vollstreckt. Im gleichen Zeitraum wurde in Tibet ein Tibeter zum Tode verurteilt“, stellt die GfbV fest.

Die willkürliche Gewalt richtet sich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen die gesamte Bevölkerungsgruppe der Uiguren. So werden in Xinjiang Menschen allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung verfolgt, und nicht nur aufgrund konkreter Straftatbestände. Wer sich für die Bewahrung der traditionellen Kultur und für Menschenrechte in Ostturkestan einsetzt, gilt als Unterstützer des „Terrorismus“ und wird mit jahrelanger Haft oder sogar mit der Hinrichtung bestraft. Dies gilt auch für Uiguren, die im Ausland um politisches Asyl ersuchten oder sich für Menschenrechte für Uiguren einsetzten. Mehrfach wurden seit dem Jahr 2004 uigurische Flüchtlinge, die aus zentralasiatischen Staaten oder Pakistan nach China abgeschoben worden waren, in unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Laut der GfbV versucht China seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 seine blutige Repression in Xinjiang als Chinas Beitrag zum weltweiten Kampf gegen den Terrorismus darzustellen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, viele Regierungen in aller Welt und Menschenrechtsorganisationen haben diese Darstellung jedoch zurückgewiesen und China vorgeworfen, den Antiterror-Kampf für seine eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Es seien hausgemachte Probleme, die China in Xinjiang habe, die keinen Bezug zum Erstarken des internationalen Terrorismus hätten, betonen Experten.

Trotz der massiven Repression seitens chinesischer Sicherheitskräfte gibt es Uigurische Menschenrechtler, welche versuchen, die Welt auf die Lage ihrer Landsleute aufmerksam zu machen. Die bekannteste ist die Menschenrechtlerin und Autorin Rebiya Kadeer. Sie saß einige Jahre in chinesischen Gefängnissen wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ und lebt seit ihrer Haftentlassung 2005 im Exil. Sie wurde drei Mal in Folge für den Friedensnobelpreis nominiert. Kadeer ist einer der wenigen Personen, die es geschafft haben, der Weltöffentlichkeit die Lage der Uiguren zu zeigen. Ihr Buch Die Himmelstürmerin war ein Bestseller. Der World Uigur Congress hat zusammen mit Rabeya Kadeer einen Boykott der Olympischen Spiele befürwortet, „da das menschen- und menschenrechtsverachtende Vorgehen der diktatorischen chinesischen Regierung wider den olympischen Geist von Frieden und friedlicher Zusammenkunft sei“.
Dieser Artikel erschien 2008 in der Zeitschrift „Zukunft“.