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Politik

Das Assozierungsabkommen mit der EU war Auslöser des Konfliktes

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Dr. Lina Fix ist Russland-Expertin der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik.) Im Interview erklärt sie, was der Auslöser des Ukrainekonflikts war und welche Rolle der deutsche Außenminister bei den Lösungsbemühungen spielt. (Foto: reuters)

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Ukraine: Im Interview erklärt die Russland-Expertin Dr. Lina Fix, wie der Ukrainekonflikt entstehen konnte und welche Rolle der deutsche Außenminister spielt.
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Im Osten der Ukraine sprechen nach einer ohnehin brüchigen Feuerpause nun wieder die Waffen. Wie konnte sich in dem osteuropäischen Land in wenigen Monaten ein bewaffneter Konflikt entwickeln, der bereits etliche Menschenleben kostete und dessen Ende nicht in Sich scheint? Dr. Lina Fix ist Russland-Expertin der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) und sagt, dass man die Bedeutung der Ukraine für Russland unterschätzt hat. Im Interview erklärt sie, was der Auslöser des Ukrainekonflikts war und welche Rolle der deutsche Außenminister bei den Lösungsbemühungen spielt.

War die Ukrainekrise vorhersehbar?  

Die EU war tatsächlich überrascht von der Krise, da in Brüssel nicht damit gerechnet wurde, dass Russland mit militärischen Maßnahmen auf ein ursprünglich rein technisches Freihandelsabkommen reagieren würde. Hier wurde unterschätzt, welche Bedeutung die Ukraine für Russland hat.

Warum ist Krim so wichtig für Russland und welche Rolle spielt die Ostukraine?

Die Krim ist als Militärstützpunkt wichtig; in der Ostukraine ist wichtige Schwerindustrie für das russische Militär. Außerdem geht es darum, den politischen Einfluss auf das aus russischer Sicht so genannte „Bruderland“ Ukraine zu bewahren und eine Annäherung an die EU und NATO zu verhindern.

Die Ukraine befindet sich auf der Schwelle eines Bürgerkrieges. Glauben Sie, dass die EU für eine  langwährende  Krise ausreichend aufgestellt ist?

„Bürgerkrieg“ ist ein schwieriger Begriff, da es ja vor allem auch russische Kämpfer sind, die in der Ostukraine in den letzten Tagen die Auseinandersetzungen befeuert haben. Außerdem ist der Konflikt lokal auf die Ostukraine begrenzt und hat daher bisher keine weitreichenden Auswirkungen auf die EU.

Wie beurteilen Sie die Initiativen des Bundesaußenministers Frank Walter Steinmeier?

Steinmeier ist in der Tat besonders aktiv und hat bereits einige Erfolge vorweisen können, so zum Beispiel die Durchführung der Präsidentschaftswahlen und der Teilabzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze. Die EU bemüht sich aber selbstverständlich gemeinsam und vereint für einen Frieden in der Ukraine. Kritik an der Aktivität von Bundesaußenminister Steinmeier ist nur marginal, im Gegenteil, die EU-Staaten unterstützen Steinmeiers Bemühungen.

Wie viel Einfluss hat die EU überhaupt? Kann man von einer gemeinsamen Außenpolitik in dieser Frage sprechen?

Die gemeinsame EU-Außenpolitik war während dieser Krise, anders als zum Beispiel während des Irak-Kriegs, vereint und geschlossen, daher kann das durchaus als Erfolg gewertet werden. Sanktionen, die über spezifische Personengruppen hinausgehen, sondern die ganze Wirtschaft betreffen, würden vielen EU-Staaten schaden, nicht nur Deutschland. Deswegen ist die EU damit sehr zurückhaltend.

Die Abhängigkeit vom russischen Gas wird als Hindernis für wirtschaftliche Sanktionen gesehen. Stimmt das?

Natürlich. Die Sorge ist, dass Russland auf Wirtschaftssanktionen mit Energiesanktionen reagieren könnte. Das ist zwar unwahrscheinlich, weil Russland selbst von dem europäischen Energiemarkt sehr abhängig ist, aber die Gefahr einer solchen Irrationalität besteht.

Russland-Expertin Dr. Lina Fix

 Das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine wird als Beschleuniger des Konfliktes betrachtet. Sehen Sie das auch so?  

Nein, das Assoziierungsabkommen war zwar der Auslöser des Konfliktes, aber Beschleuniger des Konfliktes war vor allem Russland, das eine Annäherung der Ukraine an die EU – und damit eine Weiterentfernung aus Russlands Einflussbereich – nicht akzeptieren wollte. Das Assoziierungsabkommen ist ja noch lange keine Mitgliedschaft und ist vor allem ein wirtschaftliches Instrument. Es wurde von Russland also in seiner Reaktion völlig überbewertet.

Sahen Friedensmissionen der Vereinten Nationen (UN) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in der Ukraine wie in Georgien zu, wie die Konfliktparteien die Vereinbarungen umgingen und sich die Gewalt über Jahre aufschaukelte?

In der Ukraine gab es keinen inneren Konflikt. Er wurde erst jetzt während dieser aktuellen Krise geschürt. In Georgien war lange eine Mission der OSZE vor Ort, der Ausbruch des Krieges in 2008 kam trotz aller Spannungen überraschend.

Der Konflikt mit Russland schiebt andere Spannungen in den Hintergrund. Der Ärger über NSA-Massenüberwachungen scheint momentan nicht so wichtig zu sein. Warum ist die Ukraine-Frage dringender als andere Fragen für die EU?

Weil es natürlich ein großer Unterschied ist, ob in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Konflikt gewaltsam ausgetragen wird oder ob es um Datenschutz geht.

Während die EU zu stark in den Ukrainekonflikt fokussierte, mobilisierten die populistischen Rechte und Rechtsradikale in verschiedenen Ländern die Wählerschaft. Ergebnis: Trotz Kriegszustand vor der Haustür hatte Europa einen großen Erfolg der Rechten bei der EU-Wahl.

Nein, weil die EU erstens nicht zu stark auf den Ukrainekonflikt fokussiert war, sondern sich angemessen damit auseinander gesetzt hat, und zweitens weil populistische Parteien in Europa schon lange präsent sind und ihre Wählerschaft vor allem in den Nationalstaaten haben. Der Erfolg populistischer Parteien hat mehr mit der Wirtschafts- und Finanzkrise als mit dem Ukrainekonflikt zu tun.

 Wie ist das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahlen in Ukraine zu lesen?

Es ist ein Zeichen für Stabilität, dass ein Kandidat gestärkt hervorgegangen ist, und wird hoffentlich dazu führen, dass direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine geführt werden können.

Was kann der Weg aus der Krise sein?

Die Ideale und Prinzipien einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur, wie sie in den 90er Jahren und (in der Zeit) darauf entstanden ist – daran muss wieder angeknüpft werden.