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Kolumnen

Klitschko schlägt die Ukraine K.O.

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Die einseitige, von völligen naiven Vorstellungen ausgehende und russische Interessen negierende Art und Weise, in der westliche Staaten die Entwicklungen in der Ukraine begleiteten, bringt nun ganz Europa in die Bredouille. (Foto: reuters)

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Warum nur das alles? Die Ukraine steht am Abgrund. Niemand ist da, der ihr ernsthaft und vor allem ehrliche Hilfe anbieten würde. In der vergangenen Woche schrieb ich, das Land drohe, im Chaos zu versinken. Die vergangenen Tage scheinen meine Worte zu bestätigen. Die Ukraine mit dem strategisch wichtigen Zugang zum Schwarzen Meer ist endgültig und vor allem offen zum Spielball internationaler Mächte geworden. Bis zum Krieg ist es nicht mehr weit. Und dabei wollten die Bürger doch nur Freiheit.

Aber was gilt schon der Wunsch der Menschen, wenn Machtpolitik das Geschehen bestimmt? Nichts. Jetzt stehen sie auch noch mit leeren Händen da. Schon am 21. Februar hatten ukrainische Banken Barauszahlungen an Geldautomaten erheblich eingeschränkt. Inzwischen sind sie alle leer, bestätigte mir eine Deutsche, die sich derzeit in der Ukraine aufhält. Das heißt, die gesamte Volkswirtschaft kollabiert gerade. In Kiew stehen bereits Lebensmittelgeschäfte leer, Nachschub gibt es nicht, weil der Handel nicht nachbestellen kann. Auch Medikamente werden knapp.

Wer sein Auto nicht unbedingt braucht, lässt es zu Hause, weil auch kaum noch Benzin zu bekommen ist. Wir können uns nur schwer vorstellen, wie ein Land unter so dramatischen Versorgungsengpässen lebt. Und noch schlimmer ist es, sich vorzustellen, was passiert, wenn sich nicht bald etwas ändert. All das war dem Westen klar. Aber er hat die Dinge laufen lassen. Und niemand hat dem ukrainischen Volk gesagt, in welche Lage es sich manövriert. Auch Vitali Klitschko nicht. Im Gegenteil, er goss täglich neues Öl ins Feuer.

Nicht einmal zum Bürgermeister von Kiew gebracht

Es ist an der Zeit, dass seine Rolle in diesem Konflikt geklärt wird. Klitschko wird von den westlichen Medien wie ein Revolutionsheld gefeiert. Aber ist er das wirklich? Die Ukrainer auf der Straße jubeln nicht Klitschko, sondern den Nationalisten oder der freigelassenen Julia Timoschenko von der Vaterlandspartei zu. Klitschko ist neben Ex-Außenminister Arseni Jazenjuk (Vaterlandspartei) und dem Rechtsextremisten Oleh Tjahnybok nur einer der drei Oppositionsführer.

Vitali Klitschko

Klitschko verfügt über beste und, wie Gerüchte besagen, allerhöchste Kontakte zu westlichen Politikern. Seit die Proteste losgingen, stand er immer unter den Demonstranten auf dem Maidan. Auch er peitschte die Menge auf in der Hoffnung auf Sympathien, bis sich die Nationalisten bewaffneten. Er muss sich mit seinen Freunden im Westen über die eskalierende Situation ausgetauscht haben. Es wäre interessant, zu wissen, was sie ihm rieten.

Klitschko ging 2006 in die ukrainische Politik. Zunächst gewann er einen Sitz im Stadtparlament der Hauptstadt Kiew, dann versuchte er zweimal vergeblich, Bürgermeister zu werden. Vor vier Jahren gründete Klitschko die Udar-Partei, was im ukrainischen „Schlag“ heißt. Die einzelnen Buchstaben stehen für „Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen“. Bei der Parlamentswahl 2012 wurde die Udar mit 15 Prozent der Stimmen auf Anhieb drittstärkste Kraft. Klitschko versprach seinen Landsleuten eine Angleichung ihres Lebensstandards an Westeuropa. Das verspricht er auch heute noch. Dabei müssten er und seine Freunde im Westen wissen, dass dieses Versprechen auf absehbare Zeit unhaltbar ist.

Auch Assoziationsabkommen steht in den Sternen

Außerdem hält Klitschko die Illusion eines Beitritts der Ukraine zur EU am Leben. Schließlich wäre ein solcher Beitritt ja auch die Voraussetzung für eine Angleichung des Lebensstandards. Einen solchen Beitritt wird es aber auf absehbare Zeit nicht geben. Derzeit steht sogar das von der Delegation für parlamentarische Kooperation zwischen der EU und der Ukraine geplante Assoziationsabkommen in den Sternen, das den Ukrainern eine visafreie Einreise in die EU ermöglicht hätte. Erst in zehn oder 15 Jahren werde es normal sein, über einen Beitritt der Ukraine der EU zu sprechen, sagte im November letzten Jahres der polnische Politiker und Leiter der Delegation für parlamentarische Kooperation zwischen der EU und der Ukraine, Paweł Kowal.

Es gab also nichts zu versprechen. Aber es gab sehr wohl russische Interessen, die zu bedenken waren: Erstens leben bis heute sehr viele Russen in der Ukraine. Russisch ist die zweite Amtssprache. Zweitens ist Russland der wichtigste Handelspartner der Ukraine. Und drittens wäre ein Assoziationsabkommen der EU mit der Ukraine, in das Russland nicht einbezogen ist, ein bewusster Affront gegen den Kreml. Putin konnte ein solches Vorgehen nicht tatenlos hinnehmen. Und viertens ist die Halbinsel Krim der Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Die Krim war immer russisch, bis der sowjetische Generalsekretär Nikita Chruschtschow sie 1954 der ukrainischen Sowjetrepublik vermachte. Wie könnte Putin sie preisgeben?

Blauäugige Hypothesen im Vorfeld des Konflikts

All diese Punkte bergen ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial, und sie waren keineswegs geheim, sondern jedermann bekannt, der sich mit der Materie beschäftigte. Trotzdem verhielt sich der Westen so, als gebe es keine Probleme. Wie antwortete Pawel Kowal noch gleich auf die Frage, wie ein Assoziationsabkommen auf die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland wirken könne?

„Die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland dürften sich kaum verändern. Für Russen in der Ukraine eröffnen sich neue Handelsmöglichkeiten. Russland ist pragmatisch und wird nach Unterzeichnung des Abkommens neue, günstige Handelskonditionen für die Ukraine vorschlagen. Es gibt zu viele enge Kontakte als das irgendjemand diese Verbindung kappen würde.“

Kann der Westen so blauäugig sein? Oder steckte nicht vielmehr Kalkül dahinter in der Hoffnung, mit der Ukraine einen Krisenherd direkt vor der russischen Haustür zu schaffen? Wie auch immer, dumm war es allemal.