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Kolumnen

Über den neoliberalen Umbau der Ukraine

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Dass man notfalls auch nicht den Zufall über die Krise entscheiden lässt, hätten wir in Sachen Ukraine bereits 2004 lernen können, als von ausländischen Institutionen und Stiftungen trainierte Aktivisten bereits den Umsturz versuchten. (Foto: reuters)

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Die Ukraine-Berichterstattung der letzten Wochen war schon entlarvend genug eklatant einseitig. Nun aber sollte auch dem letzten Gutgläubigen die Illusion genommen sein, dass es in der Ukraine um Demokratie und Menschenrechte gehen könnte. Ganz offen – und leider wieder unkritisch von den meisten unserer Medien übernommen – werden die Kreditbedinungen des IWF als Fortschritt für das osteuropäische Land dargestellt. In der Tat war die Ukraine vor vier Jahren noch nicht so „reformbereit“ wie heute, nur hatte es damals auch eine legitime Regierung. Die nicht legitimierte Übergangsregierung schafft nun Tatsachen in Richtung Westintegration. Und dazu gehört die Öffnung der eigenen Märkte, Steuererhöhungen, ein grundlegender Umbau der ukrainischen Wirtschaft mit massenhaften Entlassungen. Naomi Klein hat in ihrem Buch „Die Schockstrategie“ genau beschrieben, wie Krisensituationen dazu ausgenutzt werden, um eine bestimmte Wirtschaftsdoktrin durchzusetzen. Wer glaubt, dass die Kredite aus dem Westen eine selbstlose „Hilfe“ für das krisengeschüttelte Land sein könnten, hat in den letzten Jahrzehnten schlicht nicht aufgepasst.

Dass man notfalls auch nicht den Zufall über die Krise entscheiden lässt, hätten wir in Sachen Ukraine bereits 2004 lernen können, als von ausländischen Institutionen und Stiftungen trainierte Aktivisten bereits den Umsturz versuchten – die sog. Orangene Revolution. Das ist inzwischen gut recherchiert und könnte in der aktuellen Berichterstattung zur Kenntnis genommen werden – wenigstens rückblickend, wenn schon nicht warnend vor aktuellen Naivitäten. Auch die Entwicklungen um Georgien, das im Windschatten der Aufmerksamkeit ebenfalls „westintegriert“ wird, sollten in das Blickfeld verantwortungsvoller Rechercheure genommen werden. Nun ist es also gelungen, die gewählte ukrainische Regierung durch ein Konglomerat aus Opportunen und Faschisten zu ersetzen. Ein Referendum wie auf der Krim hätte man sich da nur wünschen können.

Der russische Präsident Vladimir Putin mit seinem amerikanischen Kollegen Barack Obama.

Darauf besteht man im Westen aber nicht, wenn es dem eigenen Fortkommen dient, nämlich der lange angestrebten NATO-Osterweiterung mitsamt der wirtschaftlichen Westintegration. Da bedient man sich auch gerne mal – egal wie zündlerisch – alter antirussischer Feindbilder. Putin gibt dafür die geeignete Projektionsfläche ab. Seine Perspektive – die Nichteinhaltung der Zusage auf Verzicht weiterer NATO-Ausdehnung, die Beschneidung des Zugangs zum Meer über Sevastopol und Tartus, die Garantie freier Energiehandelswege auch für Russland – nimmt man da möglichst nicht ein, um wieder einmal einen neuen „Hitler“ dämonisieren zu können. Ein Aufschrei wegen Geschichtsklitterung durch den NAZI-Vergleich bleibt auffallend aus.

Nur ein Beispiel für das Messen mit unterschiedlichem Maß

Ohne Recherchen zu Geopolitik und Energiekrise ist die aktuelle Weltpolitik weder im Osten noch in Afrika zu verstehen. Unseren Medienvertretern – als idealisiert imaginierte Vierte Gewalt – sind dringend Fortbildungen in diesen Themenfeldern, aber auch in Sachen Völkerrecht zu empfehlen. Dann könnte es gelingen, einen echten Völkerrechtsverstoß da auszumachen, wo er geschieht, und nicht die Interessen bestimmter Politiker oder Think Tanks unkritisch zu kolportieren. Der Putsch in der Ukraine ist nur ein Beispiel für das Messen mit unterschiedlichem Maß, das Selbstbestimmungsrecht der Krimbewohner ein anderes und es gibt derer viele mehr.

Der Schaden für das sich besser wägende System, das seine Werte nur instrumentell einsetzt, ist unbegrenzt. Gerade der Missbrauch des Wortes „Freiheit“ wird noch vielen auf die Füße fallen, denn die Knebelbedingungen internationaler Kreditverträge sollten spätestens seit den öffentlichen Bekenntnissen des Hitman John Perkins zum Allgemeinwissen gehören. Die Annäherung an die falschen Bündnispartner, die sich in Abgrenzung zu unserem Nachbarn Russland ergibt, zeigt, dass auch wir Teil der geostrategischen Überlegungen eines sterbenden Wirtschaftsimperiums sind. Bereits mit Blick auf Irak, Iran und nun auch Russland geht es auch immer darum, deutsche Handelsbeziehungen zu unterbinden – während andere ausgebaut werden. Wenn jetzt ernsthaft das sog. Freihandelsabkommen TTIP umgesetzt werden soll, dass den ultra-neoliberalen Umbau bis hin zur Abschaffung von Verbraucherschutz und damit wirklich freiem Handel im Sinne großer Konzerne vollenden soll, dann kann man auch unsere Verfassung, das bereits vielfach geschundene Grundgesetz, endgültig ins Museum tragen. Wer Demokratie mit verdecktem bis offenem Wirtschaftskrieg verwechselt, wird ohne Demokratie, aber mit Krieg enden.