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Geschichte

Umar al-Muchtar – Der Löwe der Wüste

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Vom Westen ignoriert, doch in den Herzen der Araber lebt er immer noch weiter. Umar al-Muchtar kämpfte über zwanzig Jahre lang für die Unabhängigkeit seines geliebten Libyens. Wer war der so genannte Löwe der Wüste? (Foto: zaman)

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Der europäische Blick auf Libyen zeigt vor allem die Herrschaft Gaddafis in den letzten Jahren sowie die Ereignisse zur Zeit des Arabischen Frühlings. Fragt man jedoch einen Araber nach der Zentralfigur in Libyen, so werden Sie eine ganz andere Antwort erhalten. In vielen arabischen Ländern ist Umar al-Muchtar als der Nationalheld Libyens bekannt, der die Geschichte des Landes maßgeblich geprägt hat.

Das Bild Umar al-Muchtars ist das eines alten und bescheidenen Mannes, der zwanzig Jahre lang für die Freiheit seines Landes kämpfte. Er wuchs als Waisenkind in armen Verhältnissen auf und wurde von einem politisch-religiösen Führer adoptiert. Er stammt aus einem Dorf im Dschabal al-Akhdar (Grünes Gebirge) und war dort Koranlehrer und Dorfvorsteher (arabisches Wort: „Muchtar“). Er besuchte acht Jahre lang die „Senussi-Schule”. Dies war eine Schule, die von dem Algerier Muhammad ibn Ali as-Senussi gegründet wurde, der auch gleichzeitig der Gründer des Senussi-Ordens (1837) war. Der Senussi-Orden war eine sufistisch-islamische Bruderschaft, die von 1843 bis 1969 für die Freiheit in Libyen kämpfte. Sie spielte in diesem Land eine große religiöse und politische Bedeutung. Umar al-Muchtar war ein Mann weniger Worte. Bei öffentlichen Reden nutzte er Verse aus dem Koran oder Hadithe (Überlieferungen) des Propheten Muhammed. Seine Nächte verbrachte Muchtar mit Gebeten und Meditationen.

Italien wird Besatzungsmacht in Libyen

1911 begann der italienisch-türkische Krieg, den die Italiener ein Jahr später für sich entscheiden konnten. Die von den Osmanen besetzten Gebiete im heutigen Libyen gingen in der Folge an das Königreich Italien über. Doch die neuen italienischen Besatzungstruppen befanden sich anfangs nur in den Hafenstädten und konnten aufgrund des Widerstandes, welchen die Rebellen des Senussi-Ordens leisten, keine weiteren Gebiete erobern.

Im Laufe der folgenden zwei Jahrzehnte verübten die italienischen Besatzungstruppen schwere Kriegsverbrechen in der Region. Es fanden öffentliche Massenhinrichtungen statt, Frauen wurden vergewaltigt, das Eigentum der Einheimischen wurde geplündert, Wasserquellen vergiftet, Vieh und Hütten niedergebrannt. Bei einem Gefecht bei Sciara Sciat im Jahr 1911 kamen 500 italienische Soldaten ums Leben. Aus Rache töteten italienische Truppen in den nächsten fünf Tagen wahllos Tausende von Arabern und Türken in dieser Region. Auf Befehl des Leutnants Giulio Cavotti wurde am 1. November auch die ersten 2-Kilo-Bomben auf Menschen geworfen. Im Laufe der nächsten Jahre führten die Besatzungstruppen auch immer wieder Giftgasangriffe durch.

Italienische Besatzung: Konzentrationslager, Giftgasangriffe, Plünderungen

Dass Umar al-Muchtar der brutalen Gewalt der Besatzer dennoch so viel Widerstand leisten würde, überraschte die Italiener. Al-Muchtar schaffte es die Italiener in 260 verlustreiche Gefechte zu verwickeln. Der faschistische Diktator Benito Mussolini war gezwungen weitere 100.000 Mann nach Afrika zu schicken. Es wurde viel Propaganda betrieben, z.B. entstand das berühmte italienisches Lied „Tripoli, bel suol d’amore“ (Tripoli, schönes, geliebtes Land) von einem anonymen Verfasser, in dem die italienischen Soldaten ermutigt werden nach Tripoli zu fahren. Libyen, was in Wirklichkeit zum großen Teil eine Wüste ist, wird verlockend beschrieben.

So wundervoll die Lieder über Libyen, so grausam das Vorgehen der italienischen Streitkräfte. Zehntausende von Einwohnern wurden in Konzentrationslager gebracht. Bei einem Gefecht geriet Umar al-Muchtar letzendlich in die Gefangenschaft der Italiener, die ihn als Siegestrophäe betrachteten. Am 15. September wurde er in das Konzentrationslager Soluch bei Bengasi gebracht und vom Militärgericht zum Tode verurteilt. Am Tag darauf, dem 16.September 1931, wurde er öffentlich hingerichtet. Mit seinem Tod endete vorerst auch der libysche Widerstand. Bis 1934 schafften es die Italiener schließlich ganz Libyen zu erobern.

In umstrittenen Quellen spricht man davon, dass der italienische General Rodolfo Graziani, der von Mussolini nach Libyen geschickt wurde, versucht hat Muchtar zu einem Deal zu überreden. Er soll ihm versprochen haben sein Todesurteil zurückzuziehen, wenn er die Rebellen dazu auffordern würde mit dem Kampf gegen die italienische Regierung aufzuhören. Der Legende nach soll Umar al-Muchtar abgelehnt und mit seinem berühmten Satz geantwortet haben: „Wir kämpfen, weil wir für unsere Religion und unsere Freiheit kämpfen müssen. Wir geben nicht auf, entweder wir vertreiben die Eindringlinge oder wir sterben. Inna lillahi wa inna ilayhi rahi’un (wir gehören Gott und zu ihm werden wir zurückkehren).“

Umar Al-Muchtars Einfluss nach seinem Tod

Umar al-Muchtar behielt auch nach seinem Tod den Ruf des unbeugsamen Freiheitskämpfers bei. 1979 gab die libysche Regierung einen Film über Umar al-Muchtar zu drehen, der in etwa 35 Millionen Dollar kostete. Der Film ist ein Historienfilm, der auf wahren Tatsachen basiert. Gedreht wurde er von dem syrisch-amerikanischen Regisseuren Moustapha Akkad und die Hautprolle wurde von dem international erfolgreichen Schauspieler Anthony Quinn gespielt. Der Film war lange Zeit in Italien verboten, da er für die Ehre der Soldaten als schädlich galt. Erst vor fünf Jahren, also im Jahre 2009, wurde der Film erstmalig im italienischen Fernsehen ausgetragen. Dies fand während eines offiziellen Besuches Gadaffis in Italien statt. Gaddafi trug bei dem Besuch übrigens das Foto von al-Muchtars Festnahme auf seiner Uniform.

Eine libysche Brigade, die 2011 gegen die Regierung Gadafis kämpfte, benannte sich nach ihm. Außerdem wurde die zweitgrößte Universität Libyens nach ihm benannt. Verschiedene Straßen und Orte in arabischen Ländern tragen ebenfalls den Namen Umar Muchtar. Auf der libyschen Banknote (10 Dinar) ist außerdem sein Foto abgebildet. Auch in Venezuela steht eine Büste von ihm. Graffiti-Malereien, die in Libyen seit dem Sturz Gaddafis sehr verbreitet sind, zeigen im Zusammenhang mit Freiheitskämpfen auch oft sein Bild.