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Politik

„Umgang der Bundesregierung mit Türken ist europarechtswidrig“

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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig gegen die Ungleichbehandlung türkischer Arbeitnehmer im Gebührenrecht könnte auch Vorbildwirkung für andere Bereiche entfalten, so die Linksabgeordnete Sevim Dağdelen. (Foto: aa)

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„Umgang der Bundesregierung mit Türken ist europarechtswidrig“
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Wie das Migazin kürzlich berichtete, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig deutlich gemacht, dass türkische Arbeitnehmer im Vergleich zu EU-Bürgern weder diskriminiert noch ihre Freizügigkeitsrechte verschlechtert werden dürfen. Maßgeblich dabei sei die Rechtslage aus dem Jahre 1980. Das habe das BVerwG (1 C 12.12) am Dienstag (19.3.2013) in einem Urteil klargestellt.

Für türkische Staatsbürger gilt auf Grund des Assoziationsabkommens zwischen der Türkei und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europarecht und damit greifen auch sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Verschlechterungsverbot.

Der Entscheidung lag der Fall eines türkischen Arbeitnehmers zugrunde, von dem die Behörde für die Verlängerung und Ausstellung seines Aufenthaltstitels dreimal die Bezahlung von Gebühren in Höhe von 40, 30 und 135 Euro verlangt habe. Die Gebühren für EU-Bürger hingegen seien ungleich niedriger (8 bzw. 28,80 Euro). Dadurch seien die Gebühren für türkische Staatsangehörige aber „unverhältnismäßig hoch“, führten die Richter aus. Dies verstoße gegen das Abkommen mit der Türkei.

Die Richter in Leipzig begründen ihre Entscheidung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dem wiederum ein vergleichbarer Fall aus den Niederlanden zugrunde lag.

Die Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, Sevim Dağdelen (r.), forderte die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf und warf ihr gleichzeitig vor, trotz bereits absehbaren Handlungsbedarfs auf Grund einer früheren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) untätig geblieben zu sein.

In einer Pressemitteilung spricht Dağdelen von einem „Schuss des Bundesverwaltungsgerichts vor den Bug der Bundesregierung“ und gibt zu bedenken: „Noch in vielen weiteren Punkten verstößt das geltende Aufenthaltsrecht gegen Europarecht, und damit sich das ändert, hat DIE LINKE bereits im Oktober 2011 einen Antrag in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/7373)“.

Bereits im Mai 2012 habe sie die Bundesregierung und die Länder aufgefordert, die europarechtswidrige Abzocke in den Ausländerbehörden zu beenden, so Dağdelen. Dies sei jedoch vergeblich gewesen. „Mit einer Kleinen Anfrage hatte die Fraktion DIE LINKE bereits Anfang 2010 auf die rechtswidrige Gebührenerhebung vor dem Hintergrund des EWG-Türkei Assoziationsabkommens aufmerksam gemacht (vgl. Bundestagsdrucksache 17/413). Mehrfach haben wir die Bundesregierung auf die Praxis in den Niederlanden und in Dänemark hingewiesen, wo das Assoziationsrecht seit längerem respektiert wird. Auch dies vergeblich, denn die Bundesregierung hält aus politischen Gründen bewusst am europarechtswidrigen Umgang mit türkischen Migrantinnen und Migranten fest, solange es nur irgend geht.“

Dass das Bundesverwaltungsgericht jetzt eine solch klare Entscheidung getroffen habe, lasse hoffen, so die Politikerin. Sie erwartet nun weitere Grundsatzurteile, die der Bundesregierung vor Augen führen dürften, dass „ihre Politik des Zwangs und der steten Gesetzesverschärfungen im Kern gescheitert ist – denn gegenüber den türkischen Staatsangehörigen ist sie wegen der Verschlechterungsverbote des Assoziationsrechts nicht anwendbar.“

Dies betreffe, so Dağdelen, zum Beispiel auch die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug aus dem Ausland, aber auch die seit Mitte 2011 gesetzlich vorgesehene Verweigerung einer längerfristigen Aufenthaltserlaubnis, wenn ein Integrationskurs noch nicht erfolgreich beendet wurde – und vieles mehr.

In wenigen Wochen werde im Rahmen einer Sachverständigenanhörung im Bundestag über all diese Fragen beraten werden. Dağdelen befürchtet jedoch, dass die Bundesregierung sich uneinsichtig zeigen und darauf warten werde, bis die Höchstgerichte sie zum Handeln zwingen.

Die Betroffenen forderte die Linkspolitikerin hingegen auf, rückwirkend Widerspruch gegen Gebühren zu erheben. Wenn kein rechtsmittelfähiger Bescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung vorliege, sei dies rückwirkend für ein Jahr möglich.