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Wirtschaft

Uneinigkeit in Baku über Lockrufe aus Moskau

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Nachdem Moskau Armenien die Aufnahme in die Regionale Zollunion zugesagt hat und gleichzeitig auch die Ukraine und Moldawien in diesen Zusammenschluss zu drängen versucht, muss Baku Farbe bekennen und weitreichende Entscheidungen treffen. (Foto: cihan)

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Dmitry Medvedev und der Praesident der aserbeidschanischen Republik Ilkham Aliyev.
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Die Regionale Zollunion (CU) ist in den letzten Tagen ein heiß diskutiertes Thema auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere seitdem Armenien versprochen hatte, dieser beizutreten und Russland dabei zur Seite stand, Beitrittsdruck mit Blick auf die Ukraine und Moldawien auszuüben.

Diese Entwicklungen eröffneten eine neue Debatte um die Position Aserbaidschans: Derzeit gibt es einige Faktoren, welche die aserbaidschanische politische Elite ernsthaft hierüber zum Nachdenken angeregt haben. Man weiß: Bloß auf Zeit zu spielen wird mögliche nachteilige Entwicklungen nicht verhindern. Bis vor kurzem waren sich aserbaidschanische politische Gestalter ziemlich sicher, dass die offizielle Position Bakus sie schützen würde und die so genannte Eurasische Union nur als eine entfernte Bedrohung anzusehen wäre.

Das östliche Partnerschaftsprogramm der EU, die EaP, war bis jetzt nicht sonderlich erfolgreich, aber es half der Integration zwischen den ehemaligen Sowjetländern. Die Situation könnte sich fortan jedoch drastisch verändern, auch wenn diese Versuche westlicher Unterstützung noch für eine Weile präsent sein werden. Die Syrienkrise und die kraftvolle Rückkehr Moskaus auf die politische Bühne, zusammen mit den wachsenden Interessen der USA am Kaukasus und der äußerst gewichtigen politische Wende Armeniens könnten zusammen jedoch das Ende der EaP herbeiführen. Unter den derzeitigen Umständen gibt es innerhalb der aserbaidschanischen Elite teils Einigkeit, teils aber auch deutlichen Dissens in Bezug auf das, was die Zukunft für das Land bereithalten wird und welche Art von Entscheidungen nun folgen müssen.

Die Vorstellungen der Elite: gemeinsame und abweichende Ansichten

In Aserbaidschan gibt es verschiedene Gruppierungen, die man im Groben anhand ihrer Meinungen bezüglich der Russland- und der Zollunionsproblematik einfach zuordnen kann.

Die erste Gruppe, Unterstützer einer unabhängigen Außenpolitik, glaubt, dass der Beitritt zur Zollunion die unabhängige Politik Bakus gefährden würde. Richtigerweise argumentieren sie damit, dass von diesem Moment an der mächtige Energiesektor die Außenpolitik entscheidend beeinflussen wird, weil die Zollunion das Monopol Moskaus als Energieanbieter für die EU fördern würde – vor allem weil der Beitritt zukünftige Energieprojekte wie die Trans-Adriatische Pipeline (TAP) beschleunigen wird.

Zentral verwaltete Exportregelungen, Zollpolitik und Tarife würden Aserbaidschan seiner unabhängigen Energiepolitik berauben. Die Souveränisten bezweifeln des Weiteren, dass Aserbaidschan irgendwelche gemeinsamen Interessen mit einem russisch geführten Handelsblock hätte, der nur wenige Vorteile bieten würde außer für die profitierenden Geschäftsleute und die fast zwei Millionen Aserbaidschaner in Russland.

Die generelle Einschätzung, dass Aserbaidschan von einer gemeinsamen Wirtschaftszone nicht profitieren würde, teilen sowohl die politische Elite als auch die Bevölkerung. In einer jüngsten Studie der Eurasien-Entwicklungsbank würden nur 37% der Bürger Aserbaidschan gerne in der Zollunion sehen – das ist der niedrigste Grad an Unterstützung in der gesamten Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten (CIS). Um ihren Standpunkt zu stärken, zitiert diese Gruppe oftmals die offizielle Linie in Baku: Im letzten Dezember erklärte der diese Woche wiedergewählte aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev in einem Interview mit der Russia 24 TV, dass Aserbaidschan seine Erfolgsaussichten nicht in der Zollunion oder innerhalb des Gemeinsamen Wirtschaftsraumes der CIS sehe.

Eine zweite Gruppe wiederum befürchtet, dass Moskau Baku zwar unter Druck setzen werde, der Zollunion beizutreten, aber zeitgleich der Beitritt Armeniens einen starken Grund für den Nicht-Beitritt Aserbaidschans darstellen würde. Die Verfechter dieses Standpunktes sagen, dass der Beitritt Aserbaidschans in die Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten 1993 geografisch notwendig gewesen wäre. Seither habe Aserbaidschan jedoch keine militärische Integration gegenüber Moskau angestrebt oder gar einen freien Handelsvertrag zwischen den CIS-Mitgliedstaaten. Diese Gruppe, von deren Mitgliedern einige der politischen Opposition angehören, glauben, dass eine Moskau-geführte Integration auch die regierende Elite bedrohen würde. Wenn Baku sich auf den Beitritt in die Zollunion festlegen solle, würde das der Opposition Zündstoff liefern. Es würde auch dazu führen, dass die Öffentlichkeit den Einsatz für eine ausgeglichene, unabhängige Außenpolitik hinterfragt.

Die dritte Gruppe, eine Minderheit, denkt, dass Aserbaidschan der Zollunion beitreten könnte, wenn Moskau eine Lösung für den Bergkarabach(NK)-Konflikt im Rahmen der territorialen Integrität Aserbaidschans garantieren könnte. Sie glauben, dass der Beitritt Armeniens zur Zollunion, der vermutlich ein Jahr dauern wird, dazu führen könnte, dass dieses Land alle möglichen Register ziehen würde, um Bergkarabach mit in den Handelsblock aufzunehmen. Dadurch würde man die wachsende Bedrohung der Unabhängigkeit durch die Bergkarabach-Separatisten bemerken. Moskau würde sich selbst offiziell als neutral bekennen, aber diese Gelegenheit als Druckmittel für einen Beitritt Bakus in die Zollunion nutzen. Innerhalb dieser Gruppe lautet der Hauptgedanke, dass eine unabhängige Politik nicht der Preis für ein wiedererlangtes Bergkarabach sein sollte.

Beobachterstatus als geringstes Übel?

Letztlich werden innerhalb des Regierungszirkels alle Pro- und Contra-Argumente in Abwägung gezogen und man ist allgemein davon überzeugt, dass am Ende die externen Faktoren die entscheidungsrelevanten sein werden; namentlich die Situation hinsichtlich der Ukraine und speziell, wie Kiew seinen europäischen Traum unter dem Druck Russlands weiterverfolgen wird. Nicht einmal der zähneknirschend akzeptierte „Beobachterstatus“ Kiews innerhalb der Zollunion vermochte das Land vor dem Druck aus Moskau zu schützen.

Aserbaidschan wird vermutlich Schritte unternehmen, um den Beitritt in die Zollunion zu verhindern. An allererster Stelle – insbesondere mit Blick auf Bergkarabach – ist der strategische Wert der Mitglieder der Zollunion von Bedeutung. Baku wird seine guten Beziehungen zu Weißrussland und Kasachstan nutzen, um die Akzeptanz der Separatisten in Bergkarabach innerhalb der Zollunion zu minimieren.

Des Weiteren ist Aserbaidschan derzeit damit beschäftigt, seine Beziehungen zur EU weiterzuentwickeln. Man ist der generellen Auffassung, dass das EaP-Programm der EU im Lichte der aktuellen Entwicklungen zu Ende gehen wird. Es ist kein Geheimnis, dass Baku versucht, eine strategisch modernisierende Partnerschaft zu suchen, wie sie im letzten Jahr auf die Agenda gesetzt wurde. Seit dem jüngsten Besuch in Brüssel durch den aserbaidschanischen Präsidenten im Juni haben die EU und Aserbaidschan fast schon die Skizze zu einer Vereinbarung angefertigt. Im späten August in Brüssel haben aserbaidschanische Delegierte mit den EU-Bürokraten noch einmal eine detaillierte Diskussion abgehalten.

Die neue Vereinbarung könnte dem EU- und Aserbaidschan-Dialog eine andere Plattform schaffen. In diesem Falle würde Aserbaidschan zwar nicht der Freihandelszone der EU beitreten, aber man würde in den nächsten Jahren an verschiedenen gemeinsam zu vereinbarenden Punkten arbeiten. Diese Entwicklung würde Aserbaidschan des Weiteren einen Anreiz bieten, dem Drängen auf eine Mitgliedschaft in der Zollunion standzuhalten. In Anbetracht der Tatsache, dass einige EU-Länder die wichtigsten Handelspartner Bakus sind, könnte dieses Kalkül sogar aufgehen.

Unter Abwägung aller Für und Wider dürfte es langfristig die beste Variante für die Zukunft Aserbaidschans darstellen, den beobachtenden Status in der Zollunion oder der so genannten Eurasischen Union als eine Art Kompromiss einzunehmen, obwohl gleichzeitig ausbaufähige Beziehungen mit der EU im oben beschriebenen Umfang bestehen. Alles hängt nun von den Entwicklungen der kommenden Monate ab.

Zaur Shiriyev ist Chefredakteur des „Caucasus International” (CI) und schreibt auch für die „Today’s Zaman”, aus der auch der Artikel stammt. Shiriyevs Hauptaugenmerk liegt auf der Schwarzmeer-/Kaukasusregion, besonders interessiert er sich für die EU-Politik in diesem Gebiet.