Connect with us

Panorama

Unermüdlicher Einsatz für Qualitätsjournalismus und mehr Demokratie

Spread the love

Nach längerem Krebsleiden hat die Türkei einen ihrer bekanntesten und meistgeschätzten Journalisten verloren. Politiker, Kollegen und gesellschaftliche Institutionen würdigten Mehmet Ali Birand nicht nur für seine professionelle Arbeit. (Foto: Zaman)

Published

on

Unermüdlicher Einsatz für Qualitätsjournalismus und mehr Demokratie
Spread the love

Istanbul- Im Alter von 71 Jahren und nach 48 Jahren des publizistischen Einsatzes für mehr Freiheit und Demokratie in der Türkei ist der Starjournalist und Chef der Nachrichtengruppe „Kanal D“, Mehmet Ali Birand, der wegen seiner Krebserkrankung bereits über längere Zeit hinweg körperlich geschwächt war, wie sein Sohn Umur mitteilte, am Donnerstag an einer Infektion gestorben.

Birands journalistische Karriere begann 1964 bei „Milliyet“, populär wurde er während der 80er-Jahre durch eine Reihe vielbeachteter Interviews und Dokumentationen. Seine Bücher über die türkische Armee, die Intervention auf Zypern und die Bestrebungen der Türkei in Richtung EU-Mitgliedschaft wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Seine Fernsehsendung „32. Gün“ („Der 32.Tag“) entwickelte sich zu einem der beliebtesten Formate der Türkei.

Da Birand aus seiner liberalen Überzeugung die Bevormundungsstrategie der Militärs und der kemalistischen Eliten sowie die Unterdrückung der Religionsausübungsfreiheit ablehnte und zum Teil scharf kritisierte, machte er sich mächtige Feinde. Dies war unter anderem der Grund, warum er wie viele gleichgesinnte Journalisten auf Druck des Militärs im Gefolge des Militärputsches von 1997 entlassen wurde. Außerdem störten sich die Militärs an seinem an Verständigung orientierten Standpunkt in der Kurdenfrage. Als Sohn einer Familie aus Elazığ war Birand selbst kurdischer Herkunft.

Schon in den 90er-Jahren dunkle Machenschaften im Inneren des Staates vermutet

Birand gehörte zu jenen Journalisten, die bereits in den 90er-Jahren begonnen hatten, unbequeme Fragen zu stellen über die Hintergründe sonderbarer Attentate, Vermisstenfälle oder organisierter Übergriffe auf Minderheiten und trat Verschwörungstheorien entgegen, die „ausländische Mächte“ verdächtigten. Er witterte einen Feind im Inneren des Staates.

Die „Ergenekon“-Enthüllungen, die in seiner journalistischen Arbeit breiten Raum einnahmen, sollten seine Ahnungen in vollem Umfang und sogar weit darüber hinaus bestätigen. Mehmet Ali Birand gehörte stets zu jenen Journalisten, die gerade im Zusammenhang mit diesen erschreckenden Entwicklungen innerhalb des „tiefen Staates“ nie locker ließen und Aufklärung verlangten. Umso bedenkenswerter erscheint die scharfe Kritik, die Birand in den letzten Monaten an die ermittelnden Staatsanwälte der „Ergenekon“-Verfahren richtete.

Er warnte eindringlich davor, durch zweifelhafte Verfahrensschritte und ungesetzliche Praktiken die Abrechnung mit den Verantwortlichen zu gefährden. Es wäre höchst dubios, dass dem Hauptverfahren nicht weniger als 22 weitere Anklagen hinzugefügt worden wären und dass die Anklagebehörde ihre Schlussplädoyers dazu verwendet hätten, die Anklage noch weiter auszudehnen.

Wenn nach vier Jahren noch keine abschließende Bewertung erfolgt wäre, obwohl die Anklage schon anhängig ist, könnte das den gesamten Prozess in Frage stellen.

Birand übte auch Kritik am Stillstand bei der Weiterentwicklung der Religionsfreiheit in der Türkei und bemängelte, dass die staatliche Religionsbehörde durch ihren Bürokratismus beispielsweise die Rechte der Aleviten unzulässiger Weise verkürze, wenn etwa deren Cem-Häuser nicht als „Gottesdienststätten“ anerkannt würden. Die AKP verteidige zu Recht die Religionsfreiheit ihrer Klientel, sie müsse dieses Recht jedoch auch für die Angehörigen aller anderen religiösen Gemeinschaften durchsetzen.

Fethullah Gülen: „Birand hat stets die religiösen Überzeugungen seiner Mitmenschen respektiert“

Staatspräsident Gül würdigte Birand als farbenfrohe Figur mit eigenständiger Persönlichkeit. Sein Intellekt, sein Mut, seine Erfahrung und seine Professionalität hinterließen eine Lücke, die nicht gefüllt werden könne.

Premierminister Recep Tayyip Erdoğan betonte in einem Beileidsschreiben, Birand werde stets als außergewöhnlicher und respektierter Journalist in Erinnerung bleiben. Er sei bei Kollegen, Lesern und Zuschauern gleichermaßen als hart arbeitender, produktiver Journalist angesehen gewesen und sei eines der wichtigen Gesichter der türkischen Medienlandschaft gewesen.

Der in den USA lebende türkische Islamgelehrte Fethullah Gülen beschrieb Birand in seiner Kondolenzadresse von Donnerstagabend als beispielhaften Journalisten, der von seiner demokratischen Überzeugung ungeachtet aller Nachteile und allen Drucks niemals abgewichen sei. Er habe auch großartige Journalisten ausgebildet und stets die religiösen Überzeugungen seiner Mitmenschen respektiert.

Auch die Vorsitzenden der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, der Demokratischen Linken, Masum Türker, der „Partei der Großen Einheit“, Mustafa Destici und der Demokratischen Partei, Gültekin Uysal, traten mit Beileidadressen an die Öffentlichkeit. Sie erinnerten an ein halbes Jahrhundert Mediengeschichte, das mit seinem Namen verbunden sei und würdigten ihn als Symbolfigur des türkischen Journalismus.

Auch der Türkische Fußballverband und die führenden Fußballvereine richteten Beileidsäußerungen an die Medien und Birands Familie.

Das Totengebet findet in der Teşvikiye-Moschee statt. Am morgigen Samstag wird Mehmet Ali Birand beigesetzt. (Today’s Zaman)