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Politik

US-Präsident Biden verteidigt Abzug aus Afghanistan

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Nach dem kompletten Abzug aller amerikanischen Soldaten aus Afghanistan hat US-Präsident Joe Biden seine umstrittene Entscheidung erneut verteidigt
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Nach der Ankündigung von US-Präsident Biden, alle Truppen aus Afghanistan abzuziehen, versank das Land im Chaos. Nun ist der Militäreinsatz am Hindukusch beendet – und Biden steht unbeirrt zu seinem Entschluss. Wie stellen sich die neuen Regenten in Kabul auf?

Nach dem Ende des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan hat US-Präsident Joe Biden seine umstrittene Abzugsentscheidung vehement verteidigt. „Es war an der Zeit, diesen Krieg zu beenden“, sagte Biden am Dienstag im Weißen Haus.

Die Alternative wäre gewesen, Zehntausende weitere Soldaten in das Land zu schicken und den Konflikt zu eskalieren, argumentierte er. Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten vom Flughafen Kabul war in der Nacht zu Dienstag der internationale Afghanistan-Einsatz nach fast 20 Jahren zu Ende gegangen.

Alle Blicke richten sich auf Taliban

Nun richten sich die Blicke auf die erneute Herrschaft der militant-islamistischen Taliban in dem Land. Die Vorstellung der neuen Führung wird in Kürze erwartet. Außenminister Heiko Maas (SPD) ist an diesem Mittwoch weiter zu Gesprächen in Katar – das Golfemirat zählt zu den Ländern mit den besten Kontakten zu den Taliban.

In der Nacht zu Dienstag hatte das letzte US-Militärflugzeug den Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul verlassen. Damit endete Amerikas längster Krieg. Biden betonte erneut, sein Vorgänger Donald Trump habe eine Vereinbarung mit den Taliban geschlossen und den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan zugesagt. Er selbst habe die Wahl gehabt, daran festzuhalten oder Zehntausende weitere US-Soldaten in den Krieg zu schicken. Biden betonte, er habe den Krieg nicht ewig verlängern wollen – auch den Abzug nicht.

Afghanistan-Einsatz: Biden will aus „Fehlern lernen“

Biden kündigte Konsequenzen für künftige militärische Einsätze an. „Wir müssen aus unseren Fehlern lernen“, sagte er. „Es geht darum, eine Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder zu beenden.“ Künftige Einsätze müssten klare, erreichbare Ziele haben. Sie müssten sich außerdem „auf das grundlegende nationale Sicherheitsinteresse“ der USA konzentrieren.

Der Präsident versprach außerdem, die USA würden auch nach dem Abzug aus Afghanistan weiter gegen den örtlichen Ableger der Terrormiliz IS vorgehen. Er drohte der Gruppe, die sich zum jüngsten verheerenden Anschlag am Flughafen in Kabul bekannt hatte: „Wir sind mit euch noch nicht fertig.“ Bei der Attacke waren kurz vor dem Einsatzende Dutzende Afghanen und 13 US-Soldaten umgekommen.

Zehntausende Afghanen zurückgelassen

Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten endete auch die militärische Evakuierung von US-Bürgern, Verbündeten und schutzbedürftigen Afghanen. Die USA und ihre Partner hatten in den vergangenen gut zwei Wochen in einer gewaltigen Evakuierungsmission westliche Staatsbürger und afghanische Schutzbedürftige ausgeflogen.

Allein das US-Militär brachte nach Angaben der US-Regierung rund 79.000 Zivilisten außer Landes, darunter rund 6.000 Amerikaner. Die USA und ihre Verbündeten hätten gemeinsam mehr als 123.000 Menschen ausgeflogen.

Weiterhin 100 bis 200 US-Bürger in Afghanistan

Immer noch befinden sich aber Zehntausende Menschen in Afghanistan, die vor den Taliban fliehen wollen – die meisten davon Afghanen. Biden sagte, es seien wohl auch noch 100 bis 200 US-Bürger in Afghanistan, die „eine gewisse Absicht zur Ausreise“ hätten.

Die meisten zurückgebliebenen seien doppelte Staatsbürger und hätten eine langfristige Bindung an Afghanistan. „Wir halten daran fest, sie rauszubekommen, falls sie rauskommen wollen“, sagte Biden.

Taliban Afghanistan

Kämpfer der Spezialeinheit der Taliban treffen nach dem Abzug der US-Truppen auf dem Flughafen Kabul ein. Foto: Sediqi/AP/dpa

Die US-Regierung und andere Partner haben zugesagt, sie wollten sich auch nach dem Abzug der internationalen Truppen dafür einsetzen, dass ausreisewillige Afghanen und westliche Staatsbürger das Land ungehindert verlassen dürften.

Auch 300 Deutsche weiterhin in Afghanistan

Dafür sind sie auf die Kooperation mit den Taliban angewiesen. Diese haben zumindest zugesagt, Ausreisen zu gewähren. Wie genau das geschehen soll, ist offen. Nach Angaben von Außenminister Maas sind auch noch rund 300 Deutsche in Afghanistan.

Der deutsche Chefdiplomat beendet an diesem Mittwoch seine viertägige Reise in fünf Länder, die mit der Afghanistan-Krise zu tun haben. Seit Sonntag besuchte Maas die Türkei und danach Afghanistans Nachbarländer Usbekistan, Tadschikistan und Pakistan. Am Dienstagnachmittag war er zu seiner letzten Station Katar aufgebrochen, von wo er am Mittwoch nach Deutschland zurückreist.

Maas entsandt Diplomaten zu Gesprächen mit den Taliban

Das Golfemirat zählt zu den Ländern mit den besten Kontakten zu den Taliban. Die neuen Machthaber in Afghanistan haben dort auch ihr politisches Büro, das quasi als Außenministerium fungiert. Maas hat den Diplomaten und Afghanistan-Experten Markus Potzel in die katarische Hauptstadt Doha entsandt, um dort Gespräche mit den Taliban zu führen.

Die Bundesregierung setzt auf deren Kooperationsbereitschaft bei den Bemühungen um die Ausreise von mehr als 40.000 schutzsuchenden Afghanen. Maas hatte vor seinem Besuch in Katar klargestellt, er werde nicht selbst mit den Taliban reden.

Westliche Staaten nicht erpressbar?

Maas zeigte sich optimistisch, eine Lösung für die in Afghanistan verbliebenen Deutschen und für afghanische Ortskräfte zu erreichen. Die Taliban hätten sich bereiterklärt, sie ausreisen zu lassen, und sie seien auf internationale Hilfe angewiesen, etwa beim Betrieb des Flughafens in Kabul, sagte Maas am Dienstagabend im ZDF-„Heute Journal“.

Die westlichen Staaten sind nach seinen Worten aber nicht erpressbar: „Wir haben auch klare Voraussetzungen definiert. Das sind: die Einhaltung der Menschenrechte, die Tatsache, dass überhaupt Menschen weiter ausreisen können, dass keinen terroristischen Gruppen Unterschlupf gegeben wird in Afghanistan.“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte vergangene Woche auch in Aussicht gestellt, dass „die Türkei (…) in Zukunft unter geeigneten Bedingungen die Verantwortung für die Sicherheit und den Betrieb des Flughafens von Kabul übernehmen“ könne.

Regierungsform der Taliban unklar

Bisher ist weitgehend unklar, wie die Taliban das Krisenland regieren wollen. Der Taliban-Führungsrat besprach die Bildung einer neuen islamischen Regierung sowie die aktuelle Lage und die Sicherheit im Land bei einem Treffen in der südlichen Provinz Kandahar. Das Treffen von Samstag bis Montag leitete Taliban-Führer Haibatullah Achundsada, wie Sprecher Sabiullah Mudschahid am Dienstag auf Twitter mitteilte.

Auch über ein neues islamisches Kabinett sei dabei gesprochen worden. Anschließend habe Achundsada dem Führungsrat umfassende Anleitungen gegeben. Der Ort des Treffens wurde nicht genannt.

dpa/dtj

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