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Politik

„Ich habe dort drei Millionen Staatsbürger, natürlich gehe ich nach Deutschland“

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Im Vorfeld des für Samstag geplanten Auftritts des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan in Köln mehrt sich die Kritik von Politikern und Medien. Kanzlerin Merkel mahnt Erdoğan zur Zurückhaltung. (Foto: reuters)

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Türkei in deutschen Medien: Im Vorfeld des Auftritts des türkischen Premierministers Erdoğan in Köln mehrt sich die Kritik von Politikern und Medien.
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Die Kritik deutscher Politiker und verschiedener deutscher Medien wird unterdessen auch in der Türkei diskutiert. Erdoğan bestätigte am Freitag noch einmal persönlich, dass er trotz aller Kritik in Köln auftreten werde. „Wir gehen dorthin“, bekräftigte er in einer Rede vor Provinzpolitikern in Ankara. „Ich habe dort drei Millionen Staatsbürger, natürlich gehe ich nach Deutschland.“

Die Deutschland-Besuche des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan haben in der Vergangenheit immer wieder für kontroverse Diskussionen gesorgt. Nur liefen diese Debatten meist nach dem eigentlichen Besuch. Diesmal jedoch beschäftigen sich Politiker und Medien schon im Vorfeld damit.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Donnerstag mit Erdoğan ein längeres Telefongespräch geführt und der „Passauer Neue Presse“ gegenüber erklärt, sie gehe davon aus, dass Erdoğan wisse, „wie sensibel dieser Termin gerade diesmal ist, und dass er verantwortungsvoll auftritt“.

Merkel hofft auf „verantwortungsvollen“ Auftritt Erdoğans in Köln

In diesem Zusammenhang äußerte die Kanzlerin ihre Sorge über einige Entwicklungen in der Türkei. Als Beispiele nannte sie in einem Interview des „Pfälzischen Merkurs“ und der „Saarbrücker Zeitung“ (Freitag) das Einschreiten gegen Demonstranten, die Übergriffe auf die sozialen Netzwerke und die Lage der Christen in der Türkei. Gleichzeitig sei „unbestritten, dass die Türkei mit Ministerpräsident Erdoğan große wirtschaftliche Fortschritte“ erzielt habe.

Auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet über die bevorstehende Veranstaltung in der Lanxess-Arena in Köln. Politiker seien außer sich und die Veranstalter würden den Auftritt des türkischen Politikers in ihren Räumlichkeiten bedauern. Jedoch seien ihnen „juristisch die Hände gebunden“, sodass sie den Auftritt des türkischen Premierministers Erdoğan in Köln nicht mehr absagen könnten.

Den Auftritt Erdoğans sieht Stefan Löcher, der Geschäftsführer der Lanxess-Arena, vor dem Hintergrund des schweren Grubenunglücks in Soma kritisch. „Ich gebe zu, das ist etwas unglücklich. Aus heutiger Sicht sehe ich das ähnlich wie Wolfgang Bosbach. Ich würde Herrn Erdoğan empfehlen, zuhause zu bleiben“, äußerte sich Löcher gegenüber dem KSTA. Der CDU-Politiker hatte sich an gleicher Stelle dafür ausgesprochen, dass Erdoğan seinen Besuch in Köln absagt.

Veranstalter waren anfangs über Erdoğan-Auftritt nicht informiert

Löcher bedauert, sich lediglich auf die Zusicherung von Lokalpolitikern, dem Verfassungsschutz, dem Staatsschutz und der Polizei, verlassen zu haben, als er dem Wunsch des Vereins „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD) nach Überlassung der Halle für den 24. Mai entsprochen habe. Die Behörden kamen zwar allesamt zu dem Schluss, wonach es gegen den Verein keine Bedenken gäbe.

Davon, dass der türkische Premierminister Erdoğan in Köln auftreten solle, will Löcher hingegen nichts gewusst haben – und es habe auch, obwohl der Name im Raum gestanden habe, niemals eine definitive Aussage dazu gegeben. Der Vertrag mit der UETD sei vor neun Monaten geschlossen worden.

Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, äußerte sich dem „Handelsblatt“ gegenüber besorgt über den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten. Durch eine „instinktlose und gefühlskalte Ansprache“ Erdoğans nach dem Grubenunglück von Soma existiere große „Trauer und Wut“ innerhalb der türkischen Bevölkerung, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Er schätze, dass „man damit rechnen (müsse), dass er eher noch Öl ins Feuer gießt“. Der Auftritt werde die deutschen Behörden daher „vor gewaltige Herausforderungen“ stellen, so Wendt.

Rezzo Schlauch verteidigt Erdoğan

Doch es gibt auch Befürworter des Auftrittes. Der ehemalige Grünenpolitiker Rezzo Schlauch wies gegenüber der Stuttgarter Zeitung auf die wirtschaftliche Bedeutung der Türkei für Deutschland hin. Auf die Kritik an Erdoğan angesprochen, sagte er: „Die Beurteilung überlasse ich, nachdem ich seit nunmehr fast zehn Jahren die aktive Politik hinter mir gelassen habe, der Politik- und Medienöffentlichkeit“. Seine Position dazu vertrete er intern. Schlauch arbeitet seit 2012 zusammen mit dem ehemaligen Hamburger Oberbürgermeister, Ole von Beust (CDU), für die staatliche türkische Investitionsagentur (Ispat) und wirbt um den Wirtschaftsstandort Türkei.

Wie die regierungsnahe türkische Tageszeitung Yeni Şafak berichtet, befindet sich der zuständige Staatsminister für Auslandstürken, Emrullah İşler, bereits in Köln. Neben der Vorbereitung der Veranstaltung, wird İşler die Familie Genç in Solingen besuchen. Sie verlor bei dem rechtsextremistischen Brandanschlag im Jahre 1993 fünf Familienmitglieder.