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Politik

Verwirrung um angebliche Aussagebereitschaft Zschäpes

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Medienberichte über angebliche Sollbruchstellen zwischen den Prozessstrategien der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe und der ihrer Verteidigung haben zu Spekulationen geführt, die Angeklagte könnte tatsächlich umfassend aussagen. (Foto: rtr)

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Verwirrung um angebliche Aussagebereitschaft Zschäpes
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Berlin – Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe soll eine Aussage vor Gericht und die Trennung von ihren Verteidigern erwogen haben. Laut „Bild”-Zeitung habe Zschäpe bereits im Sommer während eines mehrstündigen Gefangenentransports zwei Begleitern vom Bundeskriminalamt (BKA) gesagt, ihr Verhältnis zu ihren Anwälten sei nachhaltig gestört. Sie habe sich der Polizei gestellt, um auszusagen. Ihre Anwälte hätten ihr aber abgeraten, deshalb sei sie unsicher.

Das Blatt schrieb unter Berufung auf ein zwölfseitiges BKA-Protokoll des achtstündigen Gesprächs von Ende Juni, Zschäpe habe ihren Begleitern gesagt, sie überlege, die Verteidiger zu wechseln und habe ihre Mutter gebeten, sich nach Alternativen umzusehen. Nachdem ihre Großmutter gestürzt sei, habe sie aussagen wollen. Sie wolle sich umfangreich und vollständig erklären. Der Zeitung zufolge ist dem BKA aber nicht klar, ob die 37-Jährige damit die Taten der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) meint oder nur ihr Untertauchen.

Zschäpes Anwälte hatten der Samstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ daraufhin mitgeteilt, ihre Mandantin wolle auch vor Gericht nicht aussagen. Sie seien sich mit Zschäpe einig, dass sie keine Angaben zur Sache machen werde. Die Bundesanwaltschaft hat Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden und 15 Raubüberfällen, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie besonders schwerer Brandstiftung mit versuchtem Mord in drei Fällen angeklagt.

In der 488 Seiten umfassenden Anklageschrift heißt es, Zschäpe habe als „gleichberechtigtes” Mitglied des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) neben den im November 2011 durch Selbstmord ums Leben gekommenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos agiert, heißt es in der Anklageschrift. Als „Managerin des Geldes“ soll sie den kompletten Überblick über die Finanzen des Trios gehabt haben. Von den Morden und Bankrauben habe Zschäpe zumindest gewusst, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft.

„Vorverurteilung“ durch Äußerungen zur Kronzeugenregelung?

Zschäpes Verteidigung haben Wolfgang Heer (Köln), Anja Sturm (Berlin) und der Koblenzer Anwalt Wolfgang Stahl übernommen. Heer warf Generalbundesanwalt Harald Range eine „Vorverurteilung“ vor, weil dieser frühzeitig über eine Kronzeugenregelung gesprochen und diese abgelehnt habe. Hinter der Debatte über die Kronzeugenregelung stehe die Annahme, dass Zschäpe in allen Anklagepunkten verurteilt werde, sagte Heer. Sich dazu zu äußern, falle aber nicht in die Kompetenz Ranges, kritisierte Stahl.
Zu Spekulationen über eine mögliche Sicherheitsverwahrung im Falle einer lebenslangen Haftstrafe sagte Heer gegenüber dem FOCUS, Zschäpe sei sich des Ernstes der Lage bewusst, „aber dennoch gefasst“. Die Anwälte beklagten „Vorverurteilungen“ durch die Öffentlichkeit und sehen es als ihre Aufgabe, „im Interesse eines fairen Prozessverlaufs“ gegenzusteuern. Sie betonten, dass Zschäpe den Prozess nicht als „Bühne“ für Propaganda nutzen wolle – wie es ihr unter anderem der in Norwegen inhaftierte „islamkritische“ Terrorist Anders Breivik in einem Brief nahegelegt hatte. Auch für die Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors würde eine umfassende Aussage etwas Erleichterung schaffen, zumal seit der Aufdeckung des Terrortrios so viele offene Fragen entstanden waren.

Werden tatsächlich wesentliche Anklagepunkte an Beweisschwierigkeiten scheitern?

ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt äußert auf SWR Befürchtungen dahingehend, dass die Taktik Zschäpes und ihrer Verteidigung, durch konsequente Aussageverweigerung die Beweisführung zu erschweren, zumindest in Teilbereichen Aussicht auf Erfolg haben könnte: „Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Bundesanwaltschaft sich ihrer Sache so sicher ist, dass die recht vagen Angaben gegenüber dem Bundesgerichtshof als ausreichend angesehen werden. Oder ob es einfach nicht mehr gibt.”

Unter führenden Sicherheitsexperten und Ermittlern in Berlin wächst jedenfalls die Sorge über den möglichen Umfang der Anklage gegen Beate Zschäpe: „Es würde sehr helfen, wenn sie etwas sagen würde”, sagte kürzlich ein hochrangiger Ermittler. „Ich bin skeptisch, ob mehr als eine Brandstiftung und die Mitgliedschaft im NSU nachzuweisen ist”, meint ein anderer.“ (dapd)