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Politik

Visafreiheit schon ab Juni: Türkei soll doch EU-Rabatt bekommen

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Können Türken schon ab Ende Juni in die EU reisen, ohne vorher ein Visum beantragen zu müssen? Die Türkei soll erst 50 der 72 notwendigen Kriterien für die Visafreiheit erfüllt haben, dennoch wolle die Europäische Kommission am Mittwoch grünes Licht geben, das behauptet der Spiegel herausgefunden zu haben. Es wäre ein einmaliger Vorgang.

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Wie „Der Spiegel“ heute berichtet, soll innerhalb der EU-Führung bereits beschlossen worden sein, der Visafreiheit für Türken im Schengen-Raum auch dann zuzustimmen, wenn die von der EU gestellten Forderungen nicht gänzlich erfüllt werden. Das hätten Recherchen des Nachrichtenmagazins ergeben. Am Mittwoch stehe die Entscheidung an, bisher erfülle die Türkei jedoch erst 50 der 72 Kriterien. Die Empfehlung der Kommission zur Aufhebung der Visapflicht solle dennoch beschlossen werden, wenn die Zahl der nicht erfüllten Kriterien bis dahin im einstelligen Bereich liegt.

Es wäre das erste Mal, dass die Kommission eine solche Empfehlung ausspricht, obwohl nicht alle Kriterien erfüllt worden. „Die Türkei muss alle Bedingungen erfüllen, da gibt es keine Abstriche“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel letzten Monat noch gesagt. Nun scheint es so, dass die Türkei trotz aller gegenteiligen Beteuerungen doch einen Rabatt von der EU erhält. „Eine 100-prozentige Erfüllung der Kriterien durch die Türkei ist nicht möglich, das wissen wir“, zitiert der Spiegel einen deutschen Beamten, der mit den Verhandlungen betraut ist. „Es ist, wie wenn Sie Ihren Kindern versprechen: Bei lauter Einsen auf dem Zeugnis fahren wir in den Urlaub. Wollen Sie dann den Urlaub absagen, wenn eine Zwei dabei ist?“, sagte ein anderer EU-Diplomat dem Nachrichtenmagazin.

Wenn die Entscheidung für die Türkei ausfällt, könnten türkische Staatsbürger ab Ende Juni für jeweils drei Monate in den Schengen-Raum einreisen, ohne vorher ein Visum beantragen zu müssen. Dagegen gibt es innerhalb Europas jedoch große Widerstände. Nicht nur Konservative und Rechtspopulisten von CSU über AfD und FPÖ bis Front National sind gegen die Visafreiheit für Türken, auch viele Juristen sehen der Einigung kritisch entgegen.

Die Türkei habe etliche Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht und eine ganze Reihe „wichtiger Schritte nach vorne gemacht“, sagen selbst kritische EU-Diplomaten. Es gebe enge fachliche Zusammenarbeit zwischen EU-Funktionären und türkischen Juristen, seit vier Tage sogar eine tägliche Videoschalte zwischen der EU-Kommission und türkischen Experten. Dennoch seien Teile des türkischen Rechts nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar, was sich vor allem auf das umstrittene türkische Antiterrorgesetz bezieht.

Die türkische Regierung hat jedoch bis jetzt keinerlei Anzeichen gegeben, dass man dieses in naher Zukunft substantiell ändern werde, eher von einer Verschärfung war bisher die Rede. Die Regierung habe kein Interesse daran, eine Reform des umstrittenen Gesetzes anzupacken, wird der ehemalige AKP-Abgeordnete und stellvertretende Premierminister Ertuğrul Yalçınbayır zitiert. „Sie wird niemals alles Vorgaben der EU umsetzen.“

Um sich abzusichern hätten Deutschland und Frankreich jedoch bereits am Donnerstag einen Vorschlag für einen sogenannten „Snap-Back-Mechanismus“ unterbreitet. Dieser sieht vor, dass die Visafreiheit wieder ausgesetzt werden kann, wenn eine zu große Zahl an türkischen Staatsbürgern nach Europa käme und hier politisches Asyl beantragt oder abtaucht. Vor allem angesichts der Kriegszustände im Südosten der Türkei halte man es in Regierungskreise für nicht unwahrscheinlich, dass eine große Zahl Kurden mit türkischer Staatsbürgerschaft nach Europa kommen werden, um Asyl zu beantragen.

Nach wie vor sei jedoch unklar, ob diese Hintertür ausreiche, um alle Mitglieder des Rats der Europäischen Union, der ebenfalls zustimmen muss, zu überzeugen. Der Druck ist allerdings hoch, die türkische Regierung hat bereits damit gedroht, den umstrittenen Flüchtlingsdeal mit der EU platzen zu lassen, sollte die Visafreiheit im Juni nicht kommen.