Connect with us

Politik

Vor Treffen mit Putin: Erdoğan schießt scharf gegen Deutschland

Spread the love

Der türkische Präsident Erdoğan verschärft den Ton in Richtung Europa. Bei einer Kundgebung mit Millionen Teilnehmern stellt er erneut die Todesstrafe in Aussicht. Deutschland wird heftig gescholten.

Published

on

Spread the love

Kurz vor einem Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor einem Millionenpublikum die Einheit des Landes beschworen und Deutschland kritisiert. Den deutschen Behörden warf er vor, „Terroristen zu ernähren“ und stellte erneut die Wiedereinführung der Todesstrafe in Aussicht. „So eine Entscheidung vom Parlament würde ich ratifizieren“, sagte er vor jubelnden Teilnehmern der Kundgebung gegen den Putschversuch am Sonntagabend in Istanbul. Die EU, der nicht nur die Türkei vorwirft, sie seit Jahrzehnten hinzuhalten, hat für einen solchen Fall das Ende der Beitrittsverhandlungen angekündigt.

Vorwürfe, er strebe in Folge des Putschversuches in seinem Land nach Alleinherrschaft, wies Erdoğan zurück. „Ich bin kein Despot oder Diktator“, sagte er dem Sender Al-Dschasira nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Zugleich griff er erneut westliche Staaten an: „Der Westen hat uns nicht gezeigt, dass er gegen den Putsch ist. Ihr Schweigen ist unentschuldbar.“

Am Dienstag trifft Erdoğan den Kreml-Chef in St. Petersburg. Die Türkei hatte Ende November einen russischen Bomber im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen. Moskau verhängte daraufhin massive Sanktionen etwa im Tourismus gegen Ankara. Ende Juni hatte Erdoğan dann in einem Brief sein Bedauern über den Zwischenfall bekräftigt. Bei dem Treffen will Erdoğan mit seinem „Freund Wladimir“ den bilateralen Streit nun endgültig beilegen, wie er der Nachrichtenagentur Tass sagte.

„Sollen sie die Terroristen nur ernähren“

Weniger freundlich äußerte sich Erdoğan über Deutschland. Er kritisierte, dass er sich bei der türkischen Kundgebung in Köln am Sonntag vor einer Woche nicht per Videoleinwand zuschalten durfte. „Wo ist die Demokratie?“, fragte er. Den deutschen Behörden warf er vor, bei einer früheren Veranstaltung in Köln eine Videoschalte der PKK zugelassen zu haben. „Sollen sie die Terroristen nur ernähren“, sagte er. „Wie ein Bumerang wird es sie treffen.“

In Deutschland wuchs unterdessen die Skepsis hinsichtlich der Entwicklung in der Türkei. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) rechnet nach eigenen Worten nicht damit, dass die Türkei in den nächsten zehn oder 20 Jahren EU-Vollmitglied wird – denn auch die EU sei derzeit nicht in der Verfassung, „auch nur einen Kleinststaat zusätzlich aufzunehmen“. Trotzdem solle die EU weiter daran arbeiten, die Türkei auf europäische Standards zu bringen. Es mache „keinen Sinn, so zu tun, als ob wir nicht mit diesem schwierigen Nachbarn klar kommen müssen“, sagte er im ARD-Sommerinterview.

In Deutschland wurden unterdessen Rufe laut, den Einfluss des von Ankara kontrollierten Moscheen-Dachverband Ditib einzuschränken. „Meines Erachtens sollte man es nicht zulassen, dass ein Verband wie Ditib, der offenbar Sprachrohr von Präsident Erdoğan ist, den islamischen Religionsunterricht in Schulen gestaltet“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ähnlich äußerte sich die kirchen- und religionspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese.

Kılıçdaroğlu und Bahçeli halten sich zurück

Erdoğan dankte bei der „Demokratie- und Märtyrer-Versammlung“ in Istanbul den anwesenden Oppositionsvertretern für ihre Teilnahme. Zu der Veranstaltung waren auf Einladung des Präsidenten auch Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu von der Mitte-Links-Partei CHP und der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, gekommen. Nicht eingeladen wurde die pro-kurdische HDP. Erdoğan wirft der zweitgrößten Oppositionspartei im Parlament Verbindungen zur PKK vor.

Sowohl Kılıçdaroğlu als auch Bahçeli gaben sich kleinlaut und hielten sich mit kritischen Worten etwa zur Säuberungswelle merklich zurück. Der CHP-Chef hatte seine Teilnahme gar erst am Freitag bekannt gegeben, obwohl er zunächst abgesagt hatte. Zu groß offenbar das Risiko, von Erdoğan ebenfalls als Putschist bezeichnet zu werden.

Aus türkischen Regierungskreisen hieß es, an der Großkundgebung hätten auf dem Veranstaltungsareal in Yenikapı und in der Umgebung rund fünf Millionen Menschen teilgenommen. Anwesende sprachen zwar ebenfalls von einem Millionenpublikum, hielten fünf Millionen allerdings für zu hoch gegriffen.