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Politik

Vor UETD-Demonstration: Besonnenheit tut allen Beteiligten gut

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Die Folgen des Putschversuches in der Türkei strahlen bis nach Deutschland. Am Sonntag kommt es in Köln zu einer von der UETD organisierten Demonstration. Die Stimmung ist aufgeheizt, Besonnenheit täte allen Beteiligten gut.

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Die Türkische Gemeinde in Deutschland beobachtet nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei die Lage hierzulande mit Sorge. Der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoğlu sagte am Freitag in Stuttgart, die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen in Deutschland sei sehr angespannt. Es gehe ein Riss durch die türkische Gesellschaft. „Es werden Freundschaften aufgekündigt. Und auch innerhalb von Familien gibt es Probleme.“

Ob es in Deutschland zu Gewalt kommen könnte, wolle er nicht prophezeien. „Ich kann nur zur Mäßigung aufrufen.“ Man könne in Deutschland demonstrieren und seine Meinung kundtun – aber ohne Gewalt. In der Türkei, aber auch in Deutschland, bringe man Menschen schnell mit den Putschisten Verbindung – vielleicht zu Unrecht. „Man kann in der Türkei sehr schnell zum Helden und schnell zum Verräter werden.“ Die Entwicklung in der Türkei müsse man besonnen verfolgen. Sofuoğlu ist auch Landeschef der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg.

Mitte Juli hatten Teile der türkischen Streitkräfte vergeblich versucht, den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu stürzen. Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

„Genau das werden wir selbstverständlich nicht machen“

Sie fordert von Deutschland die Auslieferung türkischer Gülen-Anhänger. Ahmet Akıntı, der türkische Generalkonsul in Stuttgart, forderte die baden-württembergische Landesregierung in einem Schreiben vom 22. Juli auf, Einrichtungen der Gülen-Bewegung, wie zum Beispiel Schulen, zu überprüfen. Darin heißt es wörtlich: „Wir möchten Sie daher höflich darum bitten, die entsprechenden Organisationen, Institutionen, Vereine und Bildungseinrichtungen und deren Tätigkeit einer erneuten Prüfung zu unterziehen und angesichts der dramatischen Vorgänge in der Türkei eine neue Bewertung vorzunehmen.“

Kretschmann zeigte sich davon nach eigener Aussage „in höchstem Maße befremdet“ und kündigte an: „Genau das werden wir selbstverständlich nicht machen.“ Auf einen Verdacht hin sollten, so der Ministerpräsident, Menschen „grundlos verfolgt und diskriminiert werden“. Ihm seien keine Belege für die Behauptung bekannt, dass die Gülen-Bewegung für den Putsch in der Türkei verantwortlich sei. Schulen, die der Gülen-Bewegung nahestehen, sind deutsche Schulen, an denen nach dem baden-württembergischen Bildungsplan unterrichtet wird, wie Kretschmann betonte.

Auch Grünen-Bundeschef Cem Özdemir kritisierte nach Darstellung der Zeitung die Einflussversuche der Türkei in Deutschland. Der Arm des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan möge in viele Teile der türkischen Gesellschaft reichen. „In Stuttgart, Berlin und anderswo hat er aber nichts verloren.“ Auch über den Moscheeverband DİTİB, den deutschen Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet, und die Pläne, ihn in den Islamunterricht einzubinden, äußerte Özdemir sich kritisch: „Wer DİTİB jetzt in die Schulen lässt, lässt Erdoğan in die Schulen.“ Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Aydan Özoğuz, wandte sich gegen den Versuch der Regierung Erdoğan, Einfluss auf die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland zu nehmen: „Ich sehe mit Sorge, dass die Verbundenheit vieler hier lebender Menschen mit der Türkei mitunter massiv politisch instrumentalisiert wird.“

Sorge vor UETD-Demonstration in Köln

Für Streit sorgt in diesem Zusammenhang auch die für Sonntag geplante Großdemonstration von Erdoğan-Anhängern in Köln, die die UETD, die deutsche Lobbyorganisation der AKP, angemeldet hat. Die Kölner Polizei erwartet zu 30 000 Teilnehmer und trifft umfassende Vorbereitungen, da befürchtet wird, dass es zu Zwischenfällen oder sogar Ausschreitungen geben könnte.

Gegendemonstrationen wurden bisher von Jugendorganisationen deutscher Parteien und von der rechtsextremistischen Partei Pro NRW angekündigt. Die Kurdische Gemeinde Deutschland teilte am Donnerstag mit, dass sie auf eine Gegenkundgebung verzichtet. Zum einen wolle man die Erdoğan-Anhänger nicht aufwerten, zum zweiten befürchte man gewalttätige Auseinandersetzungen. Der Generalsekretär der Gemeinde, Cahit Basar, sagte, es sei schwer nachvollziehbar, warum sich so viele Menschen, die in dritter oder vierter Generation in Deutschland lebten, mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan solidarisierten.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hat die Teilnehmer vor Gewaltaufrufen gewarnt. „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die NRW-Polizei rigoros einschreiten“, stellte der SPD-Politiker am Donnerstag in Düsseldorf klar.

Es sei einerseits das selbstverständliche Recht türkischstämmiger Menschen, für ihre Überzeugungen auf die Straße zu gehen. Die politischen Spannungen in der Türkei dürften sich aber nicht in Gewalt auf den Straßen Nordrhein-Westfalens entladen, mahnte Jäger. Seit dem vereitelten Militärputsch in der Türkei sei es auch in NRW zu Einschüchterungsversuchen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen gegen Oppositionelle und Erdoğan-Kritiker gekommen.

Yeneroğlu: Demo Bewährungsprobe für das Demokratieverständnis

„Das ist völlig inakzeptabel“, sagte Jäger. „Wir sehen deshalb sehr genau hin, ob bei der Demonstration der Boden des Grundgesetzes verlassen wird.“ Dolmetscher seien vor Ort, damit nachvollzogen werden könne, ob die Redebeiträge und Transparente von der Meinungsfreiheit gedeckt seien oder etwa zu Gewalt, Boykott und Denunziation aufgerufen werde. Ein Verbot der Demonstration komme nur dann in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe, die auch durch Auflagen nicht abgewendet werden könne.

Der aus Deutschland stammende AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu erklärte die Demo zu einer Bewährungsprobe für das Demokratieverständnis. Es sei traurig zu beobachten, dass „Busunternehmen aus heiterem Himmel die fest gebuchten Personen-Transporte stornieren, der WC-Verleiher plötzlich bezahlte Aufträge absagt und andere Anbieter von Druck von höheren Stellen sprechen“. Offenbar werde auf Umwegen versucht, das für jede Demokratie elementare Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Repressalien zu torpedieren. (dpa/dtj)