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Politik

Vordenker des EU-Türkei-Flüchtlingspakts sieht Abkommen gefährdet

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Zwei Jahre nach dem Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei hält dessen Vordenker das Abkommen für gefährdet. Zwar sei die Anzahl der über die Ägäis kommenden Flüchtlinge und die der Toten deutlich zurückgegangen, sagte der Politikberater Gerald Knaus der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. Dennoch drohe das Abkommen zu scheitern.

«Was überhaupt nicht geklappt hat – und das gefährdet heute das gesamte Abkommen – ist fast alles, was die Umsetzung auf den ägäischen Inseln und in Griechenland betrifft», sagte er. Das am 18. März 2016 geschlossene Abkommen geht auf ein Konzept von Knaus zurück.

«Schnelle, faire Asylverfahren an den EU-Außengrenzen nötig»

Knaus bemängelte, dass die Asylverfahren in Griechenland viel zu lange dauerten und daher kaum Menschen in die Türkei zurückgeschickt würden, wie es das Abkommen vorsehe. «Wir brauchen schnelle, faire Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, um Leute schnell zurückzuschicken – oder um schnell Schutz zu gewähren.» Ein schnelleres Asylsystem müsse verbunden sein mit Rücknahmeabkommen mit EU-Nachbarländern wie der Türkei oder mit den Herkunftsländern der Migranten. «Doch daran arbeitet derzeit niemand in der EU.»

Knaus fügte hinzu: «Solange das nicht gelingt, bleibt Europa ein Magnet. Wenn jeder, der überlebt und hierher kommt, bleiben kann, dann werden es viele versuchen.» Er sehe bereits Anzeichen für einen möglichen Zusammenbruchs des Abkommens mit der Türkei. «In der ersten Jahreshälfte 2017 kamen ungefähr 9000 Menschen über die Ägäis nach Griechenland, in der zweiten Hälfte waren es schon wieder 20 000. Die Tendenz ist klar.» Die Lebensumstände in den EU-Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln nannte der Experte «unzumutbar».

«Schließung der Balkanroute funktioniert nicht»

Dass die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen sei, sei eine Illusion, sagte Knaus. «Jeder Innenminister in Europa weiß, dass die Schließung der Balkanroute nicht wirklich funktioniert hat. In den letzten zwei Jahren sind etwa genau so viele Menschen über die Balkanroute nach Deutschland weitergereist, wie in diesen Jahren aus der Türkei in Griechenland angekommen sind.» Dass die Türkei das Abkommen aufkündige, halte er für «sehr unwahrscheinlich». Knaus ist Vorsitzender der von ihm 1999 gegründeten Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI) in Berlin.

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dpa/dtj