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Politik

Breite Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferungen an Kurden

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In der deutschen Gesellschaft ist die Skepsis gegenüber möglichen Waffenlieferungen an die kurdische Regierung im Nordirak groß. Auch nach Auffassung des Zentralrats der Jesiden braucht die Bundesrepublik keine Waffen in den Irak zu liefern. (Foto: dpa)

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In der deutschen Gesellschaft ist die Skepsis gegenüber möglichen Waffenlieferungen an die kurdische Regierung im Nordirak groß. Auch nach Auffassung des Zentralrats der Jesiden braucht die Bundesrepublik keine Waffen in den Irak zu liefern.
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Trotz intensiver und auf zahlreichen Medien veröffentlichter Apelle verschiedener Politiker besteht in der deutschen Gesellschaft große Skepsis gegenüber möglichen Waffenlieferungen an die kurdische Regierung im Nordirak. Eine breite Mehrheit der Deutschen lehnt nach einer Umfrage deutsche Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak ab.

Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Hamburger Magazin „stern“ sind 63 Prozent der Befragten gegen Waffenlieferungen, um die Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu unterstützen. 30 Prozent befürworten sie. Vor allem Frauen sprechen sich mit 74 Prozent dagegen aus, bei den Männern sind es 51 Prozent. Auch die Anhänger der Grünen sind mit 68 Prozent häufiger als die Sympathisanten anderer Parteien der Meinung, dass Deutschland von solchen Lieferungen absehen soll. Befragt wurden am 14. und 15. August 1.002 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger.

Forderungen nach Waffenlieferungen an die kurdische Regierung im Nordirak waren laut geworden, nachdem die Terrororganisation in von der Minderheit der Jesiden besiedelte Gebiete im Nordirak vorrückte und Beobachter einen Völkermord befürchteten. Der IS ging bei seinem Vormarsch auch auch gewaltsam gegen andere Bevölkerungsgruppen vor. So exekutierten IS-Terroristen in Mossul offenbar hunderte zuvor gefangen genommene schiitische Soldaten und vertrieben auch tausende irakische Christen und Turkmenen aus ihren Heimatorten in der irakischen Provinz Ninive.

Zentralrat der Jesiden in Deutschland: Waffenlieferungen nicht nötig

Nach Auffassung des Zentralrats der Jesiden in Deutschland braucht die Bundesrepublik keine Waffen in den Irak zu liefern. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) sagte der Sprecher des Zentralrats, Holger Geisler, „mit Blick auf Waffenlieferungen erkenne ich kein Umdenken, finde das aber auch nicht schlimm. Andere Länder liefern ja Waffen. Wenn die sich abstimmen und Deutschland anderweitig hilft, soll uns das recht sein.“

Geisler lobte das Engagement der Bundesregierung. Diese bringe sich sehr ein. Auch teile er die Befürchtung, dass Waffen in falsche Hände geraten könnten. „Diese Gefahr besteht immer“, so Geisler, sei aber eine Frage, die später zu analysieren sei. Momentan müsse es um schnelle und koordinierte Hilfe für die Jesiden gehen, die im Nordirak auf der Flucht vor der islamistischen Terrormiliz IS sind.

Aktuell seien die Jesiden nicht mehr in den Bergen „und also in weiten Teilen in relativer Sicherheit“, sagte Geisler. „Aber sie leben unter entsetzlichen Bedingungen.“ Um dies zu ändern, müsste die Grenze zwischen den kurdischen Regionen des Iraks und der Türkei geöffnet werden. Weil Istanbul hier verständlicherweise zurückhaltend sei, „ist die Weltgemeinschaft gefordert, das Land zu unterstützen, zum Beispiel um Lager einzurichten und indem Flüchtlinge von der Türkei aus in die EU oder in sichere Drittstaaten gelangen“, forderte Geisler. Auch eine internationale Schutzzone im Nordirak für alle religiösen Minderheiten wäre wichtig, sagte der Sprecher der Jesiden in Deutschland. „Eine weitere wichtige Möglichkeit der Hilfe sind Spenden“, warb er um Unterstützung.

Der Zentralrat der Jesiden warnte vor der andauernden Gefahr von Massakern. Nach Geislers Worten gab es zuletzt drei Jesiden-Dörfer im Nordirak, deren Bewohner die Wahl hatten, zwangsweise zu konvertieren oder zu sterben. Zwei hätten befreit werden können. Am Freitag allerdings seien neue IS-Kräfte im dritten Dorf eingetroffen und hätten weitere Gefangene mitgebracht. „Wir haben große Sorge, dass eine Massenexekution beginnt“, sagte Geisler. „Dabei reden wir über 2.000 bis 3.000 Menschen.“

Befürworter drängen auf schnelle Waffenlieferungen an den Irak

Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani hat die zurückhaltende deutsche Position zu Waffenlieferungen in den Irak kritisiert. Aktuell erkenne er zwar einen Konsens, aber nicht den Willen, die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu bekämpfen, sagte der Schriftsteller am Freitag im Deutschlandfunk. Deutschland könne sich seine Zurückhaltung „nur leisten, weil andere sie nicht haben“.

Die Welt habe zugelassen, dass sich das „Monster“ Islamischer Staat entwickeln konnte, fügte der deutsch-iranische Autor hinzu. Diese Entwicklung müsse nun rückgängig gemacht werden. Dazu müsse die Weltgemeinschaft „endlich gemeinsam handeln“; auch Europa sei von der Entwicklung betroffen. Die Kurden im Nord-Irak müssten mit Waffen versorgt werden, damit sie ihren Kampf gegen die Dschihadisten erfolgreich fortsetzen könnten.

Kermani erinnerte an das Beispiel Syrien. Hier habe man aus Angst, das Falsche zu tun, die Lage immer weiter eskalieren lassen. Als gutes Zeichen wertete der Schriftsteller, dass die USA und der Iran mit ihrer Unterstützung für den designierten irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi wieder an einem Strang zögen. Damit wachse die Chance, auch die Sunniten einzubinden.

Bisher hat die Bundesregierung neben humanitärer Hilfe nur die  Lieferung von militärischer Ausrüstung wie Schutzwesten, Helmen und Nachtsichtbrillen oder auch Kleinlastwagen für den Kampf gegen die IS-Terroristen zugesagt. Was genau geliefert werden soll, steht aber noch nicht fest.

Waffenlieferungen hat die Bundesregierung nicht ausgeschlossen. Ein solcher Schritt ist quer durch alle im Bundestag vertretenen Parteien umstritten. Möglicherweise wird es zunächst einen Prüfauftrag an die Bundeswehr geben, welche Waffen verfügbar sind. Im Gespräch sind Panzerabwehrraketen vom Typ „Milan“. Die Kurden im Irak haben vom Westen panzerbrechende Waffen gefordert, um die von der IS-Miliz erbeuteten gepanzerten Fahrzeuge wirksam bekämpfen zu können. (dpa/kna/dtj)