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Politik

Walter Posch: „EU setzt Erdoğan und die Türkei gleich – ein Fehler“

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Der österreichische Turkologe Walter Posch prophezeit schwierige Zeiten für die türkisch-europäischen Beziehungen.

„Es ist nicht lange her“, betont der Experte, „dass die Türkei ein Land war, das zwischen der arabischen Welt und Europa vollständig dem westlichen Lager zugeordnet wurde“. Das sei nicht mehr so. „Wir können nicht sagen, ob diese Änderung gut oder schlecht ist, aber sicher ist es, dass es eine gibt“, ist sich Posch sicher. Die Zeiten, in der die Türkei noch als beispielhaftes Land für eine islamische Demokratie gesehen wurde, seien vorbei.

In einem Live-Interview mit dem türkischsprachigen Exilmedium „Kronos News“ analysierte der Experte der österreichischen Landesverteidigungakademie auch die letzten Ereignisse rund um die Operation Irini. Die Türkei habe mit dem Einmischen in die Libyen-Krise einen sehr großen Fehler begangen. „Zypern ist zwischen Frankreich und der Türkei eine altbekannte Krise. Libyen hingegen ist nicht so. In der EU wurden durch Unterstützung von Frankreich, Griechenland und Zypern die Stimmen gegen die Türkei lauter“, sagt Posch. Diese rigorose Haltung der Türkei in Libyen sei nach Donald Trumps Niederlage bei den US-Wahlen sowieso nicht mehr vertretbar. „In der EU wird die Politik gegenüber der Mittelmeer- und Libyenpolitik der Türkei in Zukunft sicherlich härter“, schätzt der Armee-Analyst ein. Unabhängig davon sei es aber auch ein Fehler der Europäer, die Türkei mit Erdoğan gleichzusetzen.

„IS spricht Jugendliche besser an“

Posch forscht für die österreichischen Streitkräfte zu Sicherheitsapparaten und Untergrundbewegungen des Nahen Ostens. Bei der Analyse von Organisationen wie dem IS lasse er die Religion meist außen vor. „Wenn ich mir die Sprache ansehe und die Vision, die der IS verbreiten will, dann erkenne ich mehr Ghettokultur als Islam“, bilanziert der Turkologe, der nach eigenen Angaben unzählige IS-nahe Medien durchforstet hat. Akteure sprechen die Jugendlichen demnach professionell in deren Sprache an und hätten eine neue Geschichte zu erzählen, was anziehend auf die Betroffenen wirke.

„Ich erkenne auch eine neue Art von Gewalt“, sagt der Experte und verweist wiederum auf rechtsextreme Terroristen wie Breivik. Für ihn sollten diese Gewalterscheinungen mit anderen Arten gemeinsam betrachtet werden. „Die Kommunikationsstrategie sehen wir auch bei antifeministischen Bewegungen und bei Klimaleugnern. Die hegemoniale Männlichkeit ist bei all diesen Erscheinungen ein gemeinsames Merkmal.“

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