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Gesellschaft

Wäre Tuğçe ein frommes, pummeliges Mädchen mit Kopftuch…

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Auch vier Tage nach dem Tod der 23-jährigen Studentin Tuğçe A. reißt die Debatte um Gewalt und Zivilcourage in Deutschland nicht ab. Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt nach der Veröffentlichung eines Tatortvideos. (Foto:dpa)

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Mit dem tragischen Tod der 23 jährigen Türkin Tuğçe A. Offenbach beschäftigen sich deutsche, türkische und internationale Medien. Die italienische Zeitung „La Stampa“ spricht von Tod des „Engels von McDonald’s“, die nach einem couragierten Eintreten für zwei belästigte junge Frauen zum Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. „Die Welt“ widmet ihr in der Montagsausgabe eine ganze Seite und stellt selbstkritisch fest: „Wäre Tuğçe A. ein frommes, pummeliges Mädchen mit Kopftuch und in langen Gewändern gewesen statt eine Frau, die sich schminkte, schicke Kleider und Stöckelschuhe trug und mit ihrer Schönheit nicht geizte – wer weiß, wie man ihrer gedächte. Gestehen wir es: Tuğçe entspricht dem Wunschbild, das wir uns von Einwanderern der zweiten, dritten Generation machen. Bildungseifrig, politisch mündig, selbstbewusst.“ Die Lehramtsstudentin aus Hessen starb am Freitag an ihrem 23. Geburtstag, nachdem die lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet wurden.

Nicht nur das tödliche Ende des jungen Mädchens ist ein Thema. Auch über den aktuellen Stand der Ermittlungen wird berichtet. Der Stern berichtet über Ärger bei der Staatsanwaltschaft über die Veröffentlichung eines Videos, das die Tat auf dem Parkplatz aufgezeichnet hatte, und darüber, dass diese daher Anzeige gegen Unbekannt erstattet habe.

Das Magazin schreibt: „Für das laufende Strafverfahren ist die Veröffentlichung völlig kontraproduktiv“, sagte Dr. Axel Kreutz, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher im Fall Tuğçe, gegenüber dem stern. „Wie soll ein Zeuge jetzt noch schildern können, was er wirklich gesehen hat“, so Kreutz, der vor allem die Spekulationen zum Tathergang kritisch sieht. „Durch die Interpretation des Gezeigten werden in der Öffentlichkeit Meinungen geschürt, die das Verfahren beeinflussen können.“ Wer das Video veröffentlicht habe, werde derzeit geprüft. Zudem habe man Anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Der Leichnam der Lehramtsstudentin werde derzeit am Frankfurter Institut für Rechtsmedizin obduziert. Dort solle geklärt werden, ob Tuğçe am frühen Morgen des 15. November durch einen Schlag tödlich verletzt wurde oder durch den Aufprall auf das Pflaster des Parkplatzes.

Helfer konnten für Tuğçe ungehindert Wasser holen

Der Focus trat unterdessen Darstellungen einiger Medien entgegen, wonach Mitarbeiter an der Theke der McDonald’s-Filiale, vor dem sich die Tat ereignet hatte, nicht rechtzeitig eingeschritten sein sollen und zudem den Helfern der bereits bewusstlosen Tuğçe die Ausgabe von Wasser verweigert hätten. Das Magazin schreibt auf ihrem Portal: „Die Restaurantkette schließt allerdings Fehler der eigenen Mitarbeiter während des Streits aus: Es gebe „aktuell für uns keinen Anlass, von einem Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter auszugehen“, teilte Unternehmenssprecher Philipp Wachholz mit. Dies zeigten auch Aufnahmen der Sicherheitskameras aus dem Inneren des Restaurants.

Die Restaurantkette habe der Familie von Tuğçe A. in einer einseitigen Zeitungsanzeige ihr Beileid ausgesprochen, berichtet N24: „Wir trauern um eine außergewöhnliche Frau, die Zivilcourage gezeigt hat und dabei ihr eigenes Leben verloren hat“, schreibt der Konzern in der Anzeige, die in der „Bild“-Zeitung erschien. McDonald’s verurteile jede Art von Gewalt, „insbesondere in und um unsere Restaurants“, heißt es weiter in dem Text, der in deutscher und türkischer Sprache abgedruckt ist.

In zahlreichen Medien war auch über die Notwendigkeit und die Grenzen von Zivilcourage in Deutschland die Rede. Schliessliche ist Tuğçe nach ihrem selbslosen Einsatz für zwei andere Mädchen angegegriffen worden. In der FAZ wurde die Einschätzung geäußert, der Tod von Tuğçe A. könnte dazu führen, dass Menschen im Angesicht von Belästigung nicht mehr eingreifen. Ein Kolumnist in der Allgemeinen Zeitung Mainz schrieb, „Menschen sollten nicht den Helden spielen“ und sich selbst in Gefahr bringen.