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Politik

Warten auf Obama: Ankaras Erwartungen

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Weniger als 50 Tage vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen ist es um die Nahost-Politik sehr still geworden. (Foto: cihan)

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Warten auf Obama: Ankaras Erwartungen
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Es scheint, als liege ein Hauch von Sedisvakanz über der Region, gleich der zwischen dem Tod eines Papstes und der Wahl eines neuen. Alle Akteure warten auf die Resultate der Präsidentschaftswahlen der Vereinigten Staaten. Die Syrien-Krise dominiert die Nahostpolitik. Viele nehmen an, dass die USA nach den Wahlen eine neue, aktivere Strategie verfolgen werden.

Die Türkei ist da keine Ausnahme. Obwohl es noch nicht öffentlich gesagt wurde, ist Ankaras Hauptwunsch die Wiederwahl Barack Obamas für eine neue Amtszeit. Niemand spricht auch nur über die Möglichkeit einer Präsidentschaft Mitt Romneys. Ankaras Erwartungen an Obama sind sehr hoch.

Die erste und oberste Erwartung betrifft zweifelsfrei Syrien. Ankara glaubt, Obama werde eine effektivere Syrien Strategie entwickeln. Dies ist mehr als nur ein Anliegen, Ankara verlangt eine klare Positionierung seitens der Vereinigten Staaten als wichtigstem Verbündeten. In einem kürzlich geführten Interview kritisiert Premierminister Erdoğan öffentlich die amerikanische Haltung zu Syrien. Es ist allerdings umstritten, was er meint, wenn er von einer „hohen Ebene der Intervention“ spricht.

Türkische Erwartungen an die USA: Unterstützung und klare Entscheidungen

Einige glauben, Präsident Obama werde nach einem Wahlerfolg sogar so weit gehen, einseitige Maßnahmen für einen Regimewechsel in Syrien durchzuführen. In Ankara wird zumindest davon ausgegangen, die Vereinigten Staaten werden die Türkei zumindest unterstützen, wenn es darum geht, eine Art Sicherheitszone im Norden von Syrien zu schaffen. Die Erwartungen schwanken, aber es gibt einen klaren Standpunkt: Ankaras erste Forderung an Obama in seiner zweiten Amtszeit werde sein, den amerikanischen Standpunkt gegenüber Syrien zu überdenken.

Die zweite Erwartung betrifft die türkisch-israelischen Beziehungen. Viele in Ankara glauben, Obama werde in seiner zweiten Amtszeit eine kritischere Haltung gegenüber Tel Aviv einnehmen. Eine Sichtweise, die von vielen in Israel geteilt wird. Obamas zu erwartende harte Haltung würde in Bezug auf die Forderung nach einer Entschuldigung für den tödlichen Verlauf der Razzia auf der Mavi Marmara Flottille von Vorteil für die Türkei sein. Ankara erwartet, eine Administration Obama II werde Druck auf Israel ausüben, eine Entschuldigung abzugeben.

Die dritte Erwartung betrifft militärische Angelegenheiten, insbesondere den Konflikt mit der PKK. Es ist entscheidend für die Türkei, weiterhin technische Unterstützung von den Vereinigten Staaten zu erhalten. Ankaras dringendste Anfrage gilt den US-Predator-Drohnen, welche der Türkei helfen würden, ihr Aufklärungsdefizit im Kampf gegen die PKK auszugleichen.

Es werden ernsthafte militärische Reformen notwendig sein, da in den letzten 10 Jahren keine größeren technologischen Anschaffungen vorgenommen wurden. Der Türkei mangelt es sogar an der notwendigen Anzahl von Cobra-Helikoptern. Ankara weiß sehr gut, dass sein Verteidigungsarsenal derzeit viel zu begrenzt ist, um dem Image der Türkei in der Region gerecht zu werden.

USA sollen helfen, türkische Interessen in der Region durchzusetzen

Viertens wünscht Ankara, Obama möge seine Unterstützung für die islamischen Akteure im Nahen Osten fortsetzen. Für Ankara hat die Mitwirkung der islamischen Gruppen an der Politik in der Region Priorität. Die Wahlen in Ägypten, welche die Muslimbruderschaft an die Regierung gebracht haben, seien ein typisches Beispiel dafür. Aber Ankara vertritt diese Position auch in anderen Fällen, beispielsweise mit Blick auf die palästinensische Hamas.

Außerdem hofft Ankara, Obama werde der Türkei dabei helfen, den derzeitigen irakischen Ministerpräsidenten Maliki aus seinem Amt in Bagdad zu verdrängen. Für Ankara wurde Maliki zur größten strukturellen Bedrohung seiner Stellung in der Region. Deshalb hat die Türkei bereits erklärt, dass die Verdrängung Malikis aus der Politik eines der Hauptziele der türkischen Außenpolitik ist. Wie in dem Fall Syriens meint Ankara, dass die USA nicht gerade viel getan hätten, um in die irakische Politik einzugreifen. Viele in Ankara glauben sogar, dass es eine stillschweigende Unterstützung von Washington sei, die Maliki im Amt hielt.

Angesichts der Aufzählung der Erwartungen Ankaras an die USA ist es eine berechtigte Frage, ob Obama auch alle Erwartungen Ankaras erfüllen wird. Die Präsidentschaftswahl war bislang eine gute Entschuldigung für Verzögerungen in allen Bereichen, einschließlich der Nichterfüllung der Anfragen von Verbündeten. Es ist schwer, Obamas Handlungen vorauszusehen, aber selbst wenn er sich entscheiden sollte, die Forderungen zu erfüllen, würde dies sicherlich nicht kurzfristig geschehen. Und dies würde Ankara vermutlich nicht zufrieden stellen.
Übersetzerin: Sirin Saoif