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Gesellschaft

„Was ich über Zschäpe denke, ist nicht in Worte zu fassen“

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Angehörige der NSU-Mordopfer sind erleichtert über den Prozessbeginn am Montag in München. Er war für viele aber emotional nur schwer zu verkraften. Die Unterbrechung des Prozesses strapaziert nun weiter die Nerven. (Foto: reuters)

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„Was ich über Zschäpe denke, ist nicht in Worte zu fassen“
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Der von den Familien der NSU-Mordopfer langersehnte Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe kostet die Angehörigen viel Kraft. „Der Prozessbeginn war für mich anstrengend und sehr belastend“, sagt die Tochter eines Mordopfers, Gamze Kubaşık (l., hier mit Semiya Şimşek, Tochter eines anderen NSU-Mordopfers), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dass die Verhandlung am Montag bis zum 14. Mai unterbrochen wurde, schockte die 27-Jährige aus Dortmund. „Weil ich mich schon emotional und seelisch auf diesen Prozess vorbereitet habe – es ist nicht leicht.“ „Wir haben jahrelang auf diesen Prozess gewartet.“

Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ werden neun Morde an türkisch- und griechischstämmigen Menschen und an einer Polizistin vorgeworfen.

Gamze Kubaşık war gemeinsam mit ihrer Mutter Elif nach München gekommen. Sie wollte der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Zschäpe in die Augen sehen. „Ich habe mir gesagt, wenn sie ein Mensch ist, wird sie das nicht verkraften“, erzählt die junge Frau. „Aber sie war so feige, dass sie uns Familienangehörige nicht angucken konnte.“

Warum mein Vater?

Kubaşık hatte auf eine menschliche Regung von Zschäpe gehofft, nach dem es so viel Öffentlichkeit um die Morde und die Angehörigen gab. „Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass dort jemand sitzt, der über ein Jahr in U-Haft ist“, sagt Kubaşık. „Weil sie so gelassen war und provokativ gelacht hat.“ Einmal, ganz kurz, trafen sich ihre Blicke, wie Kubaşık erzählt, doch Zschäpe habe schnell wieder weggeguckt. Was sie über diese Frau denkt? „Man kann das nicht in Worte fassen“, sagt Kubaşık.

Viele Fragen beschäftigen Gamze Kubaşık zum Tod ihres Vaters Mehmet, der am 4. April 2006 in seinem Kiosk ermordet wurde. Die Antworten erhoffe sie sich vor allem vom Prozess. „Warum gerade mein Vater? War mein Vater ein Zufallsopfer oder wurde er gezielt ermordet? Das sind Fragen, über die ich jeden Tag nachdenke.“

Enttäuscht ist Kubaşık über das Versagen der Behörden, des Staates. „Deutschland darf nicht weggucken, in diesem Land sind leider Rechtsradikale, aber dieses Land gehört nicht den Nazis“, sagt Kubaşık. „Wenn Deutschland weiterhin wegguckt und diese Leute ignoriert, dann wird dieses Land versagen.“

Dankbar ist sie über die Hilfe der Ombudsfrau der Regierung, Barbara John, und über die Solidarität aus der Bevölkerung. „Das macht einem umso mehr Mut, dass man weiß, wir sind nicht alleine.“ (dpa/dtj)