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Politik

Was wäre Abdullah Öcalan ohne die türkische Regierung?

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Emre Uslu beleuchtet, ob der „Anführer“ der PKK, Abdullah Öcalan, wirklich der richtige Ansprechpartner für die türkische Regierung wäre, um eine Waffenniederlegung der PKK zu erreichen. Welche Rolle spielt Öcalan wirklich?

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Was wäre Abdullah Öcalan ohne die türkische Regierung?
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Von Emre Uslu

Zahlreiche politische Beobachter vertreten mit Nachdruck die These, Abdullah Öcalan wäre der Schlüssel zur Lösung der Kurdenfrage.

Möglicherweise ist auch der türkische Staatsapparat der Auffassung, dass in einem Dialog mit Öcalan der richtige Weg zur Lösung des Problems gefunden werden könnte. Doch ist das wirklich so? Diejenigen, die in Öcalan den richtigen Ansprechpartner zur Lösung der Kurdenfrage sehen, gehen davon aus, dass er eine Position innehabe, die man bei Verhandlungen nicht ignorieren könne: nämlich jene des unangefochtenen Anführers der PKK.

Diese Einschätzung ist jedoch falsch. Ja, Öcalan ist ein Anführer der PKK, aber eben nicht der einzige. Das hat zur Folge, dass die PKK nicht immer genau das tut, was Öcalan sagt. Seit 2005 wird die PKK von einem Exekutivrat der Koma Civakên Kurdistan (KCK), der Union der Gemeinschaften Kurdistans, geleitet. Öcalan hat nur eine Stimme in diesem Rat.

Öcalan ist Sprachrohr der PKK – aber nicht mehr ihr unangefochtener Anführer

Die korrekte Beschreibung der aktuellen Funktion Öcalans wäre wohl „Sprecher des KCK-Exekutivrates“. Sprecher ist er auf Grund der Tatsache, dass er weiterhin großen Einfluss auf viele Kurden ausübt. Der Vorstand der KCK teilte ihm diese Position zu, damit er im Zusammenhang mit Aktionen der PKK Kurden zu Massendemonstrationen mobilisiert. Öcalan gibt keine Befehle, sondern fungiert vielmehr als Sprachrohr des KCK und sorgt auf diese Weise dafür, dass seine Entscheidungen in der Öffentlichkeit und unter der Bevölkerung bekannt werden.

Die seit 2004 herrschende Rivalität zweier Gruppen innerhalb der PKK beschränkte erstmals Öcalans Macht. Bei den Streitigkeiten ging es um die Frage, ob der Kampf fortgesetzt werden solle oder nicht. Der Bruder Abdullah Öcalans, Mehmet Öcalan, wurde damals in einem Brief beschuldigt, zu der Gruppe zu gehören, die eine Fortsetzung des Kampfes ablehnte.

Abdullah Öcalan sagte damals seinen Anwälten, er werde die PKK-Führungsmitglieder Cemil Bayık und Duran Kalkan, die den Kampf fortsetzen wollten, bestrafen. Er beschuldigte die beiden, zu versuchen, die Macht innerhalb der PKK an sich zu reißen. Auf Grund dieser Rivalitäten beschloss der seit 1999 inhaftierte Öcalan, einen Exekutivrat einzuführen, um weiterhin Einfluss auf die Führungsebene der PKK nehmen zu können. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Öcalan jedoch nicht mehr der „ultimative“ Anführer der PKK.

Sinnbildlich für die Tatsache, dass Öcalans Führungsanspruch über die PKK mittlerweile nur noch ein Ausdruck von Wunschdenken ist, steht der 2011 ausgeführte Anschlag in Silvan. Trotz seines klaren Befehls, den Waffenstillstand einzuhalten, setzte die PKK ihren bewaffneten Kampf fort.

Öcalan braucht die türkische Regierung, um seine Macht wiederzugewinnen

Wenn Öcalan jedoch mittlerweile nichts weiter als einer von mehreren Sprechern der PKK ist, ist er dann wirklich noch der richtige Ansprechpartner, um über eine Lösung für die Kurdenfrage zu verhandeln? Davon ist nicht auszugehen. Wenn Öcalans Funktion sich tatsächlich nur noch darauf beschränkt, ein effektives Sprachrohr für die PKK zu sein, warum tut er dann so, als sei er noch ihr Anführer? Und warum behauptet er dann, der Einzige zu sein, der die PKK stoppen könne?

Die Antwort liegt auf der Hand. Öcalan versucht, die Macht innerhalb der PKK wiederzugewinnen. Er will die uneingeschränkte Führung dadurch zurückerlangen, dass er den türkischen Staat von der Wichtigkeit seiner Person für den Verhandlungsprozess überzeugt. Öcalan weiß, dass er im Exekutivrat nichts mehr durchsetzen kann, bis er den Staat davon überzeugt hat, bestimmte Rechte zu garantieren. Öcalan äußerte zu diesem Thema: „Damit ich Gewalt vonseiten der PKK unterbinden kann, muss der Staat mir Mittel geben, um die PKK davon zu überzeugen.“

Auf Grund seines primären Vorhabens, innerhalb der PKK die Macht wiederzugewinnen, gibt es absolut keine Garantie dafür, dass er überhaupt ernsthaft versuchen würde, eine Waffenniederlegung der PKK zu erreichen. Ist Öcalan einmal mit den nötigen „Mitteln“ ausgestattet, um die PKK zu überzeugen, hat er bereits seine Position innerhalb der PKK gestärkt und somit sein Ziel erreicht. Es ist unwahrscheinlich, dass Abdullah Öcalan seine dann wiedererlangte Macht durch einen Disput mit der übrigen PKK-Führungsriege über die äußerst umstrittene Waffenniederlegung wieder aufs Spiel setzen würde.