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Gesellschaft

Weihnachten an der Waffe

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Tausende deutsche Soldaten werden in diesem Jahr an Weihnachten im Auslandseinsatz sein. Der Radiosender „Andernach“ schickt daher Grüße von Familien und Freunden nach Afghanistan oder in den Kosovo. (Foto: dpa)

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Oberfeldwebel Christina Flaig und Oberleutnant Christopher Steiger ziehen am 04.12.2013 im Studio des Bundeswehr-Radiosenders "Radio Andernach" in Mayen (Rheinland-Pfalz) die Gewinner in der Advendskalender-Sendung.
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„Vier Küsschen aus der Heimat, wir lieben Dich“, liest Hauptfeldwebel Selina Schmitt am Mikrofon vor. Die Worte stammen von einer Familie irgendwo in Deutschland, bestimmt sind sie für einen Soldaten in Afghanistan. Schmitt ist Leiterin der Grußredaktion bei Radio Andernach, dem Bundeswehr-Sender für Soldaten im Ausland. Sie und ihre Kollegen sind rund um Weihnachten Überbringer vieler emotionaler Worte aus der Heimat. Auch wenn die Zahl der deutschen Soldaten im Ausland sinkt, Grußbotschaften haben nach wie vor Hochkonjunktur rund um das Fest.

Seine Basis hat Radio Andernach, das zum Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr gehört, in der General-Delius-Kaserne in Mayen in der Eifel. Von hier aus geht das Signal etwa Richtung Hindukusch, Richtung Kosovo oder Richtung Trabzon in der Türkei, das die Bundeswehr momentan zum Abzug von Soldaten und Material aus Afghanistan nutzt. Zumindest zwei Stunden pro Tag war das Programm zuletzt auch an Bord der Fregatte Niedersachsen zu hören, die am Horn von Afrika unterwegs ist. Dorthin gelangt es im MP3-Format. Für Soldaten, die technisch nicht erreicht werden können, werden Grüße auf CDs gebrannt und verschickt.

Und wenn mal keine Grüße anstehen, werden Geschenke aus dem Adventskalender des Senders verlost. Das übernimmt Oberfeldwebel Christina Flaig. Live in der Sendung kramt sie in einer Pappkiste mit Losen und zieht eines heraus. Kurz darauf ist ein Soldat im Ausland um einen Bademantel und einen Baumarkt-Gutschein reicher.

Adventskalender für die Kameraden

Insgesamt spendeten Unternehmen in diesem Jahr mehr als 300 Geschenke im Gesamtwert von rund 10 000 Euro für den Adventskalender, wie Flaig erzählt. Zu gewinnen ist alles Mögliche, vom Kugelschreiber bis zum Wochenende in einem tropischen Freizeitpark in Brandenburg.

Flaig war vor einem Jahr selbst in Afghanistan, organisierte dort den Adventskalender. „Da sieht man, wie gut das ankommt. Die Soldaten freuen sich wirklich, egal welchen Dienstgrad sie haben“, sagt sie. Es gehe um die Geste und die Solidarität der Menschen in Deutschland. Damit lässt sich auch der Ansturm auf die Grußredaktion erklären. „Das Bedürfnis, seinen Angehörigen nahe zu sein, ist an Weihnachten einfach größer“, sagt Redakteur-Offizier Christoph Jan Longen.

Drei Stunden pro Tag geht in den Tagen vor Weihnachten die Sendung „Meet and Greet“ über den Äther. Zwischen Musikstücken – von Klassik über Schlager bis Rock – werden Grüße vorgelesen oder aufgenommene Grußworte von Freunden oder Familien abgespielt. Zwischen Heiligabend und Neujahr folgen Sondersendungen, mit einem noch höheren Grußanteil. Die sind vorproduziert, denn eigentlich müssen alle Grüße zum Fest bis spätestens 15. Dezember eingegangen sein, wie Schmitt erklärt. Eigentlich. „Aber kein Gruß wird nicht gesendet“, sagt sie.

Vom kommenden Jahr an sollen auch visuelle Grüße möglich sein – und zwar über den Bundeswehr-Fernsehsender bwtv, wie der Senderleiter, Oberstleutnant Markus Herholt, erklärt. „Ein solcher Gruß kommt noch mal anders rüber, man sieht ein Gesicht dazu.“

2000 Grüße an Weihnachten und Silvester

Pro Jahr sind es insgesamt 9000 Botschaften, die bei Radio Andernach landen, das nach seinem früheren Sitz in der Stadt am Rhein benannt ist. Allein an Weihnachten und Silvester laufen 2000 Grüße ein, meistens gespickt mit einem Musikwunsch. Zum Programm zählen neben den Grußsendungen auch Nachrichten, Berichte über politische oder militärische Themen – und samstags die Live-Übertragung der Fußball-Bundesliga, für das technische Signal sorgt der SWR.

Der Sender hat neben der Basis in Mayen zwei Einsatzredaktionen – in Prizren im Kosovo und in Masar-i-Sharif in Afghanistan mit jeweils drei Soldaten. In Mali wird bald eine Sendeanlage aufgebaut, wie Longen erklärt. In Afghanistan merken die Radiomacher durchaus, dass sich die Zahl der Bundeswehr-Soldaten im Einsatz verringert. 2013 wurde etwa das Feldlager in Kundus geschlossen, 2012 das in Faizabad. Berichte von Korrespondenten aus diesen Ecken gibt es nicht mehr. „Man merkt schon die Konzentration auf Masar-i-Sharif“, sagt Longen.

Dass der Sender irgendwann mal Vergangenheit sein könnte, glaubt Leiter Herholt aber nicht. „So lange es Einsätze gibt, wird es auch Radio Andernach geben.“ Während er das sagt, geht es in der Sendung „At Work“ gerade ums Wetter. „In den kommenden Stunden zieht sich eine Kaltfront durch Afghanistan“, heißt es. Im Studio nebenan ist die Stimmung derweil eher heimelig – dank Lametta und Lichterkerzen. (dpa/dtj)