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Wirtschaft

Weniger Flüge, weniger Jobs – Abwärtstrend im deutschen Flugverkehr

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Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin streicht im Rahmen des Sanierungsprogramms „Turbine“ bis Ende 2014 ca. 900 Stellen. Die deutsche Luftfahrtbranche erfährt momentan einen Abwärtstrend – im Gegensatz zur türkischen. (Foto: dpa)

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Weniger Flüge, weniger Jobs - Abwärtstrend im deutschen Flugverkehr
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Berlin – Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft Air Berlin streicht bis Ende 2014 rund 900 Arbeitsplätze – fast jede zehnte Stelle. Mit dem Personalabbau, Streckenstreichungen und dem Verkauf von Flugzeugen will der neue Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer etwa 400 Millionen Euro einsparen und so das Unternehmen wieder in die Gewinnzone bringen. Wie Air Berlin am Dienstag mitteilte, ist die Vornahme betriebsbedingter Kündigungen, also Stellenabbau, „nicht ausgeschlossen“. Derzeit hat Air Berlin etwa 9300 Beschäftigte.

Eine Woche nach dem Wechsel an der Vorstandsspitze konkretisierte das Unternehmen damit das angekündigte Sanierungsprogramm „Turbine“. Der bisherige Strategie-Vorstand Prock-Schauer hatte Hartmut Mehdorn erst vor gut einer Woche am 7. Januar abgelöst. Der Ex-Bahn-Chef hatte Air Berlin seit September 2011 als Übergangschef geführt, nachdem der Gründer des Unternehmens, Joachim Hunold seinen Hut genommen hatte.

Gewinne aus den letzten Monaten 2012 reichen nicht, um Verluste am Jahresanfang auszugleichen

Air Berlin will mit dem Programm „eine dauerhaft wettbewerbsfähige Ergebnissituation“ erreichen, hieß es. Die Gesellschaft fliegt seit Jahren in der Verlustzone. Den letzten Nettogewinn gab es 2007. In jüngster Zeit hatte sich die Lage wieder etwas gebessert. Im dritten Quartal 2012 verdiente der Lufthansa-Konkurrent rund 67 Millionen Euro und damit mehr als doppelt so viel wie zum gleichen Zeitpunkt im Jahr zuvor. Die Verluste aus dem ersten Halbjahr konnte Air Berlin damit jedoch nicht ausgleichen.

Dies dürfte allerdings mit dem Teilverkauf des Vielfliegerprogramms „Topbonus“ an Etihad Airways im Dezember gelungen sein. Mit seinem Einstieg als Großaktionär hatte der arabische Luftfahrtkonzern Anfang 2012 Air Berlin aus einer akuten Finanzklemme geholfen.

Unter dem bisherigen Vorstandschef Mehdorn wurde bereits die Flotte verkleinert und das Flugangebot reduziert. Dies will Air Berlin fortsetzen: Die Flotte soll noch im laufenden Jahr weiter von 158 auf 142 Flugzeuge schrumpfen, davon sind sechs Flieger als Reserve vorgesehen.

An der umstrittenen zweigleisigen Strategie, Touristen und Geschäftskunden zu gewinnen, will die Airline ausdrücklich festhalten. Dabei sollen der Kernmarkt, die Region Deutschland, sowie Österreich und die Schweiz gestärkt werden. Die Drehkreuze Berlin und Düsseldorf mit ihren Langstreckenverbindungen würden ausgebaut, teilte die Gesellschaft mit.

Am Standort Berlin muss Air Berlin aber weiterhin auf den für das Unternehmen wichtigen neuen Hauptstadtflughafen BER warten, dessen Eröffnung auf unbestimmte Zeit verschoben wurde und derzeit auch politisch für Aufsehen sorgt.

Das auf zwei Jahre angelegte „Turbine“-Programm gehe „über alle Unternehmensbereiche hinweg“, hieß es. Kürzungen seien auch in der Verwaltung und bei Arbeitsprozessen geplant. Netzwerk, Flotte und Flugplan sollen weiter optimiert werden. Die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern über geplanten Personalabbau hat Air Berlin nach eigenen Angaben bereits eingeleitet. Die Air-Berlin-Aktie drehte als Reaktion auf die Verschärfung des Sparprogramms ins Plus und gewann im Tagesverlauf 2,06 Prozent, wodurch sie jetzt bei 1,735 Euro liegt.

Die deutschen Flughäfen rechnen im laufenden Jahr nur mit einem minimalen Passagierwachstum

Auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt kämpft nicht nur Air Berlin gegen einen Abwärtstrend. An den 22 internationalen Verkehrsflughäfen dürfte die Zahl der Fluggäste im Jahresvergleich lediglich um 0,4 Prozent wachsen. Als Gründe für die schwache Verkehrsentwicklung führte die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) die schwache Konjunktur im Zuge der Eurokrise, die hohen Kerosinpreise und die deutsche Luftverkehrssteuer an. Für die Luftfracht sagt der Verband für 2013 ein Plus von einem Prozent voraus.

„Der intensive Wettbewerb im globalen und preissensiblen Luftverkehrsmarkt führt zu breiten Streichungen von Flugzielen“, sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Auch gebe es auf bestimmten Strecken weniger Flüge.

Beisel erwartet, dass der Wachstumsrückgang im Passagiergeschäft vor allem Flughäfen mit einem hohen Anteil von Billigfliegern trifft. Zugleich zögen sich viele Linien- und Charterflieger aus der Fläche zurück und konzentrierten sich auf mittelgroße und große Flughäfen.

Nach Schätzung des ADV dürfte die Zahl der Flüge im laufenden Flugplan im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent sinken. Der Abwärtstrend werde auch über den Sommerflugplan 2013 anhalten, prognostiziert der Verband. Für die Flughäfen bedeute dies meist rote Zahlen: Lediglich fünf der 22 Flughäfen könnten mit einem Nettogewinn rechnen. Die Verkehrszahlen für 2012 will der ADV Anfang Februar vorlegen.

Während der deutsche Flugmarkt mit einem Abwärtstrend kämpft, plant die türkische Regierung einen Megaflughafen in Istanbul. Der Flughafen soll für rund 150 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt sein und wäre damit der Größte der Welt. Auch die türkische Flugesellschaft Turkish Airlines setzt auf Wachstum und baut seine Flotte massiv aus.(dpa/dtj)