Connect with us

Kolumnen

Wenn Kindergeld zur Arbeitsverweigerung von Müttern führt

Spread the love

Am Vorabend des 1.Mai macht eine Studie des IfW im Auftrag des Finanz- und Familienministeriums allen Ernstes die Zahlung von Kindergeld für Beschäftigungsdefizite bei Frauen verantwortlich. Grotesk, wie unsere Kolumnistin findet. (Foto: dpa)

Published

on

Wenn Kindergeld zur Arbeitsverweigerung von Müttern führt
Spread the love

Im Auftrag des Finanz- und Familienministeriums hat das in München beheimatete Institut für Wirtschaftsforschung, wie aus seiner Pressemitteilung vom 29.04.2013 ersichtlich, eine Studie über die letzte Kindergelderhöhung und ihre Auswirkungen durchgeführt. Demnach ließen sich aus der letzten Erhöhung im Jahr 1996 negative Beschäftigungseffekte bei Müttern feststellen. Diese könnten vor allem mit Blick auf Haushalte mit niedrigem Einkommen abgeleitet werden.

Alles schön und gut. Und es soll auch nicht die Nachvollziehbarkeit des Zahlenmaterials in Zweifel gezogen werden, das zur Erarbeitung des Befundes herangezogen worden war.

Dennoch: Die seit damals wechselhaften wirtschaftlichen Ereignisse, wie die Wirtschaftskrise der 90er-Jahre und die darauf folgenden strukturellen Änderungen auf dem Arbeitsmarkt, sollten nicht ausgeblendet werden. Die Löhne und Gehälter stiegen im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten nicht spürbar. Aus Loyalität zum Unternehmen wurde sogar auf Ansprüche verzichtet, Lohnverzicht durch Kurzarbeit und ähnliche Regelungen im Interesse der Unternehmen und der Konzerne waren an der Tagesordnung, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Vor der Krise konnte jedoch – im Gegensatz zu heute – eine Familie auch mit nur einem Gehalt (über)leben.

Mehr Arbeitszeit weniger flexible Unternehmen?

Im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte haben sich die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt vor allem für Mütter extrem verschlechtert. Vor dieser Zeit der Mini-Jobs und der Leiharbeitsmaschinerie, die ebenso in den 90ern aufkamen, wurden Teilzeitbeschäftigungen für Frauen zur Ermöglichung der Berufsrückkehr als Usus angesehen.

Obwohl die Arbeitszeiten und der Zeitrahmen des Arbeitseinsatzes im Laufe der Jahre immer mehr ausgeweitet wurde, scheint es trotzdem an Müttern zu liegen und nicht an den Entscheidungen oder der Einstellung der Arbeitgeber. In allen Branchen, wie im Bereich der Produktion (Drei-Schicht-Betriebe), des Einzelhandels, des Gesundheitswesens etc. scheint es trotz verlängerter Geschäftszeiten nicht möglich zu sein, die Frauen flexibel und optimal auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen.

Kinderbetreuung war nicht ausgebaut

Definitiv wird hier auch nicht einbezogen, dass es über Jahrzehnte hinweg einen Mangel an Betreuungsmöglichkeiten gegeben hatte und in weiten Teilen des Landes immer noch keine befriedigenden Strukturen geschaffen worden sind, um eine optimale Kinderbetreuung zu ermöglichen. Eine Tagesmutter zu erhalten war bürokratisch kaum umsetzbar, da ein bestehendes Arbeitsverhältnis und die Antragstellung etwa drei Monate im Voraus in aller Regel Voraussetzungen dafür waren. Die Widersprüchlichkeiten hinsichtlich der Optionen an Betreuungsmöglichkeiten in Relation zur Arbeitsaufnahme im Beruf waren untragbar. Die Rückkehr in den Beruf war sichtlich schwieriger, weil die zeitliche Flexibilität, die gefordert wurde, nicht annähernd aufgefangen werden konnte. Je länger der Ausstieg aus dem Beruf, desto schwieriger der Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Hochqualifizierte arbeitslose Mütter

Sieht man sich die realen Möglichkeiten zur Rückkehr in den Beruf an, wie zum Beispiel Angebote für Berufsrückkehrerinnen und Weiterqualifizierungen, so sind dort primär Frauen vertreten, die mit zwei Master-Titeln, aber drei Kindern immer wieder an ihrer Ausübung ihres Berufes gehindert werden. Der Konservatismus oder die verkrampfte Ideologie, die dahinter steht, schafft immer dieselbe Story. Frauen und Mütter sollen für ihre Kinder da sein und werden oftmals so lange vom Arbeitsmarkt fern gehalten, bis die Kinder sich ihr Essen in der Mikrowelle warm machen können, ohne das Haus in Brand zu setzen. Zugeben wird dies selten jemand.

Auch die Vorurteile in Bezug auf den Spagat zwischen Familie und Beruf oder Krankheits- und Fehltage sowie die Phobie, die ganze Belegschaft mit Kinderkrankheiten anstecken zu können, tauchen im Alltag immer wieder auf. Davon sind sicherlich auch erziehende Männer nicht befreit, diese stellen aber grundsätzlich eher die Minderheit dar.

Familienfreundliche Modelle bleiben rar

Einerseits schreit jeder nach Gleichbehandlung und pocht auf die Grundrechte der Frau, doch anderseits werden systematisch der Frau und der Familie die Freiheit über die Familienplanung, jegliche Kombinationsmöglichkeiten oder Arbeitsmodelle, die familienfreundlich sind, verwehrt. Dabei sollte doch, wo ein Wille ist, auch ein Weg sein.

Es mag zwar wirklich einige Unternehmen oder Positionen geben, wo diese Faktoren in der Karriereplanung berücksichtigt werden, dies ist jedoch nicht die Norm, sondern eher eine Seltenheit. Frauen und Mütter/Väter sollten in ihrer individuellen Entscheidung begleitet werden, welche nicht immer homogen ist, sondern auf die Umstände und Ziele jeder einzelnen Person/Familie abgestimmt werden sollte.

Die aktuelle IfW-Studie prangert jedoch die geringverdienenden Familien an und wirft ihnen vor, sich subventionieren zu lassen, anstatt sich zu fragen, warum diese trotz Arbeit nicht genug Geld verdienen können, um in weiterer Folge der Allgemeinheit weniger Kosten zu verursachen. Die Besserverdiener und wohlhabenden Familien werden ebenso durch Kindergeld subventioniert, obwohl diese es finanziell nicht nötig hätten. Vielleicht sollten Sparmaßnamen zu Lasten der Haushalte erst einmal bei denen beginnen, die es nicht nötig haben, unterstützt zu werden. Schließlich sind das manchmal dieselben, die dafür sorgen, dass andere zu wenig verdienen. Dies würde aber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sprechen, somit darf der Staat auch auf jenen herumtrampeln, die nicht unbedingt selbst verschuldet weniger Steuern zahlen.

Es wird nun Zeit, ernsthaft über Quotenregelungen nachzudenken, denn wie es scheint wird sonst eine freiwillige Eingliederung von Müttern in den Arbeitsmarkt kaum möglich sein. Mit Blick auf den demografischen Wandel, der nun nicht mehr umkehrbar ist, sollte angefangen werden, die Ursachen zu erforschen, anstatt sich mit dem Aufzeigen von Resultaten hier nur lächerlich zu machen. Was sich das Ministerium nun dabei gedacht hat, hier diese Studie, die im Wesentlichen eine Rückschau auf die 90er ist, in Auftrag zu geben, die nur minimal mit heutigen Verhältnissen zu vergleichen sind und damit Steuergelder aus dem Fenster zu werfen, das wäre die wirklich interessantere Frage, die es zu beantworten gilt.