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Politik

„Wenn wir ein Präsidialsystem schaffen, muss es ein türkisches sein“

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Auf dem Rückflug von Indonesien und Brunei stand der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan Journalisten Rede und Antwort, unter anderem zum geplanten Präsidialsystem und zu aktuellen Fragen der Tagespolitik.

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„Wenn wir ein Präsidialsystem schaffen, muss es ein türkisches sein“
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„Ich bin nicht der Meinung, dass es unbedingt ein USA-System sein soll“, erklärte der Ministerpräsident Journalisten, die wissen wollten, ob sein Konzept von einem Präsidialsystem eine 1:1-Kopie des amerikanischen Vorbildes sein soll. „Lasst uns so arbeiten, dass es ein türkisches System wird. Dass wir aus unterschiedlichen Systemen die vorteilhaften Aspekte übernehmen und den Rest, der uns nicht so zusagt, weglassen. Dass wir uns für das Idealste entscheiden, “ meinte Erdoğan. Zur Kritik eines angeblich dahinterstehenden Neo-Osmanismus erklärte er, solche Annahmen wären absurd. Auf den Vorschlag der CHP, dass der Präsident weiterhin vom Parlament gewählt werden solle, betonte Erdoğan, er könne diesem nicht zustimmen, da dies das Recht des Volkes sein solle.

Erdoğan wurde in der Folge darauf angesprochen, dass er das Thema einer Wiedereinführung der Todesstrafe aufs Tapet gebracht habe und gefragt, ob das nicht die Beziehungen zur EU beeinträchtigen würde. Hierzu erklärte Erdoğan: „Die internationale Gemeinschaft besteht nicht nur aus der EU. Hinrichtungen gibt es z.B. auch in den USA, in China und in Russland. Die Todesstrafe würde auch nicht im Zusammenhang mit politischen Verbrechen in Frage kommen, vielmehr mit Blick auf Terrorismus und Straftaten, die den beabsichtigten Tod eines Menschen zur Folge haben.“

Aufhorchen ließ der Ministerpräsident auch mit seinen Ausführungen zum Syrien-Konflikt. Er erinnerte daran, dass seine Regierung, um den Frieden zu erreichen, Verhandlungen mit drei, zum Teil sogar mit fünf beteiligten Partnern angeboten habe. Russland müsse unbedingt daran teilnehmen, meinte er und fügte hinzu, dass er das Thema Syrien mit dem US-Präsidenten Obama demnächst am Telefon oder unter vier Augen besprechen werde. Auf die Beziehungen mit der BDP angesprochen, war Erdoğans Stellungnahme wiederum besonders deutlich: „Mit denjenigen, die Terroristen nicht umarmen, können wir auf jeden Fall reden.“

Im Folgenden dokumentieren wir die Antworten Erdoğans von Rückflug aus Brunei in die Türkei auf die Fragen zur Türkei und zur politischen Situation zu Hause und in der Welt:

Sie haben erneut die Debatte um die Todesstrafe eröffnet, wird dies die Beziehungen zur EU beeinflussen?

Die internationale Gemeinschaft besteht nicht nur aus der EU. Hinrichtungen gibt es z.B. auch in den USA, in China und in Russland. Es ist einfach nicht leicht, eine Bestrafung von gerade mal 21 Jahren Haft für einen Mörder von 77 Menschen in Norwegen zu verstehen. Die Todesstrafe würde auch nicht im Zusammenhang mit politischen Verbrechen in Frage kommen, vielmehr mit Blick auf Terrorismus und Straftaten, die den beabsichtigten Tod eines Menschen zur Folge haben.

Was haben Sie mit Obama über den Syrien-Konflikt besprochen?

Wir haben uns mit Obama unterhalten. Dieses Thema werden unsere Freunde zunächst einmal untereinander besprechen. Später werden wir darüber mit Obama am Telefon oder persönlich, unter vier Augen, reden.

In dem Angebot von der AKP, das der Kommission vorgeschlagen wurde, lässt sich ein System wie in den USA erkennen…

„Ich bin nicht der Meinung, dass es unbedingt ein USA-System sein soll. Lasst uns so arbeiten, dass es ein türkisches System wird. Dass wir aus unterschiedlichen Systemen die vorteilhaften Aspekte übernehmen und den Rest, der uns nicht so zusagt, weglassen. Dass wir uns für das Idealste entscheiden. Doch die Opposition möchte noch nicht einmal, dass darüber diskutiert wird. Über unsere Bemühungen werden wir, als die AKP, ein Buch veröffentlichen.

Wenn das Präsidialsystem nicht in die Verfassung eingeführt werden sollte, würde es Ihnen schaden?

Nein.

Sie haben aber intensiv für die Einführung eines Präsidialsystems geworben. Wenn es nun keinen Übergang zu einem Präsidialsystem geben sollte, werden Sie dadurch nicht beeinträchtigt?

Für mich persönlich ist die Logik der Verfassung falsch. Es ist nicht leicht, wir haben eine Erfahrung von gerade mal 10 Jahren. Wir haben mit unterschiedlichen Präsidenten gearbeitet. Ein Präsident, der sein Vetorecht ähnlich wie ein Verfassungsgericht ausübt, würde der Regierung viel Zeit kosten und die Arbeit erschweren. Heute sind wir mit unserem Präsidenten im Einklang. Doch woher wollen wir wissen, ob wir morgen nicht wieder das gleiche Problem haben werden? Der Vorteil an einem Präsidentschaftssystem ist die Möglichkeit, Koalitionsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Durch Koalitionen wurde die Türkei immer gebremst, wenn immer eine Partei allein regieren konnte, hat sie hingegen Fortschritte gemacht.

Die CHP schlägt vor, dass der Präsident weiterhin vom Parlament gewählt werden soll. Wie sehen Sie das?

Die Angelegenheit wurde durch das Referendum entschieden. Es gibt kein Zurück. Das Volk sagt, es wäre sein Recht. Hatte die CHP nicht einst alles darangesetzt, zu verhindern, dass ein Präsident im Parlament gewählt werden konnte? Die CHP tickt am Morgen anders als am Abend.

Dass die Untersuchungskommission für parlamentarische Putsche Sie einlud, hat Aufmerksamkeit erregt.

Ich habe gesagt, sie sollen mit meinem Rechtsanwalt sprechen. Während des 28.Februar-Prozesses war Hayati Yazıcı mein Rechtsanwalt. Die Kommission hat Herrn Yazıcı angehört. Doch habe ich mit ihm noch nicht reden können. Wenn es nötig ist, werden wir dies erörtern.

Aufgrund Ihres Besuchs konnten Sie an den Feierlichkeiten zum 10.November nicht teilnehmen. Das hat für Diskussionen gesorgt.

Ist das eine Straftat nach der Verfassung? Oder überhaupt eine Straftat? Warum haben dann die Hauptopposition und die Opposition nicht an den Zeremonien zum 29.Oktober teilgenommen? Wie erklären sie das? Der 29. Oktober ist eine offizielle Zeremonie. Die Teilnahme daran ist wichtiger als andere. Jedoch habe ich in den letzten 10 Jahren die Opposition dort nie gesehen.

Gibt es eine neue Entwicklung ähnlich dem Oslo-Prozess?

Wir nennen es ein „nationales Einheits-, Solidaritäts- und Brüderlichkeits-Projekt“. Daran arbeiten wir. Mein Freund, welches Recht hast du, das Du aber nicht beanspruchen konntest? Konntest du keinen Minister stellen? Oder in das Parlament eintreten? Die sozioökonomischen Investitionen in die Region im Südosten betrugen bereits mehr als in 89 Jahren zuvor. Doch die separatistische Terrororganisation und ihre Partei wollen keine Investitionen in die Region. Zurzeit haben Kurden mehr Rechte als viele andere ethnische Gruppen. Die Führung der separatistischen Organisation vertraut den Bergbewohnern allerdings nicht.

Das Treffen mit der BDP wird nicht von einem Politiker, sondern von der MIT (Milli Istihbarat Teşkilatı; türkisch: Nationale Geheimdienst-Organisation) abgehalten?

Ein Politiker kann sich nicht mit Ada treffen. Das wäre ein historischer Fehler. Mit demjenigen, der einen Terroristen umarmt, darf man sich auch nicht treffen.

Sind Sie der Meinung, dass sich die BDP mit denjenigen trifft, die einen Terroristen nicht umarmen?

Ja. Sie haben sich mit meinem Justizminister Selahattin Demirtaş und mit Sırrı Süreyya Önder unterhalten.

Nun zu Ihrem Besuch in Brunei. Er wurde in letzter Sekunde vereinbart. Wie ist Ihr Treffen mit dem Sultan gelaufen?

Während des Sultans Besuch in der Türkei wurden schon einige Schritte für eine bessere Zusammenarbeit der beiden Länder eingeleitet, zum Beispiel die Aufhebung der wechselseitigen Visapflicht. Nun haben wir von einer wechselseitigen Eröffnung von Botschaften gesprochen. Ich habe gesagt, dass sie durch die türkische Rüstungsindustrie Unterstützung erhalten können. Sie haben eine Vision, ihren Staat bis 2035 zu rekonstruieren. Unsere Bauunternehmer könnten Aufträge für die Infra-und Suprastruktur entgegennehmen. Die Themen „Zinsloses Banking“, Halal-Lebensmittel und Schüleraustausch wurden ebenfalls besprochen.

Es kommt vermehrt Kritik auf, dass sich die Türkei unter Ihnen in Richtung eines „Neo-Osmanismus“ bewegt. Was sagen Sie dazu?

Zunächst einmal sind solche Annahmen absurd. Überall auf der Welt aktualisieren sich die Systeme. Wir haben die Demokratie angenommen. Die Demokratie nehme ich in der Basis, im weitesten Sinne als einen Konsultationsmechanismus wahr. Es kann sein, dass die Türkei Defizite hat. Doch wenn man mit der Zeit diese beseitigt, ist es möglich, das eigentlich erwünschte Ziel zu erreichen.