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Politik

Wer regiert Kabul, wenn die Amerikaner weg sind?

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Ende 2014 werden die letzten NATO-Streitkräfte Afghanistan verlassen. Es bleibt ein schwacher Staat mit einer tief gespaltenen Gesellschaft. Eine Analyse der Rolle regionaler Mächte wie des Iran, Pakistans oder der Türkei.

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Wer regiert Kabul, wenn die Amerikaner weg sind?
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Von Abdullah Bozkurt

Es gibt sicherlich viele Gründe, über die Zukunft Afghanistans besorgt zu sein, besonders mit Blick auf den Abzug der NATO-Koalitionsstreitkräfte, der aller Voraussicht nach Ende 2014 erfolgen wird. Es ist durchaus möglich, dass in dem verwüsteten und abgekämpften Land erneut ein Bürgerkrieg losbricht. Die USA vernachlässigen das Thema der nationalen Aussöhnung, wenn sie sich lediglich mit dem Problem der Taliban und anderer oppositioneller Gruppen beschäftigen. Auch die beiden mächtigen Nachbarn im Osten und Westen helfen der afghanischen Regierung nicht gerade, das instabile Land zu stabilisieren.

Iranischer Einfluss auf Afghanistan wächst – die Fragmentierung der Gesellschaft ebenfalls

Der Iran trägt in Afghanistan einen Stellvertreterkrieg mit den Amerikanern aus und finanziert im Verborgenen illegale Machenschaften im Land. Auch nach dem Abzug der ausländischen Streitkräfte ist von Teheran zu erwarten, dass es weiterhin Aussöhnungsversuche und die Bildung einer starken afghanischen Nation sabotieren wird. Iranische Spione werden versuchen, die in der Gesellschaft ohnehin vorhandenen Trennlinien durch Provokationen noch weiter zu verstärken. Die durch iranisches Geld finanzierten Medien in Afghanistan werden weiterhin die Unterschiede zwischen den einzelnen Volksgruppen betonen und ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft fördern. Westliche Experten beobachten den wachsenden Einfluss des Iran auf die afghanische Medienlandschaft mit Sorge. Mittlerweile werden rund 70 Prozent der Medien im Land vom Iran gesteuert.

Pakistan hatte in der Vergangenheit in Afghanistan viele Fehler gemacht. Nun ist es gezwungen, die Taliban und eine wachsende Extremistenszene im eigenen Land zu bekämpfen. Dadurch ist das Land momentan schlichtweg nicht in der Lage, entscheidend in Afghanistan mitzumischen. Die pakistanischen Entscheidungsträger sind außerdem uneins in der Frage, wie man im Falle Afghanistans am klügsten vorgehen sollte. Man will unter keinen Umständen von den Amerikanern die Schuld an einem Scheitern der Stabilisierung Afghanistans nach elf Jahren Besatzung zugeschoben bekommen. Zusätzlich dazu hegt Islamabad große Bedenken bezüglich der Beteiligung Indiens am afghanischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat, da Pakistan befürchtet, das Land könnte auf diesem Wege leichter eine neue Front gegen seinen Erzfeind eröffnen.

Trotz all der düsteren Herausforderungen haben wir heute mehr Grund zur Hoffnung auf eine gute Zukunft Afghanistans als noch vor zehn Jahren. Anders als in den Neunzigern signalisiert die Internationale Gemeinschaft heute nicht mehr, dass Afghanistan alleine mit seinen chronischen Problemen fertig werden müsse. Auch gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass die kriegsmüden Afghanen sich erheben und ihre Herausforderungen meistern werden. Dass eine Lösung unter afghanischer Anleitung erzielt werden könnte, ist gar nicht einmal so weit hergeholt. Die Afghanen mögen jetzt noch nicht über die erforderlichen Mittel verfügen, aber sie sind im Begriff, diese Mittel aus eigener Kraft zu erreichen.

Bildung als große Chance für das Land

Schon jetzt trägt Bildung entscheidend zur institutionellen Entwicklung des afghanischen Staates bei. Besonders eindrücklich ist die Tatsache, dass es in Afghanistan 2001 offiziell nur 700 Schüler gab. Heute hingegen gibt es ca. 8 Millionen Schüler und Jugendliche stellen einen weit überdurchschnittlichen Bevölkerungsanteil des Landes dar. Diese menschlichen Ressourcen können der afghanischen Regierung dabei helfen, ihre ehrgeizige Agenda für das Land zu verwirklichen. Auch türkische Schulen existieren in Afghanistan und etwa 5000 Schüler werden in ihnen unterrichtet.

Die Türkei hat derzeit rund 1.800 Soldaten in Afghanistan und führt zwei Teams für Regionalen Wiederaufbau: eins in der zentralen Provinz Wardak und das andere in Jowzjan im Norden. Ankara hat bereits deutlich gemacht, dass es sich längerfristig in Afghanistan engagieren will und sich nicht wie die meisten NATO-Mitglieder pünktlich zum Abzugstermin aus dem Land zurückziehen wird. Das Hauptinteresse des Großteils der Internationalen Gemeinschaft liegt in der Befriedung Afghanistans, damit es nicht mehr als sicherer Unterschlupf für Terrorgruppen dienen kann. Das Hauptinteresse der Türkei liegt hingegen in der Schaffung eines stabilen Afghanistan, um dauerhafte kommerzielle Bindungen zu dem Land aufbauen zu können – dies erklärt das (freiwillige) längerfristige Engagement Ankaras in dem krisengeschüttelten Land.