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Kolumnen

Wie man Frauen und Ausländer gegeneinander ausspielt

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Nach Hysterie und Hetze nimmt nicht nur die Angst von Frauen zu, sondern auch die von Minderheiten, vor allem wenn sie „arabisch“ oder „muslimisch“ aussehen – und zurecht, denn es gibt bereits vermehrt Angriffe gegen diese Bevölkerungsgruppe.

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Der sich als verlogen entlarvende Diskurs um die sexuell belästigten Frauen der Silvesternacht in Köln zeigt ein altgekanntes Muster. Nicht sie stehen im Zentrum des Interesses, sondern „nordafrikanisch und arabisch aussehende“ Männer, die viele sowieso schon lange gerne abschieben wollten. Opfer sind inzwischen nicht mehr nur die Frauen, sondern auch Geflüchtete, die ins Zentrum der Debatte geraten.

Ein Essay über eine konstruierte Opferkonkurrenz bzw. wie man Frauen und Ausländer gegeneinander ausspielt.

Tatsächlich: Frauen und sog. Ausländer haben etwas gemeinsam. Sie sind Minderheiten, so wie sie der Soziologe Henri Tajfel definiert. Minderheiten sind demnach Gruppen mit fehlendem Zugang zur Macht. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass wir einen weiblichen Bundeskanzler haben, denn es gibt nach wie vor strukturelle Benachteiligungen für Frauen, wofür der sog. Equal Pay Day nur ein Symptom ist. In Bewerbungsverfahren schneiden sie vielleicht etwas besser ab als Menschen mit „ausländisch“ klingendem Namen – auch hier strukturelle Benachteiligung. Über Minderheiten wird viel debattiert und verfügt. Mehrheit und Macht geraten dabei schnell aus dem Blick, wie derzeit bei dem Gerangel um die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof zu Silvester bzw. dem politischen wie medialen Umgang damit.

Es ist alles beim Alten, und das ist nicht gut: Frauen sind Opfer sexueller Übergriffe, Männer Täter, Polizisten Weggucker und sog. Ausländer die einzigen Sündenböcke. Obwohl wir noch nichts Genaues wissen, diskutieren wir schonmal darüber. Die CSU prescht pegidalike und sarrazinesk voran, um erneut eine allgemeine Problematik auf „die Anderen“ zu projizieren und deren Ausweisung zu fordern – den Kölner Karneval, das Münchner Oktoberfest und andere Grapsch-Großveranstaltungen weitestgehend ignorierend. Um die Frauen geht es schon wieder nicht. Sie sind nur Mittel zum Zweck, damit „weiße“ Männer als zivilisiert(er) dastehen können.

Nein Danke, solche Fürsprecher braucht frau nicht!

Die aktuelle Debatte führen wir seit Jahr und Tag mit dem immer gleichen Unverständnis. Was sind relevante Merkmale, die es zu berichten gilt? Die Richtlinienergänzung 12.1. des Pressekodex verlangt nicht die Nennung von Relevantem zu unterlassen, aber von Irrelevantem für den Sachverhalt, um den es geht. Wenn es um sexualisierte Straftaten gegenüber Frauen geht, dann ist es relevant darauf hinzuweisen, dass die Täter Männer sind. Sonst nichts. Bei allen anderen Zuweisungen – beispielsweise Kölner, Bayern, Schwarze, Juden, Muslime, Katholiken etc. – fehlt schlicht die Spezifik.

Darum ist auch eine Debatte über die tatsächliche Zusammensetzung der Täter der Silvesternacht relativ überflüssig. Führt man sie jedoch, bedient man – auch wohlmeinend in der Widerrede – die Kategorisierungen, die den Rassismus befördern, nämlich nationale, phänotypische oder andere Einteilungen von Männern, die es gibt, die aber eben nur dann berichtenswert sind, wenn es einen „begründete[n] Sachbezug“ gibt – denn ansonsten suggeriert man einen Zusammenhang zu Unrecht. So ist es hier, so ist es immer und ich fürchte, so wird es auch bleiben.

Von Verschwörungstheorien und Diskursritualen

Die Theorie von einer Medienverschwörung, die hier bewusst etwas hätte verschweigen wollen, gehört ins Spektrum rechter Diskurse – wird aber inzwischen von vielen Medien mit bedient. Wenn, dann müsste man von einer Polizeiverschwörung ausgehen, die mit ihrem veröffentlichten Bericht vom 1. Januar zur „entspannt[en]“ Einsatzlage alle in die Irre führte. Natürlich sind auch diejenigen nicht weit, die darin eine Art geheime Absprache aus Gründen der Political Correctness vermuten. Netz und Mainstreammedien sind immer weniger zu unterscheiden, wobei es in beiden auch differenzierte und nachdenkliche Stimmen gab, wovon hier einige exemplarisch aufgelistet werden:

Antje Schrupp, Fisch und Fleisch Blog

Haase, Farahani, DRadio Wissen

Agenturen, Social Media, Neues Deutschland

Dinah Riese, tageszeitung

Christine Horz, Initiative für einen Publikumsrat

Peter Nowak, Telepolis

Hilal Sezgin, Die Zeit

Jens Berger, Nachdenkseiten

Zu einer Erweiterung des Blicks lud gar eine Augenzeugin aus dem Inneren des Bahnhofs zu Köln ein.

Aber im Großen und Ganzen tangiert das die Hauptnachrichtenformate nicht.

Einerseits wiederholen sich die Diskursrituale aus Unverständnis, andererseits, weil ein Interesse an Aufklärung (mitsamt einer konsequenten Verfolgung aller Straftaten) und gesellschaftlichem Zusammenhalt nicht überall besteht. Um nämlich von den Versäumnissen der Politik ablenken zu können, ist es wunderbar die Aufmerksamkeit auf Minderheiten zu lenken – und dazu dienen hier auch die Frauen, wo sie doch ansonsten nicht selten im Regen stehen gelassen werden (siehe z.B. Wiesn-Polizeibericht vom 24.09.2015, Nr. 1645). Ein Versäumnis besteht tatsächlich bei der Polizei, wie nicht nur das vorherige Beispiel vom Münchner Oktoberfest belegt – wo der Bericht vor lauter Sexismus überquillt.

Abwartende Beamte verfolgen Anzeigen, nicht Straftaten 

Dass zudem die Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden gerne auf Anzeigen warten, statt initial tätig zu werden, davon können wir hier ebenfalls berichten. Denn eine Morddrohung auf Facebook, über die hier berichtet wurde, führte nicht zur Verfolgung des Drohenden, sondern des Berichterstatters – also DTJ. Der mutmaßliche Täter behauptet inzwischen, sein Facebook-Account wäre gehackt worden. Und obwohl er jeden Nachweis dafür schuldig bleibt – auch, wie denn schließlich sein angeblich gehacktes Facebook-Konto gelöscht wurde – verwenden die Staatsanwaltschaft Berlin sowie das Landgericht in Saarbrücken enorme Energie darauf, die Autorin wie das DTJ in Sachen Rufschädigung anzugehen.

Erstaunlich ist dies auch angesichts der von Justizminister Maas geführten Debatte um die Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Es kann doch nicht sein, dass die von dem Hassposter bedrohte Professorin der Universität in Kassel erst Anzeige erstatten muss, damit das Posting gegen sie juristisch verfolgt wird. Und statt die Berichterstattung darüber als Vorarbeit willkommen zu heißen – mitsamt der Sicherung der Belege – wird sie inkriminiert, die Umkehrung der Täter-Opfer-Rolle nimmt ihren Lauf. Sollen nicht angeblich alle potentiellen Täter nun beim Namen oder mindestens mit ihrer Nationalität genannt werden? Hier offenbar nicht.

In Köln können die anzeigenden Frauen nun nur noch darauf hoffen, dass die Täter nicht ermittelt werden – denn diese können über das Verfahren die Adress-Daten der Antragstellenden erhalten. Ob den Frauen dann real genauso in Rat und Tat zur Seite gestanden wird, wie es gerade verbal geschieht, erfahren wir wohl nicht. Hier zeigt sich, wie Hierarchie fortgeschrieben wird, indem man die Opfergruppe der Frauen gegen die der „Ausländer“ instrumentalisiert und sie dabei gleichzeitig ausliefert.

Aber bitte nicht in meinem Namen!