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Politik

Wie Russland eine türkische Intervention in Syrien verhindert

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Die Türkei schreckt vor einer eigenen militärischen Intervention in Syrien zurück. Dabei spielt auch die Furcht vor einer russischen Vergeltungspolitik eine Rolle, zumal Moskau knallhart seine Interessenpolitik in der Region durchzieht. (Foto: ap)

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Wie Russland eine türkische Intervention in Syrien verhindert
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Mitte April besuchte Russlands Außenminister Sergej Lavrov die Türkei. Das Gespräch wurde mit Spannung erwartet, denn beide Länder sind sich in vielen Dingen nicht einig. Und trotz der unüberbrückbaren Differenzen zwischen beiden Ländern ging der russische Staatsbesuch in der Türkei ohne großes Aufsehen zu Ende. Man sprach lieber über den gemeinsamen Handel. Mit Blick auf die Syrienpolitik wurde die Türkei hingegen von der russischen Übermacht erstickt. Kein kritisches Wort, keine Konfrontation. Wie kam es dazu?

Die Türkei besitzt annähernd ein Dutzend Nachbarn, inklusive der maritimen Nachbarn an den Mittelmeer- und Schwarzmeerküsten. Ermutigt durch das Wirtschaftswunder der letzten Dekade tritt die Türkei immer offener als bestimmende Regionalmacht im Nahen Osten auf. Viele erinnern sich, der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan prophezeite dem Assad-Clan in Syrien offen den Untergang, maßregelte den Irak und drohte dem hochgerüsteten Iran. Es ist in der Tat so, dass sich vor dem Zorn der Türkei keiner im Nahen Osten sicher fühlen kann. Die türkische Staatsmacht wirkt bisweilen erdrückend für ihre Nachbarn – mit einer Ausnahme: Russland.

Die Türkei ist historisch tief mit Russland verbunden. Aber auch der wirtschaftliche Erfolg des Landes wurzelt auf wertvollen Energieimporten aus dem Ausland. Russland gehört neben dem Iran zu den größten Rohstoffimporteuren in die Türkei. Die mangels eigener Ressourcen hohe Abhängigkeit der Türkei von ausländischen Energieimporten blockiert die junge Republik aber nun in ihrer politischen Handlungsfähigkeit. Zudem besteht zwischen den beiden Ländern ein reger Handel. Das Handelsvolumen zwischen der Türkei und der Russischen Föderation beträgt inzwischen 33 Milliarden US-Dollar. Bis 2015 soll es weiter auf 100 Milliarden US- Dollar ansteigen.

Historische Russenangst wirkt auch in der Türkei nach

Die Türkei sträubt sich deshalb vor einer direkten Konfrontation mit Russland. Auch wenn das Land die Interessen der Türkei eindeutig unterminiert, wie es derzeit mit Blick auf Syrien der Fall ist, ist man nicht gewillt, sich mit Russland anzulegen. Die Türkei schafft es nicht, den Sturz des Diktators Assad in Syrien auf eigene Faust durchzusetzen. Nicht nur, weil die Aussichten auf die Zeit danach so unsicher sind, sondern vor allem auch, weil Russland dagegen ist. Auf sich allein gestellt wäre Assad der Türkei hoffnungslos unterlegen.

In der Zeit von 1586 bis 1918 hatte das Osmanische Reich 17 Kriege mit Russland ausgefochten. Die Grenzen des Reiches reichten tief in das heutige Russland hinein. Systematisch wurde das Osmanische Reich zerstückelt. Gerade Russland zeigte sich in den Kriegen mit den Osmanen stets grausam. Nachdem sich Russland den Kaukasus und die Ukraine zu Eigen gemacht hatte, säuberte es die Länder von jeglichen Osmanen. Sie wurden getötet oder in die heutige Türkei vertrieben. Bis heute ist die türkische Bevölkerung von den historischen Erfahrungen mit Russland geprägt.

Das erklärt auch, warum die Türkei 1952 als einer der ersten Staaten überhaupt der NATO beitrat. Sie gehört heute noch zu den größten Verfechtern der Institution. Man fürchtete sich vor der kommunistischen Macht aus Moskau. Stalin bedrohte den Bosporus und wollte Istanbul als strategischen Stützpunkt für die Rote Armee okkupieren. Das trieb die Türkei im Kalten Krieg in die Arme der USA. Dieses Bündnis gilt bis heute.

Mit dem Aufstieg der Türkei zur Wirtschaftsmacht im Nahen Osten verbesserten sich auch die Beziehungen zu Russland. Heute bietet Turkish Airlines sogar täglich acht Flüge in verschiedene russische Städte an. Jährlich kommen rund 4 Millionen russische Touristen in die Türkei. Beide Länder profitieren vom gegenseitigen Handel. Eines aber bleibt: die Rohstoffabhängigkeit der Türkei.

Russland übt nicht nur militärischen oder wirtschaftlichen Druck aus, sondern instrumentalisiert ihre Energielieferungen, wie die Vergangenheit beweist, auch für ihre strategischen Zwecke. Man dreht bei Bedarf einfach mal den Hahn ab: Die Ukraine, Weißrussland und Bulgarien mussten in der Vergangenheit schon den Notstand ausrufen, weil Russland ihnen die Öl-Lieferungen verweigerte.

Energielieferungen und PKK als Trümpfe Moskaus

Und vor diesem Grund fühlt sich gerade auch Ankara an Russland gebunden. Während eines Interviews mit namhaften türkischen Politikern im Jahre 2012 fiel die Frage: „Warum wird nicht in Syrien interveniert?“ Die Antwort war kurz und eindeutig: „Nicht gegen den Willen Russlands. Die Russen machen uns das Leben schwer und sie sind gut darin.“

Es gibt auch eine Sicherheitskomponente, die den Türken Sorgen bereitet: Russland half im Kalten Krieg, die Terrorgruppe Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aufzubauen, deren Verbrechen Zehntausenden Menschen in der Türkei das Leben kosteten. Die PKK entstand unter sowjetischer Schirmherrschaft im Libanon und in Syrien, später besetzte sie das Bekaa-Tal in den 1980er-Jahren. Es gab aber auch nach dem Zusammenbruch des Kommunismus noch russische Unterstützung für die PKK.

Die Türkei steht heute inmitten eines Befriedungsprozesses mit den Kurden im eigenen Land. In der Zwischenzeit stellte sich die Türkei aber gegen das Assad-Regime und unterstützt seit 2011 die syrische Opposition.

Die Angst in Ankara ist, dass Russland das gleiche tun könnte, was man immer tat, wenn die Politik der Türkei nicht gefiel. Würde die Türkei in Syrien einmarschieren, könnten radikale kurdische Elemente wieder mobilisiert werden, um innerhalb der Türkei den Krieg wieder anzufachen. Das wäre fatal für die Türkei. Die Angst vor einer durch Russland unterstützten kurdischen Rebellion und die Gefahr, dass Russland den Gashahn abdrehen könnte, lässt die Türkei so weiter gute Miene zum bösen Spiel machen.