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Kolumnen

Medienpädagogik: Wikipedia ist keine Quelle

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Vom Schüler über den Journalisten bis hin zum Forscher gehört Wikipedia zu den meistkonsultierten Quellen – auch wenn es kaum einer zugeben würde. Und doch oder gerade deshalb lohnt es sich, einen Blick hinter deren Kulissen zu werfen. (Foto: rtr)

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Vom Schüler über den Journalisten bis hin zum Forscher gehört Wikipedia zu den meistkonsultierten Quellen – auch wenn es kaum einer zugeben würde.
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Als ich kürzlich auf ZDF Info für die Sendung Login zum Thema Computerspiele angekündigt wurde, entbrannte ein wahrer Shitstorm im Netz. In Erwartung irgendwelcher Aussagen von mir, deren Inhalt man zu erahnen glaubte, empörte sich die Gamer-Community über meine Einladung – und dies unter anderem verbunden mit dem Verweis darauf, dass in meinem Wikipedia-Eintrag über dieses Thema auch gar nichts stünde. Da hatten sie allerdings recht, nur offensichtlich keine Ahnung davon, wie Wikipedia-Artikel zustande kommen.

Hätte ich auf dessen Gestaltung einen Einfluss, sähe dieser freilich anders aus. Viele Themen, die ich in meiner nunmehr 20-jährigen Tätigkeit als Medienpädagogin behandelt habe und behandle, kommen darin nicht vor – vielmehr hält man sich an den google-Frame, ohne dessen Algorithmen zu bedenken. Eine gute Gelegenheit, über Medienkompetenz von jungen Erwachsenen nachzudenken und darüber, was man Schülern vermitteln sollte.

Kämpfe hinter den Kulissen lassen sich nur erahnen

Wenn Ihre Kinder oder Schüler nicht glauben wollen, dass Wikipedia kein Lexikon ist – wobei das nicht heißt, dass gedruckte Werke automatisch besser wären – dann melden Sie sich an und arbeiten daran mit. Ein anderer Weg der Erkenntnis führt über die Reiter, die oben auf jeder Seite stehen und viel zu selten angeklickt werden. Neben der „Diskussion“ ist dabei vor allem die „Versionsgeschichte“ interessant. Dort kann man Versionen miteinander vergleichen, und es lohnt sich, das zu tun. Es ist aber manchmal kaum möglich, sich bis zur Ursprungsversion durchzuarbeiten.

In der „Diskussion“ kann man die Kämpfe erahnen, die sich hinter den Wikipedia-Kulissen abspielen – allerdings werden Diskussionsteile auch immer wieder archiviert und damit auf den ersten Blick unsichtbar gemacht – was wiederum wahrnehmungsverzerrend wirkt. Man erfährt hier zwar noch nicht, welche Hierarchien es innerhalb der online-Enzyklopädie gibt. Dazu muss man selbst mitmachen. Aber ein Eintrag wie der zum „Antisemitismus“ zeigt anschaulich auf, wie umstritten so manche Änderung ist und auch so manches keine Chance hat, stehen zu bleiben.

Bezahlte Einträge für die Pharma-Industrie

Mit dieser Herangehensweise ist man nicht immer nur darauf angewiesen, dass hin und wieder aufscheinende Skandale mehr Distanz zu dem Medium schaffen – wie etwa die Nachricht vom Oktober 2013, Wikipedia habe tausende User gesperrt, die bezahlte Einträge für die Pharma-Industrie machten. So kann man sich grundsätzlich mehr kritische Distanz zu jeder Art von Präsentation verschaffen.

Denn was für alles von Menschen Gemachte gilt, gilt auch für alle Medien: Mit einem wachen medienkritischen Blick lässt sich nicht nur im Nachhinein Skepsis üben, sondern Manipulation oft schon im Vorfeld erkennen. Angesichts eines zunehmenden Verlautbarungsjournalismus, der die berufsverpflichtende Kritikfähigkeit anscheinend einbüßt, wird diese Bildungsaufgabe für alle Bürger immer wichtiger.

Mehr dazu in Blog und Buch der Autorin: www.generationmedien.de.