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Politik

„Wir haben nicht beobachtet, dass die Leute von Zaman je Bomben gelegt hätten“

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Die türkische Regierung hat die Hizmet-Bewegung des moderaten Geistlichen Fethullah Gülen zur Terrororganisation erklärt, steht damit aber international allein da. Welche Sicht darauf man in den USA hat, erklärt der amerikanische Nahost-Experte Henri Barkey.

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Henri Barkey und Ruşen Çakır
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Die Hizmet-Bewegung des moderaten muslimischen Predigers Fethullah Gülen wird seit mehreren Jahren in der Türkei verfolgt. Unternehmen und Zeitungen werden enteignet, Razzien an Schulen und Krankenhäusern durchgeführt, Lehrer und Ärzte verhaftet – weil sie der Bewegung angehören oder auch nur nahestehen sollen. Die türkische Regierung hat die Bewegung zur Terrororganisation erklärt, ist damit aber international isoliert.

Vor allem in den Beziehungen zu den USA, dem größten Verbündeten der Türkei, ist das ein heikles Thema, fordert doch die türkische Regierung die Auslieferung des muslimischen Predigers, der seit über 15 Jahren in den USA lebt. Die USA widersprechen dieser Forderung bisher und glaubt man dem renommierten US-amerikanischen Nahost-Experten Henri Barkey, wird sich das auch nicht ändern.

Barkey ist Professor für Internationale Beziehungen und Direktor der Nahost-Abteilung des Woodrow Wilson Center for Scholars, eines unabhängigen Forschungsinstituts in Washington D.C. In einem Interview stand er diese Woche dem erfahrenen türkischen Journalisten Ruşen Çakır, ausgewiesener Kritiker der Hizmet-Bewegung, Rede und Antwort zum Thema Fethullah Gülen.

Trotz teils suggestiver Fragen des Interviewers wies Barkey die Beurteilung als Terrororganisation entschieden zurück. Wie man die „Fethullahistische Terrororganisation“ (FETÖ, so mittlerweile der offizielle Sprachgebrauch in der Türkei) sehe, fragte Çakır seinen amerikanischen Gast. „Niemand in den USA glaubt daran, dass diese Bewegung eine Terrororganisation ist“, so Barkey. „Eine Terrororganisation, wie wir sie verstehen, ist eine Organisation, die Bomben legt. Wir haben aber nicht beobachtet, dass Fethullah Gülen, die Menschen um ihn herum oder die Leute von der Zeitung Zaman je Bomben gelegt hätten.“

Auch auf die immer wieder kolportierten Gerüchte, wonach die Bewegung mit dem amerikanischen Geheimdienst zusammenarbeite, spricht Çakır ihn an. Dieser sehe so etwas nicht. Die Hizmet-Bewegung habe keine Verbindungen zum US-Staat, in der Türkei würden schlicht zu viele Verschwörungstheorien produziert. Ob Gülen, der seit 1999 in Pennsylvania lebt, denn entsprechend der Forderungen der AKP in die Türkei ausgeliefert werden wird, hakt Çakır später nach. Aber auch diese Frage verneint der amerikanische Professor: „Selbst wenn Obama dies wöllte, könnte er das nicht“, sagt er und erläutert: „Wenn Sie jemanden ausweisen wollen, dann muss das ein Gericht entscheiden. Um das zu erreichen, müssen dem Gericht Beweise vorgelegt werden.“

Er fährt fort: „Aber welche Beweise liegen denn hier vor? Es gibt die Behauptungen der türkischen Regierung. Aber ich glaube, es wird schwierig sein, damit etwas vor amerikanischen Gerichten zu beweisen. Sie können nicht jemanden ausweisen, nur weil sie ihn nicht mögen. Fethullah Gülen ist auf legalen Wegen in die USA gekommen, nicht als jemand, der nachts illegal über die mexikanische Grenzen kam und sich eine falschen Pass ausstellen ließ.“

Darauf will es der türkische Journalist aber nicht beruhen lassen und hakt nach: „Könnte es denn nicht sein, dass das FBI oder andere Stellen ihn dort so belästigen, dass er zum Schluss kommt, es sei besser für ihn, die USA zu verlassen? Leute, die dort ein- und ausgehen, könnten verfolgt werden, es könnte dieses und jenes passieren. Ist denn dieser große Staat Amerika dazu nicht in der Lage?“ Doch auch diese Mutmaßung weist Barkey zurück und verweist darauf, dass für die USA der Kampf gegen echte Terrororganisationen wie den IS oder al-Kaida Priorität habe.