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Politik

Politikwissenschaftler über AfD-Programm: Feindbild Islam ist eine „gezielte Provokation“

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Die AfD ist heute zu ihrem Parteitag in Stuttgart zusammengekommen und will sich ein Programm geben. In dem soll es hauptsächlich gegen „den Islam“ gehen. Politikwissenschaftler Michael Lühmann sieht darin eine gezielte Provokation – aber auch feste Überzeugung mancher Mitglieder. Während sich Vertreter muslimischer und jüdischer Verbände schockiert über die Programmvorschläge zeigen, verteidigt der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber die Rechtspopulisten.

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AfD-Parteitag in Stuttgart
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Der Politikwissenschaftler Michael Lühmann hat den Aufbau eines „Feindbilds Islam“ kritisiert. „Es ist zum einen natürlich populistisch, weil man mit dem Islam ein neues Feindbild aufbaut“, sagte Lühmann am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Die Positionen der AfD zum Islam seien aber auch inhaltlich begründet. In Stuttgart findet derzeit der AfD-Parteitag statt.

Sie gingen bei der Parteivorsitzenden Frauke Petry auch auf frühere gute Kontakte zur mittlerweile aufgelösten „extrem islamfeindlichen“ Partei „Die Freiheit“ zurück. Partei-Vizevorsitzende Beatrix von Storch habe als radikale Evangelikale ein „ganz klares Feindbild Islam“, weil dieser ihrer eigenen auf Missionierung angelegten Religion entgegenstehe, sagte der Politikwissenschaftler vom Göttinger Institut für Demokratieforschung.

Die Positionen der AfD im Entwurf für das Parteiprogramm, in dem vom Verbot von Minaretten, Muezzin-Rufen und Ganzkörperverschleierung die Rede ist, kritisierte Lühmann aber auch als geplante und gezielte Provokation: „Es ist ein typisches Spiel der AfD, Ängste und vor allem Ressentiments aufzugreifen, zu verschärfen und dem politischen Gegner vor die Füße zu werfen“. Damit versuche die Partei eine starke Differenz zum Establishment zu suggerieren, um sich erneut als „die andere Alternative“ präsentieren zu können. Tatsächliche Sorgen um kulturelles Zusammenleben könnten aber nicht durch Verbote von Minarett- oder Muezzin-Rufen gelöst werden, erklärte der Politikwissenschaftler.

„Kein Halt mehr vor unseren Verfassungsprinzipien“

Auch Vertreter jüdischer und islamischer Verbände zeigen sich entsetzt über Ideen, die in das Parteiprogramm der AfD einfließen sollen. „Mit Erschrecken, aber nicht überrascht, stellen wir fest, wie Islamfeindlichkeit in Hass und Verachtung gegen alle Muslime umschlägt und nun auch keinen Halt mehr vor unseren Verfassungsprinzipien macht“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Seine Kritik bezog sich auf einen von AfD-Verbänden aus Niederbayern lancierten Gegenentwurf zum Leitantrag der Programmkommission der Partei. Darin wird unter anderem gefordert, den Bau und Betrieb von Moscheen zu untersagen.

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, kritisierte dagegen einen Passus in dem offiziellen Entwurf. Darin heißt es: „Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.“ Dass eine derartige „Verengung“ existiere, sei eine Unterstellung, sagte Knobloch dem „Handelsblatt“. „Das trägt – gewollt oder bewusst fahrlässig – unterschwellige Züge von sekundärem Antisemitismus“, fügte Knobloch hinzu.

Unterdessen warnt der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred Weber davor, die Anhänger der AfD auszugrenzen. Es gebe eine „berechtigte Sorge der Menschen vor Wohlstandsverlusten, Veränderungen oder Folgen der ungeregelter Zuwanderung“, sagte Weber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Diese Sorgen müssen wir aufgreifen und lösen. Man darf sie nicht einfach als rechtspopulistisch abstempeln und tabuisieren.“ Gleichzeitig müsse man das radikale Gedankengut, das es teilweise in der AfD gebe, anprangern, forderte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. Dazu gehöre auch das offene Sympathisieren mit Extremen wie mit Marine Le Pen in Frankreich. (kna/dpa/dtj)