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Wenig Panzer, viel Spielwitz

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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist hervorragend in die WM gestartet. Ehemals vor allem im Ausland als „Panzer“ verschrien, setzte die Löw-Elf den Trend der letzten Jahre fort und glänzte mit ansehnlichem und schnellem Direktspiel. (Foto: dpa)

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WM-„Bomber“ Thomas Müller hat die erste große Fußball-Party in Deutschland gezündet – und Angela Merkel war beim Jubeln in der Kabine mittendrin. Die Bundeskanzlerin riss der 4:0 (3:0)-Traumstart der Nationalmannschaft gegen Portugal im Stadion ebenso vom Sitz wie Millionen Landsleute daheim. In einer kurzen Rede versprach Merkel am Montag in Salvador spontan sogar die Rückkehr nach Brasilien bei einer Finalteilnahme von Dreifach-Torschütze Müller und seinen furiosen Kollegen.

„Sie hat gesagt, es ist schön, wenn sie schon so eine lange Reise machen musste, dass wir wenigstens auch gewonnen haben“, schilderte Bundestrainer Joachim Löw launig. „Das Spiel ist gut für uns gelaufen“, kommentierte der gefeierte Matchwinner Müller deutlich untertrieben. „Ich bleibe ganz locker – wie immer!“ Von einem „klaren Ausrufezeichen, gerade, was das Ergebnis betrifft“, sprach Nationaltorhüter Manuel Neuer.

„Das ist einfach sensationell. Machen wir uns nichts vor, das war ein Fifty-Fifty-Spiel, und dann so ein Ergebnis!“, sagte ein begeisterter DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nach dem 100. deutschen WM-Spiel, das auch bei der Konkurrenz für den erhofften „Wow“-Effekt sorgte. „Thomas hat das schon sehr, sehr gut vorne gemacht. Er hat auch immer wieder Lücken gerissen für andere und drei Tore erzielt“, lobte Bundestrainer Löw, dessen Konzept zum Turnierstart perfekt aufging: „Die Mannschaft war auf den Punkt genau topfit.“

Müller macht es wie Klose

Vor 51 081 Zuschauern in der Arena Fonte Nova in Salvador traf neben Müller, der seine WM-Tore sechs bis acht (12./Foulelfmeter, 45.+1, 78.) erzielte, Mats Hummels mit einem wuchtigen Kopfball (32.) für das deutsche Team. Letztmals waren Miroslav Klose 2002 drei Tore für Deutschland in einem WM-Auftaktspiel gelungen.

„Das war eine tolle Mannschaftsleistung“, sagte Jérome Boateng, der das Duell gegen Superstar Ronaldo klar für sich entschied. „Schön, dass wir mit so einem Sieg nach Hause fahren, aber wir sind noch lange nicht am Ende“, versprach Kapitän Philipp Lahm.

Das neue 4-3-3-System ging voll auf – und auch die letzte personelle Entscheidung mit Mario Götze in der Startelf saß. Nach der Roten Karte für Portugals Abwehrchef Pepe nach einer Tätlichkeit gegen den in der Sturmspitze bärenstarken Müller in der 37. Minute hatte die deutsche Mannschaft endgültig freie Bahn zu dem von Löw erhofften „Start nach Maß“ in die Titelmission in Brasilien.

Mit einem weiteren Erfolg am Samstag in Fortaleza gegen Ghana kann das Team nun schon die Weichen für das Achtelfinale stellen. Auch vor vier Jahren war dem Team in Südafrika zum Auftakt gegen Australien ein 4:0 gelungen. „Da geht es wieder bei Null los“, mahnte Müller.

Mit seinen mutigen Personalentscheidungen lag Löw beim Start in sein viertes Turnier goldrichtig. Das flexible Spiel der offensiven Dreierreihe mit Mesut Özil, Müller und Götze stellte die Portugiesen vor schier unlösbare Probleme. „Wir waren sehr konsequent in der Chancenverwertung“, lobte Löw. Aber auch die Abwehr mit vier gelernten Innenverteidigern machte ihre Sache zur Freude der mehr als 10 000 deutschen Fans ausgezeichnet.

Boateng nimmt Ronaldo aus dem Spiel

Boateng ließ dem gefürchteten Ronaldo wie schon zum EM-Start vor zwei Jahren praktisch keinen Stich. Seine einzige große Chance besaß der Weltfußballer in der 90. Minute bei einem Freistoß, den Neuer prächtig abwehrte. Sehr aufmerksam agierten Per Mertesacker und Hummels im Zentrum. In der 72. Minute sorgte Hummels für eine Schrecksekunde, als er angeschlagen vom Feld humpelte. „Ich gehe davon aus, dass es nicht dramatisch ist“, sagte Löw, der von einem Schlag auf den Oberschenkel bei dem Dortmunder sprach.

Vom defensiven Mittelfeld-Trio fiel allein Lahm mit ein paar Ballverlusten ein wenig ab, während Toni Kroos und auch Sami Khedira immer wieder ankurbelten und den Weg nach vorne suchten. In vorderster Front machte WM-Torschützenkönig Müller in seinem 50. Länderspiel mit drei Treffern da weiter, wo er 2010 in Südafrika aufgehört hatte. Ein Dreierpack war ihm zuvor im DFB-Trikot noch nie gelungen.

Bei schweißtreibenden Temperaturen leitete die erste gelungene Kombination der Offensivreihe die Führung ein. Nach einer Ballstafette über Özil und Müller wurde Götze im Strafraum von Joao Pereira am Arm festgehalten und ging zu Boden. Müller verwandelte dem von serbischen Referee Milorad Mazic verhängten Strafstoß sicher zum 1:0 – sein erstes Länderspieltor per Elfmeter.

Die deutsche Elf kontrollierte das Spiel nun fast nach Belieben. Gefährlich wurde es immer dann, wenn in der Spitze die beweglichen Özil oder Götze angespielt wurden. In der 31. Minute bediente Özil von rechts Götze, dessen Schuss zur Ecke abgefälscht wurde. Den von Kroos nach innen geschlagenen Ball wuchtete Hummels mit dem Kopf zum 2:0 in die Maschen. Da hielt es auch die Bundeskanzlerin nicht mehr auf ihrem Sitz. Stehend applaudierte Merkel dem Team.

Nach der Roten Karte gegen Real-Madrid-Profi Pepe, der Müller die Hand ins Gesicht schlug und dem am Boden sitzenden Münchner dann noch einen Kopfstoß verpasste, war die Partie nach 37 Minuten praktisch endgültig entschieden. „Ich wollte auf keinen Fall etwas herausholen oder schinden. Die Aktion von Pepe war überflüssig“, sagte Müller, der die zahlenmäßige Überlegenheit nach Zuspiel von Kroos zum 3:0 nutzte. Höher hatte eine deutsche Mannschaft zur Halbzeit eines WM-Spiels zuletzt 2002 gegen Saudi-Arabien geführt, als es nach dem 4:0 zur Pause am Ende 8:0 hieß.

Sechs Minuten nach Wiederanstoß demonstrierte Özil einmal mehr seine Schwäche im Abschluss, als er Rui Patricio etwas lässig anschoss und damit das sicher scheinende vierte Tor vergab. Auch Götze (69.) schaffte es aus aussichtsreicher Position nicht, den nächsten Treffer nachzulegen. Das gelang dafür Müller zwölf Minuten vor dem Ende in einer Art und Weise, wie man es früher von seinem legendären Namensvetter Gerd kannte: Mit einem Abstauber im Fünf-Meter-Raum. (dpa/dtj)