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Kolumnen

Wo ist die viel gelobte „integrative Kraft des Sports“?

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Die integrative Funktion des Fußballs reicht kaum bis zur AfD, auf jeden Fall nicht bis zu Partei-Vize Alexander Gauland. Seine Äußerungen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über das öffentliche Ansehen von Nationalspieler Jérôme Boateng sorgten für einen Shitstorm in den sog. sozialen Netzwerken wie den Medien allgemein. Wahrscheinlich liegt Gauland gar nicht so falsch, wenn er feststellt, dass viele Herrn Boateng als Fußballstar in der Nationalmannschaft schätzen, ihn aber ungern als Nachbarn hätten. Dabei mögen die hoffentlich an den Rummel um einen Nationalspieler denken, den man sich vielleicht nicht als Teil der Nachbarschaftsidylle wünscht – vielmehr denkt man, was man Alexander Gauland zutraut: Dass er nämlich damit seine eigene Einstellung zum Ausdruck brachte und auf das Aussehen Boatengs abzielt.

Vielleicht lag ihm noch die Kinderschokoladen-Diskussion in den Ohren, die ja bereits zeigte, dass in einer bestimmten Klientel offener Rassismus verfängt. Im Netz gibt es einige Kampagnen, die Jérôme Boateng als Nachbarn willkommen heißen und sich klar von einem möglichen Nachbarn Gauland distanzieren. Soweit, so antirassistisch und so ermutigend. Jedoch bringt Wolfram Eilenberger im Deutschlandfunk-Interview das verbleibende Dilemma auf den Punkt: Die viel gelobte „integrative Kraft des Sports“ gibt es kaum.

Was die Nationalmannschaften anbelangt, ist die Diversität fast ausschließlich in der Fußball-Elf gegeben, nicht jedoch in anderen Sportarten. Hier greift das, was wir so oft beobachten können: Wenn man das Phänomen nicht direkt in den Blick nimmt – dass nämlich die Gesellschaft bunter ist, als sie sich in vielen Institutionen abbildet – dann verfehlt man eine Einlade-Kultur für die Integration in die verschiedenen Bereiche. Die erläutert Eilenberger im Interview und stuft damit die Fußball-Nationalmannschaft auf eine Art Vision zurück, eine Idee von einem in Zukunft bunten Deutschland.

Dabei ist es wie mit den Frauen. Sie sind da, sie beanspruchen ihren Platz, sie sind erfolgreich – aber die Entscheidung über ihre Integration obliegt ihnen oft nicht. Oder man hat einfach vergessen, dass sie da sind und berücksichtigt sie bei der Entscheidung über Führungspersonal einfach nicht. Fragt man nach, ist Vielen diese Entscheidung gar nicht bewusst und man meint, es läge an den Ausgegrenzten, dass sie ja nicht mittun wollten. Diesen Kreislauf der Selbstbestätigung zu unterbrechen, wäre eine integrative Kraft – und wir dürfen gespannt sein, wer sie fördert und wer sie bekämpft; wobei letzteres schon ziemlich klar ist.