Connect with us

Politik

Wo türkische Medien in deutschen Gerichtssälen immer Platz finden…

Spread the love

Möge niemand sagen, türkische Medien würden in deutschen Gerichtssälen immer nur außen vor bleiben. Dort, wo es als opportun erscheint, können ihnen zuliebe sogar gar nicht vorgesehene Verhandlungen durchgeführt werden. (Foto: cihan)

Published

on

Wo türkische Medien in deutschen Gerichtssälen immer Platz finden…
Spread the love

Die Logik deutscher Gerichtshöfe erscheint bisweilen eigenartig, doch immerhin verdanken wir ihnen, dass wir nun in der Lage sind, uns über die tatsächliche Lage in Deutschland einen ungeschminkten Eindruck zu verschaffen.

Das Landgericht München wird in Kürze einer Neonazi-Organisation den Prozess machen, welche über viele Jahre hinweg zehn Menschen das Leben genommen, an verschiedensten Orten Deutschlands Bomben gelegt und Banken ausgeraubt hat – unter den Ermordeten befinden sich eine deutsche Polizistin, ein Grieche und die anderen acht waren Türken. Dabei ist es offensichtlich, dass der Grieche deswegen umgebracht wurde, weil man ihn für einen Türken hielt.

Die blutigen Aktionen, die von deutschen Medien als „Dönermorde“ bezeichnet worden waren und denen sich deutsche Sicherheitsbehörden unter der Prämisse angenähert hatten, es handle sich um Morde im Mafiamilieu, befinden sich nun im Stadium der Hauptverhandlung.

Es sind Ereignisse, die vertraut erscheinen. Aber während über Jahre hinweg niemand diese Themen hervorgehoben hatte, hatte ich sie kontinuierlich zur Debatte gebracht. Auch dass der deutsche Inlandsgeheimdienst wegsieht, ist offensichtlich – und umso bestürzender, als einige Agenten sich in einigen der Mordfälle in unmittelbarer Tatortnähe befunden hatten….

Das „geheime Deutschland“ bedarf der Enttarnung

Mittlerweile ahnen es auch Deutsche, dass die drei Killer, die das Stammpersonal dieser Neonaziorganisation repräsentierten, ein vertrauliches Verhältnis auch zu Personen gepflegt hatten, die mit dem Verfassungsschutz zumindest auf die eine oder andere Weise in Verbindung standen.

Nicht umsonst hat Heinz Fromm, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, ebenso wie eine seiner Kollegen in den Länderbehörden, den Hut genommen.

Aus der Sicht der Deutschen wäre dieser Prozess eine gute Gelegenheit, mit dem „geheimen Deutschland“ abzurechnen; für die Türkei jedoch, deren Staatsangehörige acht jener Bürger waren, die der Neonaziorganisation zum Opfer fielen, ist es lebensnotwendig. Dieser Prozess sollte nicht nur die Hintergründe und die Identitäten aller Beteiligten an den Morden an diesen zehn Menschen aufklären, sondern auch die Merkwürdigkeiten Deutschlands – auch aus Fällen aus der Vergangenheit, in denen es um die Türkei ging – beleuchten können…

Zum Beispiel auch der Nonsens von wegen „auf der türkischen Regierungsbank befindet sich ein Drogendealer“, welcher im Vorfeld des 28. Februar 1997 das politische Leben in der Türkei durcheinander gebracht hatte.

Um das Thema etwas aufzufrischen: Anfang des Jahres 1997 wurden vor dem Landgericht Frankfurt drei Drogenhändler, darunter zwei Türken, verurteilt. Gegen Ende der Gerichtsverhandlung fing der Richter plötzlich an, in seinen Ausführungen Tansu Çiller der Verwicklung in kriminelle Machenschaften zu beschuldigen. Jedes Wort, das er sagte, haben türkische Journalisten haarklein mitgeschrieben und als Nagel für den Sarg der türkischen Regierung benutzt. Auch wenn Çiller und die Regierung die Vorwürfe bestritten, hat Gebaren des deutschen Landgerichts im Entstehungsprozess des 28. Februars eine wichtige Rolle gespielt.

Gerichtsbarkeit im Dienste der Opposition

Am Ende entschuldigte sich das Gericht sogar für seinen Fehler, die Refah-Regierung war aber mittlerweile bereits gestürzt worden. Auch im Fall „Deniz Feneri e.V.“ soll am Vorgehen der deutschen Justiz einiges „gestunken“ haben und es wurde bereits früh der Verdacht formuliert, es würden in diesem Zusammenhang der türkischen Regierung abträgliche Nebenwirkungen billigend in Kauf genommen.

Schon am ersten Verhandlungstag war der eher plumpe als mit feiner Klinge ausgeführte Versuch, den Prozess mit Premierminister Recep Tayyip Erdoğan in Verbindung zu bringen, gleichsam mit Händen zu greifen. Um diese Form der Politisierung zu vermeiden, haben die Angeklagten – obwohl ihre Schuld noch nicht bewiesen war – einem Deal mit dem Gericht zugestimmt, auch wenn dies eine strafrechtliche Verurteilung für sie nach sich zog.

Im Falle eines solchen Deals kann, wenn alle Beteiligten zustimmen, nach dem deutschen Rechtssystem nämlich auf die Durchführung einer Hauptverhandlung verzichtet werden. Das Frankfurter Landgericht hat hingegen trotz der Einigungsbereitschaft der Angeklagten eine Hauptverhandlung durchgeführt. In diesem Fall war die Teilnahme türkischer Zeitungen und Fernsehstationen kein Problem, im Gegenteil, ihnen standen die Türen stets weit offen.

Anders am Landgericht München: Hier wiederum bleiben die Türen gegenüber türkischen Medien genauso verschlossen wie gegenüber Diplomaten und Politikern.

Kein einziger türkischer Journalist fand sich auf der ursprünglichen Akkreditierungsliste wieder (erst das Höchstgericht musste ordnend eingreifen, Anm. d. Red.). Der türkische Botschafter in Berlin und Abgeordnete des türkischen Parlaments würden nur dann der Verhandlung folgen können, sollten sie Plätze finden.

Es lebe die deutsche Gerechtigkeit!

* Dieser Artikel stammt aus der türkischen Tageszeitung „Star“ und erschien vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.04.2013.