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Kolumnen

Wo warst du am 11. September?

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Egal ob es die Beschneidungsdebatte oder Plakataktion des Innenministeriums ist – seit den schrecklichen Ereignissen von 9/11 geht immer um den Islam und den Umgang mit den Muslimen. (Foto: Zaman)

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Wo warst du am 11. September?
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Aber über welchen Islam sprechen wir?

Fast alle Beteiligten haben eine eigene Vorstellung von „dem“ Islam. Für den Staat und für die politischen Akteure ist der Islam ein Phänomen, das durch die Arbeitsmigration nach Deutschland gekommen ist. Ein unangenehmes Phänomen, der das über Jahrhunderte entstandene Gleichgewicht zwischen Staat und Kirche bedroht. Den Islam ins politische System des Landes integrieren, das ja. Aber vollwertig wie die Kirchen? Ob man das wirklich will?

Und dann gibt es noch „den Islam“ der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft. Die Mehrheitsgesellschaft ist komplex. Medien, die mehr an Geschichten interessiert sind und den Islam oft mit Terror und anderen Problemen der Weltpolitik in Verbindung bringen; Intellektuelle, die in dem Islam eine archaische Religion aus der Vormoderne sehen, die die Werte der Aufklärung in Frage stellt; christliche Kirchen, die sich nicht ganz sicher sind, ob sie in der Herausforderung durch den Islam eher einen Konkurrenten im Wettstreit um Anhänger oder einen Mitstreiter für religiös motivierte, gemeinsame Werte sehen sollen.

All diesen Akteuren ist jedoch gemein, dass es ihnen nicht um den Islam als Glauben geht, sondern um die Politik mit dem Islam.

Und dann sind da noch die Muslime, selbst mit einer dörflichen Religiosität ausgestattet, denen es an Praxiserfahrung in einer mehrheitlich nichtmuslimischen modernen/post-modernen Gesellschaft fehlt. Sie finden sich in einem asymmetrischen Diskurs wieder, dem sie intellektuell nicht gewachsen. Auch fehlen ihnen die persönlichen und finanziellen Mittel. Ihnen geht es um den Glauben, um den Islam.

Aber um welchen Islam? Wollen sie eine normative Religiosität verteidigen, die es in der Praxis nicht gibt und deswegen niemanden interessiert? Wollen Sie im Namen des Islam Verbandsinteressen durchsetzen? Oder wollen sie den aus den dörflichen und ärmlichen Verhältnissen der Herkunftsländer mitgebrachten, historisch belasteten Islam, aus dem dann in den vergangenen 50 Jahren ein deutscher Unterschicht-Islam entstanden ist, um jeden Preis verteidigen?

Um welchen Islam geht es also?
Solange die beteiligten Akteure nicht ernsthaft daran interessiert sind, eine gemeinsame Antwort auf die Frage „Über welchen Islam sprechen wir?“ zu finden, wird es schwer, wenn nicht unmöglich, in den Debatten weiterzukommen.

Unabhängig vom Grad der Religionsverbundenheit werden Muslime sowohl in Ihrem Alltag, als auch in öffentlichen Debatten, manchmal offen, aber oft unterschwellig einem Kollektivverdacht ausgesetzt und mit der Frage konfrontiert, „Wo warst du am 11. September?“

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