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Panorama

Gericht: Mitangeklagten Wohlleben erwartet „erhebliche Strafe“

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Ralf Wohlleben gilt im NSU-Prozess als wichtigster Insider. Dennoch schweigt er beharrlich: Nun versuchten seine Anwälte ihn frei zu bekommen. Ohne Erfolg. Denn Wohlleben erwarte eine „erhebliche Strafe“, kündigte das Gericht an. (Foto: dpa)

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Der Angeklagte Ralf Wohlleben sitzt am 12.01.2015 im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München (Bayern). Vor dem Oberlandesgericht wurde der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt.
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Er soll die Waffe für die größte fremdenfeindliche Terrorserie Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg beschafft und die im Untergrund lebenden mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) über Jahre hinweg gedeckt und unterstützt haben.

Dennoch beantragten seine Anwälte ihn frei zu lassen. Ohne Erfolg: Das Oberlandesgericht München lehnte einen Antrag der Verteidigung auf Haftverschonung ab. Ralf Wohlleben bleibt nach nunmehr drei Jahren hinter Gittern weiterhin in Untersuchungshaft. Nach Ansicht des Gerichts gilt er der Beihilfe zum Mord als „dringend“ tatverdächtig und erwarte eine „erhebliche Strafe“.

Pistole für neun der zehn Morde

Angesichts der bisherigen Erkenntnisse des NSU-Prozesses überrascht dies kaum: Denn Wohlleben soll den Kauf der Pistole, die bei neun der zehn Morde verwendet wurde, zumindest in Auftrag gegeben haben. Die Verteidiger stützten sich darauf, dass der Beschaffungsweg der Mordwaffe von der Schweiz bis ins thüringische Jena nicht lückenlos nachgewiesen worden sei.

Allerdings wurde die Waffe vom Typ „Ceska“ im Prozess aufgrund ihrer Typennummer klar identifiziert. Das Gericht führte außerdem ins Feld, dass der Mitangeklagte Carsten S. in einem Geständnis aussagte, er habe persönlich gesehen, wie Wohlleben die Waffe „angefasst und den Schalldämpfer auf den Lauf der Waffe geschraubt“ habe. Dies allein stütze die Verhältnismäßigkeit der andauernden Untersuchungshaft, rechtfertigte das Gericht die Entscheidung.

Wohlleben als „steuernde Zentralfigur“?

Trotzdem starteten Wohllebens Anwälte am Dienstag einen weiteren Anlauf, um ihren Mandanten zu entlasten. Mit der Ladung zahlreicher Zeugen aus der Chemnitzer Neonazi-Szene der 1990er-Jahre soll der Vorwurf, Wohlleben sei eine „steuernde Zentralfigur“ für den NSU gewesen, wie es das Münchener Gericht beschrieb, entkräftet werden.

Außerdem verlangte Wohllebens Verteidigung, die gerichtliche Ladung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans Georg Maaßen, und des Chefs des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath. Letzterer war in den 1990er Jahren als V-Mann-Führer für den verdeckten Informanten „Piatto“ beim Brandenburger Verfassungsschutz verantwortlich.

V-Mann „Piatto“ mit altbekannten Erinnerungslücken

Der V-Mann „Piatto“ trat am Dienstag erneut mit Perücke, Sonnenbrille und Mütze als Zeuge beim NSU-Prozess auf. Er hatte der Brandenburger Behörde in den 1990er-Jahren wichtige Interna aus der Chemnitzer Neonazi-Szene verraten. Seine Vernehmung durch Richter Götzl lieferte allerdings wenig Neues.

Wieder einmal gab er an, sich aufgrund von Erinnerungslücken an kaum etwas erinnern zu können. Die Vernehmung endete daraufhin schneller als erwartet bereits am Dienstag. Der Prozess wird in der kommenden Woche mit der Klärung des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße fortgeführt. Dann könnte es noch einmal emotional werden.

Die schreckliche Bilanz des NSU

Die Terrorgruppe des sogenannten NSU soll von 2000 bis 2011 aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden haben. Die beiden mutmaßlichen männlichen Mitglieder der Gruppe sollen acht türkischstämmige und einen griechischen Händler sowie eine Polizistin getötet und 14 Banken in Chemnitz, Zwickau, Stralsund und Arnstadt überfallen haben.

Zschäpe ist seit 2013 wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung vor dem Münchener Oberlandesgericht angeklagt.

Mittlerweile haben die Taten des sogenannten NSU fünf Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene beschäftigt und unzählige Entlassungen und Rücktritte verursacht. Wirkliche Erkenntnisse bleiben jedoch rar und Verschwörungstheorien zugleich beliebt. (dtj/dpa)