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DTJ-Blog

Wütend, aber nicht blind

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Der soziale und mediale Protest ist verständlich – aber er darf nicht blind zu voreiligen Rückschlüssen führen.

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Massive sexuelle Gewalt, die Flüchtlingsdebatte und dann auch noch eine #armlaenge: Dieser Vorfall hat in Deutschland politisch, gesellschaftlich und medial kontroverse Reaktionen ausgelöst.

Nach den Übergriffen der Silvesternacht vor dem Domplatz schäumt die Wut in allen sozialen Netzwerken. Es waren ungeheuerliche Szenen, die sich in der Silvesternacht am Kölner Dom abgespielt haben. Rufe nach Konsequenzen und hartem Vorgehen werden in der Öffentlichkeit laut und könnten den sozialen Frieden gefährden. Der soziale und mediale Protest ist verständlich – aber er darf nicht zu blinden voreiligen Rückschlüssen führen.

Die einen diskutieren mögliche politische Folgen, die anderen empören sich über eine #armlaenge. Nach massiven Übergriffen haben mehr als 100 Betroffene Anzeige wegen Diebstahl oder sexueller Belästigung erstattet. Zeugen beschreiben die Täter als alkoholisiert, enthemmt, als „nordafrikanisch“ oder „arabisch aussehend“. Einige Festgenommene sollen kopierte Aufenthaltsbescheinigungen für Asylverfahren dabei gehabt haben – so berichtet es ein Polizeibeamter dem „Kölner Express“.

Schnell wurde im Zuge dessen der Verdacht laut, es handele sich um Flüchtlinge bzw. Asylbewerber, doch mit solchen Äußerungen sollte zunächst vorsichtig umgegangen werden.

Das Ergebnis der simplen Rechnung steht für viele schnell fest, wie sich in der Gesellschaft und den sozialen Netzwerken, wie Facebook und Twitter nachlesen lässt: Muslimische Flüchtlinge sind kriminelle Sexualstraftäter, sie hätten nie ins Land gelassen werden dürfen, und jetzt müssen sie alle abgeschoben werden.

Gerade für die Anhänger von Pegida und AfD sind die Geschehnisse ein gefundenes Fressen. Genauer gesagt: Man wird Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen gießen. Sie schlachten die Vorfälle in Köln jetzt für ihre Propaganda aus. Unangemessen ist das blinde Verhalten jener, die diese Vorfälle instrumentalisieren, um gegen Flüchtlinge, Muslime und wen auch immer zu hetzen. All das führt dazu, dass fremdenfeindliche Äußerungen in der Gesellschaft zunehmen werden und sich Wut und sozialer Unfrieden breitmachen. Populistische Aussagen wie „Wir haben euch gewarnt vor der Flüchtlingswelle“, werden in Deutschland mehr und mehr Verwendung finden.

Wer Flüchtlinge aufgrund dieser Vorfälle nun pauschal als kriminelle Sex-Monster, die es auf deutsche Frauen abgesehen haben, brandmarkt, der reagiert genauso unsinnig wie jemand, der Kritiker von Merkels Asylpolitik einfach nur als Nazis abstempelt. Die pauschale Schuldzuweisung, die Täter seien Flüchtlinge gewesen, ist zum jetzigen Zeitpunkt falsch. Noch wissen wir schlicht zu wenig über die Kölner Grapscher und Diebe, noch laufen die Ermittlungen.

Soviel ist aber sicher: Es war eine ungeheuerliche Tat, die nicht toleriert werden darf und die bestraft werden muss. Das ist die einzig richtige Reaktion auf die Übergriffe in Köln – nicht die pauschale Verurteilung von Flüchtlingen.

Eine Frage habe ich mir gestellt und zwar, was gewesen wäre, wenn die Täter blonde Schweden gewesen wären.

Oder Italiener, Portugiesen, Südamerikaner?

Hätte man dann von Menschen skandinavischer Herkunft mit protestantischem Hintergrund gesprochen?

Ich vermute eher Nein.

Man hätte wahrscheinlich nur von Skandinaviern gesprochen. Eine Tätergruppe sollte keiner Ethnie oder Religion zugeordnet werden. Es ist falsch, dass Migranten in den sozialen Medien als Terroristen, Drogenhändler, Diebe, Schläger, Vergewaltiger oder Sozialschmarotzer, verurteilt werden.

Keine Frage: Männer, die sich an Frauen vergreifen, dürfen nicht straflos davonkommen – egal, wie betrunken sie sind, welcher Herkunft sie sind oder welcher Religion sie angehören. Sollten sich die Täter von Silvester nicht ermitteln lassen, dann muss die Polizei dafür sorgen, dass sich solche Übergriffe nicht wiederholen können. Nicht in Köln und nicht andernorts.

Kriminelle Handlungen sind kriminell, egal von wem sie begangen werden. Und wenn solche Handlungen für Männer aus anderen Kulturkreisen normal sein sollten, sollte das nicht aus „Höflichkeit“ oder „politischer Korrektheit“ unter den Teppich gekehrt, sondern kriminell genannt und bestraft werden. Die Übergriffe sind erschreckend, sie sind nicht hinnehmbar, sie dürfen sich nicht wiederholen.