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Panorama

Freispruch für Ex-Bundespräsident Wulff?

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Nach nur drei Monaten soll am Donnerstag das Urteil im Verfahren gegen Ex-Bundespräsident Wulff fallen. Erwartet wird ein Freispruch. Doch es bleibt die Sorge, dass der Fall noch zum Bundesgerichtshof weiterwandern könnte. (Foto: dpa)

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Ex-Bundespräsident Christian Wulff (l) und der Mitangeklagte David Groenewold stehen am 06.02.2014 im Landgericht in Hannover (Niedersachsen).
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Eigentlich müsste allein der Gedanke an diesen Donnerstag bei Christian Wulff große Freude auslösen. 741 Tage nach dem schmerzhaften Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten darf er in seinem Korruptionsprozess auf einen Freispruch hoffen. Dieser gilt nach dem bisherigen Verlauf des von Richter Frank Rosenow geführten Prozesses als mehr als wahrscheinlich.

Doch Wulff wird möglicherweise auch bei einem Freispruch nicht die erhoffte Ruhe finden. Denn nach dem Plädoyer von Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer scheint es fast zwingend, dass es zu einer Revision vor dem Bundesgerichtshof kommen wird. Ob Wulff daran bereits bedacht hat, als er in seinem Schlusswort am 13. Prozesstag sagte, „ich hoffe, dass sich die Wogen glätten“?

Doch Wulff und seine Anwälte selbst haben die Messlatte für den Freispruch hoch gehängt. Bei einem Freispruch dürfe nichts hängen bleiben, sagte sein Verteidiger Michael Nagel. Nur so könnten die Folgen des „diskreditierenden Verfahrens” (Nagel) mit der „auf falschen Fakten basierenden Anklage” aufgefangen werden, nur so könne sein Mandant wieder zur ersehnten Ruhe für einen Neuanfang kommen.

Angesichts dieses hohen Drucks erklärt sich, warum Wulffs zweiter Anwalt Bernd Müssig in seinem Plädoyer wiederholt betonte, nach der Beweisaufnahme dränge sich der Freispruch nicht etwa nur aus dem Grundsatz „in dubio pro reo”, also aus Mangel an Beweisen, auf. Das Verfahren hätte vielmehr nie eröffnet werden dürfen, da es an dem zur Diskussion stehenden Oktoberfestwochenende 2008 gar keinen Vorteil für Wulff gegeben habe. Die Einladung zum Oktoberfest durch den Filmproduzenten David Groenewold sei „sozialadäquat” gewesen, also für den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten angemessen. Von der Übernahme der Kosten für Hotel und Babysitter habe er zunächst nichts gewusst. Längst habe er das Geld zudem zurückgezahlt.

Eimterbäumer will weiter über „erdrückende Beweise und belastende Zeugenaussagen“ verfügen

Dies sieht Eimterbäumer völlig anders. Der Oberstaatsanwalt, dem Kritiker seit längerem übertriebenen Profilierungsdrang auf Kosten Wulffs vorwerfen, will weiter erdrückende Beweise, belastende Zeugenaussagen und eine wegen Lücken und unauffindbaren Daten auf Verschleierung hinweisende Aktenführung ausmachen, die nach wie vor schwer wögen. Jedoch habe das von Rosenow dem Prozess aufgezwungene Tempo eine „Entscheidungsreife” verhindert – sowohl für Wulff als auch gegen ihn. „Das Gericht hat die vorliegenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft”, meint Eimterbäumer und spielt damit auf vermeintliche Fehler im Verfahrensablauf an. Für ihn steht fest: Weitere Zeugen müssen gehört sowie Aktenvermerke und Beweise wie Fotos und Mails im Prozess gewürdigt werden.

Mit seiner überraschenden Forderung an die Strafkammer, jetzt noch kein Urteil zu fällen, sondern weiter zu verhandeln, drohte Eimterbäumer also nicht nur Wulff, sondern auch Rosenow. Denn der Richter will nach eigener Aussage ein Urteil „mit Bestand” fällen, welches am besten gar keinen Grund für einen Revisionsantrag bietet. Sollte dies am Donnerstag aber wie erwartet auf Freispruch lauten, dürfte er sein Ziel ebenso verfehlen wie Wulff. Denn dann könnte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Revision ausgehen. (dpa/dtj)