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Panorama

Wurde Taner Ay ermordet?

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Der frühe Tod des Deutsch-Türken Taner Ay sorgte vor allem in türkischen Medien für Schlagzeilen. Sowohl regierungskritische als auch -nahe Medien betitelten den jungen Mann als Anführer der Rockergruppe „Osmanen Germania“. Endgültige Belege dafür liegen nicht vor. Die Familie Ay aus Solingen wehrt sich nun dagegen und stellt eine Belohnung von einer Million Euro in Aussicht. Dafür reiche es zu beweisen, dass ihr verstorbener Sohn tatsächlich Anführer der besagten Gruppierung gewesen sei.

Der türkische Exil-Journalist Erk Acarer veröffentlichte vor wenigen Wochen ein Video über den im Alter von 27 Jahren verstorbenen Solinger Taner Ay. Darin behauptet Acarer, dass es kein Unfall gewesen und Ay keines natürlichen Todes gestorben sei. Doch auch der streitlustige Journalist fügt seinen Ausführungen keine Belege bei.

Taner Ay mit Osmanen Germania in Verbindung

In diversen Medien taucht der Name Taner Ay in Zusammenhang mit den in Deutschland verbotenen Osmanen Germania auf. Diese Verbindung ist nicht von der Hand zu weisen. Es existieren schließlich Fotos von Ay, wie er zu Lebzeiten eine Kutte der Osmanen Germania trägt, damit posiert und auf einer Veranstaltung der Union Internationaler Demokraten e.V. (UID, ehemals UETD) Smalltalk mit Anführern der Osmanen Germania führt.

Es wurde viel über den jungen Geschäftsmann gesprochen und geschrieben. Doch nicht darüber, dass es eine Veranstaltung der durch den Verfassungsschutz beobachteten UID war. Auch nicht darüber, dass auch Anführer der Osmanen Germania als Gäste der UID an jenem Tag anwesend waren. Anders als auf der Straße trugen besagte Männer einen Anzug. Genauso wie der CDU-Politiker Oliver Wittke, der ebenfalls zugegen war.

Osmanen Germania-Anführer Bağcı und Taner Ay (hinten) sowie der CDU-Politiker Oliver Wittke (vorne rechts) auf einer Veranstaltung der UID. Quelle: Facebook

Belege für eine Anführer-Rolle bei Osmanen Germania fehlen

Doch echte Belege über die mögliche Anführerschaft von Taner Ay bei den Osmanen Germania konnte bislang noch niemand liefern. Ausgehend von der negativen Berichterstattung über ihren verstorbenen Sohn hat seine Familie nach der Beerdigung in der Türkei via Social Media verkündet, der- oder demjenigen eine Million Euro auszuzahlen, die oder der unter anderem eine entsprechende Position ihres Sohnes bei den Osmanen Germania beweist. Auch würden sie denjenigen entlohnen, der ein rechtskräftiges Urteil über ihren Sohn ans Licht bringen könne. Erk Acarer glaubt allerdings weiterhin, dass es ein offenes Geheimnis ist und es keinerlei Belegen bedarf. Die Fotos von Ay auf Social Media würden ihm ausreichen. Doch journalistische Präzision erfordert eine andere Qualität. In Deutschland jedenfalls reichen Indizien hierfür nicht.

Erklärung zum Tod von Taner Ay durch seine Familie.
Quelle: Instagram @taneray

DTJ-Online verfolgt Fall Taner Ay von Anfang an

Noch bevor der Name Taner Ay in den türkischen Medien derart kursierte, hatte das Deutsch-Türkische Journal bereits über ihn berichtet; auch über die Veröffentlichungen eines verurteilen Mitglieds der Osmanen Germania, der Ay in Schutz nehmen wollte. Der Mit-Gründer der Osmanen Germania, Selçuk Can Şahin, veröffentlichte vergangenes Jahr zwei Selfie-Videos. Eines auf Deutsch, ein anderes auf Türkisch. Beide Beiträge tauchten zwischenzeitlich auch auf dem Instagram-Profil von Ay auf, bevor sie wieder gelöscht wurden. Auf Deutsch beteuerte der kriminelle Rocker, die Familie Ay zu kennen und mit Taner Ay nichts zu tun zu haben. Die Berichterstattung über Ay in Verbindung mit den Osmanen Germania sei schlicht falsch. Auf Türkisch hielt sich Şahin kürzer, räumte aber ein, Taner Ay auf der Veranstaltung der UID in Köln begegnet zu sein.

Familie Ay spricht von einem Mordanschlag

Nun meldete sich Vater Çetin Ay in einem offenen Brief zu Wort. Darin heißt es unter anderem, dass die Familie 2017 von einem türkischen Minister kontaktiert worden sei. Der Name des betroffenen Ministers wird nicht preisgegeben. Es könnte sich um den ehemaligen AKP-Minister Mehdi Eker oder den aktuellen türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu handeln. Mit Eker wurden Çetin und Taner Ay mit einigen Funktionären der UID in Rotterdam abgelichtet.

Taner Ay (Mitte, blauer Anzug), Vater Çetin Ay (3. von links), ehemaliger UETD-Vorsitzender und heutiger AKP-Abgeordneter Zafer Sırakaya (links), Mehdi Eker (neben Taner Ay, 3. von rechts) und Bülent Güven (ganz rechts). Quelle: Instagram

Mevlüt Çavuşoğlu hingegen hatte die Familie in Solingen persönlich besucht und sich mit dem Verstorbenen ablichten lassen, etwa beim Golfen. Schließlich sei es mit „einem Minister“ zum Treffen gekommen, an dem Vater Çetin mit seinem Sohn Taner teilgenommen habe. Hintergrund sei gewesen, dass der damalige türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım in Deutschland auftreten wollte. Dies hätten die Behörden hier verhindern wollen. Erst durch den Einfluss der Familie aus Solingen sei dieser Auftritt dann doch möglich geworden. „Sie haben uns um Hilfe gebeten“, heißt es im Brief.

Um der Türkei zu dienen, sei man dieser Bitte nachgekommen. Dies habe sie in den Fokus extremistischer Gruppierungen gerückt. Im Zuge dieses Einsatzes sei es gefährlich geworden. Letztlich sei ihr Sohn einem Mordanschlag zum Opfer gefallen, so die Familie. „Taner Ay ist als Märtyrer zu Gott gegangen. Sowohl das türkische Volk als auch die deutsche Öffentlichkeit kennen die Täter.“ Wer das sein soll, bleibt allerdings unklar.

„Fotos auf Social Media für einen jungen Mann normal“

Taner Ay präsentierte sich via Social Media gerne als reicher und mächtiger Geschäftsmann. Wichtig waren ihm neben luxuriösen Posen vor allem Selfies mit hochrangigen Politikern. „Um die Macht des deutschen und türkischen Staates zu demonstrieren“, heißt es in dem besagten Brief. Diese Fotos seien mit reiner Absicht und keinen schlechten Gedanken entstanden. Es seien vielmehr Postings, die auf die Vaterlandsliebe Ays hindeuteten. Fotos mit Persönlichkeiten wie dem türkischen Innenminister Süleyman Soylu, dem türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan oder dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu seien „für einen jungen Menschen mit Interesse an den sozialen Medien völlig normal“.

Dass diese Fotos von diversen Medien nun für die Rekonstruktion eines möglichen Netzwerkes ins Feld geführt werden, sei indes böswillig. Ob auch die Fotos von Taner Ay mit Persönlichkeiten aus dem Umfeld der türkischen Mafia als „völlig normal“ einzuordnen sind, wird in dem Schreiben nicht beantwortet.

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