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ZAMAN Chefredakteur: „Wir haben die Kurden und Aleviten nicht verstanden“

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Die Ablehnung der Venedig-Kommission wirft Fragen auf
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In der Türkei existieren sie nicht mehr. Die Rede ist von einstigen Großmedien. Der türkische Staat hat unter der Führung der AKP eine harte Gangart gegen Journalisten und Medienhäuser entwickelt. Zugespitzt hat sich die Lage besonders nach den Korruptionsermittlungen Ende 2013. Das berühmteste Beispiel liefert der einstige Auflagenrekordhalter der Türkei ZAMAN. Das Medium galt als das Verlautbarungsmedium der Hizmet, besser bekannt als die Gülen-Bewegung. Der Zeitung wurde lange Jahre vorgeworfen, zu AKP-freundlich zu sein. In der Tat war der einstige Ministerpräsident Erdogan ein gerne gesehenes Gesicht in den Schlagzeilen dieser Zeitung. Das war nicht unser einziger Fehler, gesteht der ehemalige Chefredakteur der ZAMAN heute ein. In einem Interview mit der Journalistin Evrim Kurdoğlu von Arti Gercek zeigt sich Abdülhamit Bilici selbstkritisch. 
 

Der Druck in der Türkei erweckt Aufmerksamkeit. Auch die Medien bekommen diesen Druck zu spüren. Wie beurteilen Sie das? 
 
Die Pressefreiheit war schon immer ein Problem in der Türkei. Viele haben aufgrund ihres Berufes sogar ihr Leben dafür riskiert. In früheren Zeiten verursachte diesen Druck der sogenannte tiefe Staat, der auch auf die Politiker Druck ausübte. Jetzt wird dieser Druck zum erstmal durch eine gewählte Regierung ausgeübt. Erdogan wurde wegen einem Gedicht zu Haft verurteilt, jetzt regiert er ein Land, in dem die meisten Journalisten auf der Welt hinter Gittern sitzen müssen. Unter anderem hat die AKP in der ersten Phase nach der Gründung versprochen, in der Türkei EU konforme demokratische Standards einzuführen. Jetzt sind wir an ein Punkt gelangt, an dem die Türkei sogar weit hinter China und Iran aufgelistet wird, was die Zahl der verhafteten Journalisten anbelangt. Obwohl die Wahrheit in aller Deutlichkeit auf der Hand liegt, sagte Erdogan neuerdings in einer Rede, dass die Türkei eine freiere Presse habe als der Westen. Der stellvertretender Vizepräsident Bekir Bozdağ geht sogar noch weiter und sagt, das kein Journalist in Haft sitze.  Das ist offenkundig gelogen. 
 
Die Zeitung ZAMAN – sie waren der letzte echte Chefredakteur, wurde am 4 März durch Zwangsvollstreckung beschlagnahmt und nach dem 15. Juli geschlossen. Was können Sie heute sagen, wenn an diese Tage zurückdenken? 
 
Der Druck auf die Zaman Zeitung begann schon 3 Jahre vor dem gescheiterten Putschversuch. Erdogan hat bei all seinen öffentlichen Reden gefordert, das man unsere Zeitung boykottieren und nicht mehr lesen soll. Nach einer Weile ließ er sich mit unseren Journalisten auf polemische Diskussionen ein. Um nicht mehr mit Journalisten unserer Zeitung in Berührung zu kommen, wurden Akkreditierungen nicht mehr ausgestellt. Wir durften an keiner öffentlichen Konferenz mehr teilnehmen. Das haben uns bisher nur die Offiziere des Putsches vom 28. Februar angetan. Nach einer Weile begann der Druck auf Unternehmen, die bei uns Werbungen schalteten. Steuerfahnder waren ständig in unseren Räumlichkeiten, um Fehler zu suchen. Unseren Journalisten wurden unmoralische Angebote unterbreitet, damit sie unsere Zeitung verlassen. Unsere Presseausweise wurden für ungültig erklärt.  All das war nicht genug, so haben sie am 4. März unser Medienkonzern, das aus der englischsprachigen Publikation Today´s Zaman, der Nachrichtenagentur Cihan, der Zeitschrift Aksiyon und dem religiösen Sender Irmak TV bestand, zwangsvollstrecken lassen. Auch das scheint nicht genug gewesen zu sein, also hat man nach dem verbrecherischen und feigen Putsch am 15. Juli das Medienunternehmen komplett geschlossen. Jetzt sind unsere Journalisten, Redakteure und Mitarbeiter im Gefängnis. Ich bin 10-15 Tage nach der Schließung ins Ausland gegangen, bin also auf der Flucht. Natürlich waren wir nicht die einzigen, die zur Zielscheibe erklärt wurden. Wenn man die Identität der Journalisten genauer betrachtet, wird man feststellen, das kurdische Journalisten, liberale Journalisten wie Ahmet Altan, konservative Journalisten wie Ali Bulac oder linksgerichtete Journalisten wie Murat Sabuncu inhaftiert sind. Auch aus der Bewegung sind sehr viele inhaftiert. Alle sind mit derselben Anschuldigung, die Journalisten seien zu kritisch gegenüber der Regierung und Erdogan inhaftiert. 
 

„Die Schließung wurde wie ein Kampf zwischen der AKP und der Bewegung gesehen“

 
Während der Schließung Ihrer Zeitung, haben sie sowohl von Ihren Lesern, als auch von unterschiedlichen Medienunternehmen Unterstützung erhalten. Wie würden Sie diesen Prozess beurteilen? 
 
Ich habe vor 3 Jahren geschrieben, dass es eines Tages soweit kommen würde. Auch andere haben darüber geschrieben. Damals haben jedoch viele Kollegen, die Situation als einen Kampf zwischen AKP und der Bewegung bewertet. Wir haben jedoch gesagt, dass das Land sich von Tag zu Tag mehr und mehr von der Demokratie entfernt sowie das eines Tages jeder dran kommen wird. Leider hatten wir damit recht. Viele meiner Kollegen, mit denen ich damals gesprochen habe, haben entweder ihre Reputation verloren, wurden entlassen oder sitzen heute leider sogar in Haft. Es ist richtig, dass die Journalisten Vereinigung (Türk Gazeteciler Cemiyeti) oder der Presserat (Türk Basin Konseyi) uns unterstützt hat. Aber diese Unterstützung hat nicht ausgereicht, um einen solchen Tsunami abzuwenden, weil wir als Medien nicht gemeinsam gehandelt haben. Ohne die Unterstützung von Opposition, NGO´s, der Geschäftswelt, der Universitäten und der Justiz, ist eine Demokratie und Medienfreiheit, allein mit dem einzelnen Widerstand der Medien nicht möglich. Die Gesellschaft hat diese Sensibilität nicht gezeigt. Wie ein Journalist zu Recht festgestellt hat: „Hätte man bei der gewaltsamen Beschlagnahmung des Bugün TV durch die Polizei ausreichend Widerstand geleistet, so dass dies nicht möglich gewesen wäre, würde sich heute die Dogan- Gruppe zum Narren mache lassen und die Cumhuriyet Zeitung nicht so belangt werden können“.
 

„Wir hätten mit der Regierung von AKP die journalistische Distanz wahren können.“ 

 
Haben Sie sich bei der fehlenden Unterstützung gefragt, ob auch Fehler durch Ihre Zeitung gemacht wurden? Wäre heute alles anders gelaufen, wenn Sie eine andere Berichterstattung an den Tag gelegt hätten, als auf kurdische Journalisten Druck ausgeübt wurde, die im Rahmen des KCK Prozesses durch fehlerhafte und unwahre Nachrichten beschuldigt und einige deshalb inhaftiert wurden? 
 
Als Journalisten inhaftiert wurden, hätten wir wiedersprechen müssen. Weil wir das nicht machen konnten, haben wir einen großen Fehler begangen. Diese Sünde lastet immer noch auf uns. Die Zaman Zeitung hat das Ziel gehabt eine Qualität zu erreichen, die über dem Durchschnitt der türkischen Bevölkerung liegt. Journalisten, wie Etyen Mahçupyan und Ali Bulaç, Selim Ileri und Ahmet T.Alkan, Şahin Alpay und Mümtazer Türköne schrieben frei nach ihrer Überzeugung in unserer Zeitung ZAMAN. Seit der Gründung im Jahre 1987 haben wir versucht uns darum zu bemühen, dass die Türkei eine vernünftige Demokratie erreicht und . Für dieses Ziel war aus unserer Sicht klar, dass die EU Mitgliedschaft ein wichtiger Schritt ist. Wir haben in die Berichtserstattung investiert. Wir haben, was die universellen Werte eines guten Journalismus anbelangt, auch definitiv Fehler gemacht. Wir hätten im Verhältnis zu AKP-Regierung die journalistische Distanz wahren müssen. Wir hätten die Verteidigungen in den Ergenekon und KCK Prozessen auch zu Wort kommen lassen sollen. Wir hätten mit den hauptsächlich in der Türkei diskriminierten Kurden und Aleviten emphatischer sein können. 
 
Vor allem Ihre Medienberichtserstattung hinsichtlich der Kurden wurde oft kritisiert. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um und diskutieren Sie darüber? 
 
Ich verstehe es nicht, dass eine Bewegung wie Hizmet, die auf der ganzen Welt großen Wert auf den Dialog mit anderen Kulturen und Nationen legt, in der Türkei als kurdenfeindlich wahrgenommen wird oder dahingehend Berichte gemacht haben soll. Deshalb haben wir mit mir als Chefredakteur damit angefangen, eine kurdische Seite der ZAMAN herauszugeben. In unserer Lokalredaktion im kurdisch dominierten Diyarbakir hat unser Kollege und Herausgeber Aziz Istegün kurdische Nachrichten veröffentlicht. Wir haben hierzu positives Feedback erhalten. Wir waren die Ersten, die als türkische Zeitung sowas gemacht haben. Nachdem die Zeitung geschlossen wurde, ist leider auch dieses Projekt zum Stillstand gekommen. Mein Kollege Aziz Istegün sitzt heute in Haft. Darüber hinaus haben wir eine Serie veröffentlich, die die Probleme der alevitischen Gemeinde thematisiert hat. Ein weiteres Projekt, was es in der türkischen Medienlandschaft zum ersten mal gegeben hat. Wir haben eine Beilage zum Monat Muharrem aus der Sicht von Sunniten und Aleviten herausgebracht. Leider konnten all diese guten Absichten durch die Zensierung der Medienfreiheit in der Türkei nicht mehr weitergeführt werden. 
 
Sie ziehen Lehren aus verganenen Fehlern, reflektieren und setzen ihre journalistische Arbeit unter diesen Gesichtspunkten fort. Werden Sie auch weiterhin Medienarbeit betreiben und mit welcher Redaktionslinie?
 
Als türkische Medienangehörige denke ich, dass wir uns alle mit unseren Fehlern auseinandersetzen müssen. Ich denke, dass wir uns in Selbstkritik üben müssen. Niemand braucht den Anderen in irgendeiner weise dahingehend zu belehren. Ob auf der rechten oder linken Seite, wir wissen, dass beide Seiten keine reine Weste haben. Bei dem Putsch am 28 Februar 1997 wissen wir, wie die Hauptmedien sogar ihre eigenen Journalisten ein Memorandum aufgesetzt haben. Wir haben nicht vergessen, wie die Zeitung Hürriyet zum traurigen Ende von Hrant Dink und Ahmet Kaya beigetragen hat. Angefangen von Bugün, NTV über die Dogan Gruppe, bis zu den Pool-Medien, ist das Zeugnis der Medienlandschaft sehr schlecht. Die regierungsnahen Zeitungen, die die Religion benutzen und wie die Trüffelgänse mit korruptem Geld gestopft werden, sind zu einer Lügen-, Verleumdungs- und Verschwörungmaschinerie entwickelt. Niveaulosigkeit und Verschwörungstheorien sind keine Grenzen mehr gesetzt. So kann es mit der türkischen Medienlandschaft nicht mehr weiter gehen. Es wird der Tag kommen, an dem das alles vorbei sein wird. Dann sollte man sich die Frage stellen, wie man Zeitungen und Zeitschriften herausgeben kann, wie Guardian, Le Monde, New York Times, die qualitativ gute Arbeit leisten und ethisch handeln. Wenn ich die Zeitung Zaman kritisiere nehme ich nicht die türkischen Medien als Beispiel, sondern namhafte Medienunternehmen auf der ganzen Welt, die weltweit respektiert werden. Es macht kein Unterschied ob wir links, rechts, laizistisch, kurdisch, nationalistisch orientiert sind. Wir sollten alle die universell bindenden und verbindenden Werte des Journalismus von Grund auf erlernen und ins Leben rufen. 
 
Die Türkei hat ein Referendum hinter sich. Ob mit „Ja“ oder mit „Nein“ gestimmt wurde war zweitrangig. Schon bevor es dazu kam, gab es ein angespanntes Klima im Land, wie bewerten Sie die Situation als Journalist? 
 
Ich bin dafür bekannt, ein positiver Mensch zu sein. Leider passieren in der letzten Zeit so viele Dinge, dass es auch mir schwer fällt, positiv zu bleiben. Auf der einen Seite sehen wir, dass sich das Land von Tag zu Tag in einen Polizeistaat, ähnlich wie einige Länder im Nahen Osten entwickelt und die Bevölkerung darin kein Problem sieht, was mich persönlich sehr nachdenklich stimmt. Werden wir in drei bis fünf Jahren zu einem Land verkommen, in dem ein Mann alles bestimmt, ähnlich wie in einigen Ländern des Nahen Osten, oder werden wir zu einer Demokratie, das die EU Standards einhält? Aus diesem Blickwinkel war das Referendum wichtig. Es gibt im Volk, trotz der Umstände immer noch einen Willen zum Wiederstand. Das macht Hoffnung. Am 7 Juni hatte das Volk gezeigt, das es demokratisch sensibel ist. Das Engagement bei den Wahlen hat dies gezeigt. Leider hat die Opposition diese Chance vermasselt.
 
Wird es jetzt eine unterschiedliche Situation geben? Wie in Chile, wo durch Druck ein Referendumsergebnis erzielt wurde. Kann unter diesen Umständen eine freiheitliche Abstimmung gemacht werden?
 
Wir als Cihan Nachrichtenagentur haben während den Wahlen für die Aufsicht der Abstimmung unter demokratisch-rechtlichen Bedingungen gesorgt. Die Zerschlagung der Medien hat auch dem ein Ende bereitet. Jetzt gibt es nur noch die Anadolu Agentur. Die Schwierigkeit dabei können sie sich selbst ausmahlen. Nichts desto trotz müssen wir unsere Hoffnung wahren und für die Demokratie kämpfen. Eine Hilfe von außen wird es in diesem Zusammenhang nicht geben, da sowohl die USA, als auch Europa ab und an Erdogan kritisieren und zugleich ihre Interessen weiter vorantreiben. Die türkische Gesellschaft, mit all ihren Unterschieden und Farben, muss sich selbst gegen eine Entwicklung in Richtung Nahost Diktatur stellen, denn wenn wir in diese Liga abrutschen, wird es uns nicht anders ergehen als Irak und Syrien. Deren desaströse Situation liegt auf der Hand. Meine größte Furcht ist, dass sich die Türkei, in die Jahre von 1925 zurück versetzt. Damals hatte im Land das „Gesetz zur Sicherung der öffentlichen Ruhe“ (türk. Takrir-i Sükún Kanunu) Geltung und heute würde es sogar von der Mehrheit der Gesellschaft mitgetragen und islamistische, nationalistische Motive frei genutzt werden, um einen autoritären Parteienstaat zu errichten. Die Türkei hat sich von den Zuständen von 1925 erst ab 1950 etwas erholen können. Die Verwandlung der Autorität in ein System und die Nutzung dieses als Richtschwert des Staates, würde sich für alle in der Türkei als Horror entpuppen. Ja sogar für diejenigen, die heute so ein System befürworten und sich als Islamisten bezeichnen. Ein innerer Krieg ist ein weiteres Horrorszenario. Möge Gott unser Volk davor bewahren. Möge jeder die Realität sehen und sich gegenseitig mit Respekt behandeln und demokratische Werte verinnerlichen, dafür bete ich. 
 

„Wir haben uns in der AKP getäuscht.“

 
Sie sagen, dass sie „die journalistische Distanz zu AKP hätten bewahrt werden sollen.“ Ist das in Bezug auf die AKP auch eine Selbstkritik?  Wo sehen sie die Fehler? 
 
In Bezug auf die AKP hatte auch ich, wie die meisten anderen auch, am Anfang so meine Zweifel. Sie kamen aus einer politisch islamischen Ecke und wir standen eher einer liberalen Mitte nahe, genau wie der ehemalige Staatspräsident Turgut Özal. Erdogan hat jedoch gesagt, dass er sich verändert habe und mehr auf die Linie von Menderes-Özal gekommen sei. Als er schließlich politische Maßnahmen ergriff, die die  EU Mitgliedschaft der Türkei vorantreiben sollten, haben wir ihm Glauben geschenkt. Wir haben ihn unterstützt, weil er versprach demokratische Werte in der Türkei auf EU Standards bringen zu wollen. Später hat Erdogan jedoch sogar seine Parteifreunde Gül und Arınç ausgeschlossen und hat einen Weg des Ein-Mann-Regimes eingeschlagen. Wir haben uns, wie andere auch, die überall auf der Welt gesagt haben, das Erdogan ein „aufrichtiger und vertrauenswürdiger Demokrat“ ist, bitter geirrt. 
 

Was wäre, wenn Sie heute mit der AKP keine Auseinandersetzung hätten, wie wäre dann ihre Einstellung?

 
Jeder Journalist unserer Zeitung, der gesehen hat, dass sich die AKP vom demokratischen Weg entfernt hat, hat die AKP kritisiert. Today´s Zaman hat sogar 5-6 Jahre vor allen anderen damit angefangen, die autoritäre Entwicklung und die Entfernung von der EU zu kritisieren. Die kritische Berichtserstattung der Zaman hat später angefangen. Das ist auch einer der Punkte, die ich als Fehler aufgezählt habe, d. h. die journalistische Distanz, die wir nicht beachtet haben. Wir hätten uns sachlich verhalten müssen, ob wir nun mit oder gegen die Regierung gewesen waren. Der einzige Grund für diese Nähe war – so meine Einschätzung,  der Vernichtungswunsch des tiefen Staates gegenüber der Gülen Bewegung und der AKP. In diesem Zusammenhang möchte ich an das Beschluss-Dokument des Nationalen Sicherheitsrat (türk. Milli Güvenlik Kurulu) erinnern, das die Taraf Zeitung veröffentlicht hatte, wo es explizit darum geht, das die Gülen Bewegung zerschlagen werden soll. Der Überlebensinstinkt hat beide Seiten zusammengebracht. 
 

„Die Chance den Ergenekon-Prozess zu Ende zu führen, wurde aufgrund von Korruptionen der Regierung verpasst.“

 
Wie würden Sie Ihre Haltung in der Zeit beschreiben, als die Ergenekon-Prozesse stattgefunden haben? 
 
Ich habe das Vorgehen im Ergenekon-Prozess unterstützt, weil ich weiß, dass es sich hier um eine Gruppe von Leuten handelte, die in der Vergangenheit geputscht haben, in den Gefängnissen von Diyabakir und Metris für bestialische Folterungen verantwortlich sind und Menschen, wie Journalisten und Wissenschaftler umbringen ließen. Am Anfang waren sich hier sowohl die AKP, Ahmet Altan und die ZAMAN einig. In der EU wurden diese Prozesse als Chance für die Demokratisierung der Türkei betrachtet (Lesen Sie hierzu den Bericht der Bundeszentrale für politische Bildung). In den Berichten über die Türkei stehen genau diese Sätze drin. Diese geschichtliche Gelegenheit, wurde aufgrund der Korruptionsskandale der AKP Regierung und der Kooperation mit den Ergenekon Angeklagten verpasst. 
 

„Erdogan hat die offenen Rechnungen der Bewegung angelastet.“

 
In der Türkei wurde ein Friedensprozess gestartet. Mit der Beendigung dieses Prozesses sind unterschiedliche Unterstelllungen gemacht worden. Für einige ist der Prozess durch den Anschlag in Suruc, für andere wegen der Enthüllung der Gespräche in Oslo beendet worden. Für die Beendigung der Gespräche in Oslo wurde die Gülen Bewegung verantwortlich gemacht. Sind diese Behauptungen richtig? Hat die Gülen Bewegung nach Ihrer Ansicht schuld daran, das die Verhandlungen abgebrochen wurden? 
 
Wie es heute die Entscheidung von Erdogan ist, das HDP Abgeordnete eingesperrt werden, war es auch Gestern die Entscheidung von Erdogan, das im Rahmen des KHK Prozesses Menschen verfolgt und eingesperrt wurden. Genauso, wie er zu Beginn der Ergenekon-Prozesse behauptet hat, das er der Verteidiger dieser Anklage ist und später die ganze Rechnung der Gülen Bewegung in die Schuhe geschoben hat, hat er dies auch bei dem Prozess gegen die PKK/KCK gemacht. Wenn die Medien, wie Zaman und STV (Samanyolu Fernsehsender) sachlicher gewesen wären und über die Operationen berichtet hätten, wäre das nicht möglich gewesen. 
Dass die Verhandlungen in Oslo nicht durch die Gülen Bewegung enthüllt worden sind, weiß mittlerweile jeder. Sogar der AKP-nahe Journalist Abdülkadir Selvi hat darüber geschrieben, dass diese Behauptung nicht richtig ist.
 

„Wenn ich die Unterdrückung über die Kurden erzähle, fühle ich mich selbst wie ein Kurde“

 
Auch über die Einstellung der Gülen Bewegung zum Friedensprozess wurde viel gesprochen. Wie bewerten Sie die Beendigung des Prozesses? 
 
Ich habe als Journalist den Friedensprozess unterstützt. Ich habe damals die Methode, wie der Prozess von statten ging kritisiert. Leider haben wir auch in diesem Punkt Recht behalten, da es kein Friedensprozess mehr gibt. Der Vorsitzende der Journalisten und Autoren Stiftung Herr Cemal Uşşak, der mittlerweile verstorben ist, war ein Mitglied der sogenannten „Weißen“, die den Friedensprozess vorantreiben sollten. Der Ehrenvorsitzende der Stiftung, Herr Fethullah Gülen, betonte mehrmals, das Frieden Segen ist und der Segen im Frieden sei und drückte damit seine positive Meinung zum Prozess aus. Er ging sogar soweit zu sagen, das man, wenn es  für den Frieden sein muss, „Hände und Füße küssen“ (türkische Redewendung, als Ausdruck der bedingungslosen Vorausleistung) könne. In der Zeitung Rudaw sagte er in einem Interview, dass die Grundrechte der Kurden nicht verhandelbar sind und das die Türken die Kurden überall auf der Welt verteidigen müssen. Leider sind diese Aussagen durch die AKP und durch PKK-Angehörige in einer manipulativen Berichtserstattung falsch dargestellt und verdreht worden. Es ist falsch zu behaupten, dass die Gülen Bewegung gegen Kurden sei. Wenn ich von der Unterdrückung der Kurden erzähle, fühle ich mich selbst wie ein Kurde. 
 
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