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Kolumnen

Der Tag, an dem Sarrazin entschied, ein neues Buch zu schreiben

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Ein nur allzu bekannter „Spiegel“-Journalist nimmt es mit der sinngemäßen Wiedergabe von Zitaten sehr salopp. Die Folge davon sind Entgegnungen in Buchform, etwa von Prof. Bultmann. Im Worst Case aber auch von Thilo Sarrazin. (Foto: reuters)

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Wir hatten ihn gar nicht vermisst, trotzdem ist er wieder da! Thilo Sarrazin, Hobbygenetiker und selbsternanntes Sprachrohr der schweigenden Mehrheit des Volkes, tritt mit einem neuen Buch vor die deutsche Öffentlichkeit. Es heißt ‚Der neue Tugendterror‘ und ist sein drittes Buch nach ‚Deutschland schafft sich ab‘ vom August 2010 und ‚Europa braucht den Euro nicht‘ vom Mai 2012.

Sarrazin profiliert sich wieder als ein vermeintlich mutiger Wortführer, der scheinbar unangenehme Dinge anzusprechen wagt. Ob das Buch eine Rezension verdient, ist fragwürdig, denn so neu und unausgesprochen sind die Ansichten Sarrazins nicht. Dass seine Person keine Gelegenheit bekommen hätte, seine Weisheiten unter das Volk zu bringen, darf auch bezweifelt werden.

Denn die Pressekonferenz, bei der Sarrazin zugegen war und das neue Buch vorgestellt wurde, fand in den Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz statt – zeitgleich mit einer Regierungspressekonferenz. Bei der Sarrazin-Konferenz waren mindestens drei Mal so viele Journalisten da als bei der Regierungspressekonferenz. Ignoriert zu werden sieht anders aus!

SPIEGEL-Redakteur als Co-Verantwortlicher

Ein interessanter Aspekt seines Buches ist jedoch die Frage seines Zustandekommens. Glaubt man Sarrazin, so verdanken wir beziehungsweise verschuldet es Spiegel-Autor Maximilian Popp. Darüber äußert sich Sarrazin in der Einleitung gleich zu Beginn des Buches:

Am 10. September 2012 erscheint in „Der Spiegel“ ein Interview mit drei Jungen Persern, geführt von Maximilian Popp. Darin fragt der Spiegel-Redakteur unter anderem: „Trifft es Sie, wenn Politiker wie Thilo Sarrazin behaupten, Migranten seien faul und hätten ohnehin kein Interesse, dieses Land mitzugestalten?“. Er erhält daraufhin die Antwort:

„So etwas schmerzt mich, doch Sarrazins Thesen haben mich nicht überrascht. Aus ihnen spricht genau jener Rassismus, den wir jahrelang erfahren haben.“

Nun kommt Sarrazin persönlich ins Spiel. Er wendet sich an die Spiegel-Redaktion, sagt, diese Wiedergabe angeblicher Aussagen von ihm sei frei erfunden, sei „weder in mündlichen noch in schriftlichen Äußerungen von mir zu finden…“ und er verlangt eine Richtigstellung.

Nach einer Woche erhält er eine Antwort von Maximilian Popp. Diese behauptet, er hätte seine Aussagen pointiert zusammengefasst und hielte deshalb eine Richtigstellung für unangemessen. „An diesem Tag entschied ich mich, dieses Buch zu schreiben“, so Sarrazin.

Diese dritte Beglückung seitens Sarrazin verdanken wir also auch dem Spiegel und seinem Redakteur Popp.

Alter Wein in neuen Schläuchen und offenbar scheint auch der Provokationswert zurückzugehen: Das neue Sarrazin-Buch über den angeblichen „neuen Tugendterror“ lag wenige Tage vor Veröffentlichung lediglich auf Platz 36 der Amazon-Charts.

Nicht das erste ‚Buch‘ des SPIEGEL-Redakteurs

Was diese Geschichte interessanter macht: Sarrazins neues Buch ist nicht das einzige Werk, das der Spiegel-Redakteur sozusagen als Co-Verantwortlicher auf den Weg gebracht hat. Uns ist sein Name in bleibender Erinnerung, und zwar im Zusammenhang mit einer anderen Obsession seinerseits. Ein ähnlicher Fall ereignete sich im letzten bzw. vorletzten Jahr. Und dies ereignete sich so:

Wieder erscheint eine Geschichte des Redakteurs Maximilian Popp, und zwar an einem eher trüben Sommertag in der Ausgabe 32 des „Spiegel“ vom 6. August 2012. Darin geht es um Fethullah Gülen und um die angeblichen Machenschaften der Bewegung, die von ihm inspiriert ist. Der Spiegel-Redakteur verwendet darin eine Aussage Gülens vom Oktober 2011, in der dieser sich unter anderem über das Terror-Problem äußert.

Er spricht in Gebetform, gerichtet an Allah, von Versöhnung und fügt sinngemäß hinzu: „Sollten einige an Versöhnung nicht interessiert sein, so möge Gott sie zugrunde richten.“ Aus dieser Aussage macht der Spiegel-Redakteur einen Aufruf an das türkische Militär, die Kurden zu vernichten.

Dies ruft wiederum Prof. Christoph Bultmann auf den Plan, der den Spiegel auffordert, diese gefälschte Zitat-Wiedergabe zu korrigieren. Aber das Magazin sieht wiederum keinen Anlass, irgendeine Korrektur vorzunehmen. Er wendet sich dann an den Presserat, auch drei Anläufe zwischen Dezember 2012 und August 2013 bringen keinen Erfolg.

Gut gefälscht – aber falsch verhalten

Das Ergebnis ist das kleine Büchlein „Gut gefälscht. Besichtigung einer Zitatfälschung im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL“ (Ulenspiegel-Verlag, Erfurt 2013), wiederum mit Maximilian Popp als quasi Co-Verantwortlichem für das Werk.

Der Spiegel ist eine feste Größe im deutschen Journalismus. Er ist, gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung, ein Leitmedium im deutschen Journalismus, an dem sich viele andere orientieren. Er wurde auch mal als das Sturmgeschütz der deutschen Demokratie bezeichnet. Doch diese Zeiten sind lange her.

Vergegenwärtigt man sich die Mit-Verantwortung für das neue Sarrazin-Werk, so ist man versucht zu fragen, ob denn der Spiegel mittlerweile nicht manchmal als Sturmgeschütz gegen die Demokratie fungiert. Denn das Sarrazin-Werk ist beispielsweise geeignet, das Zusammenleben in der multikulturellen Gesellschaft der Bundesrepublik zu gefährden und damit der Demokratie in diesem Land einen Bärendienst zu erweisen.