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Politik

Zypern: Parlament verschiebt Entscheidung über Rettungspaket

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Nach monatelangem Ringen hatte die EU ein Hilfspaket für Südzypern geschnürt. Richtig glücklich war aber kaum jemand darüber. Die Belastung der Kleinsparer mit einer Zwangsabgabe löst Entrüstung aus. Das Parlament in Nikosia vertagt sich. (Foto: rtr)

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Zypern: Parlament verschiebt Entscheidung über Rettungspaket
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Nikosia – Es sollte ein Schicksalstag für Südzypern werden: Das Parlament des Euro-Krisenlandes wollte am heutigen Montagabend über das Rettungspaket mit einer umstrittenen Zwangsabgabe auf Bankeinlagen abstimmen. Eine Mehrheit war von vornherein unsicher. Nun hat das Parlament die Abstimmung auf Dienstag verschoben. Die Regierung braucht Insidern zufolge Zeit zum Nachverhandeln.

Mit dem milliardenschweren Hilfspaket, das von der Eurogruppe beschlossen wurde, sollte Nikosia vor der Staatspleite gerettet werden. Sollte das Rettungspaket nicht gebilligt werden, droht der kleinen Inselrepublik im Mittelmeer die Pleite. Weltweit reagierten die Finanzmärkte bereits mit kräftigen Verlusten.

Der zyprische Präsident Nikos Anastasiades unterrichtet seit Montagvormittag die Mitglieder des Parlamentes in Nikosia. Wie es aus Kreisen der Regierung hieß, will er klarstellen, dass die Zwangsabgabe auf Bankeinlagen eine „ungerechte, aber leider unabwendbare“ Bedingung für das zyprische Rettungsprogramm sei. Die Polizei sperrte das Parlament weiträumig ab. Einige Dutzend Demonstranten beschimpften die Politiker für die Zwangsabgabe auf Bankeinlagen.

Unterdessen kursierten in Nikosia Gerüchte, wonach die Regierung noch in letzter Minute einige Verbesserungen bei der Zwangsangabe durchzusetzen versuche. Offiziell wurde dies jedoch bislang nicht bestätigt. Wie das zyprische Fernsehen und auch das „Wall Street Journal“ erfuhren, soll demnach die Zwangsabgabe für Geldeinlagen bis 100.000 Euro von 6,75 auf 3 Prozent reduziert werden. Inhaber von Konten mit mehr als 500.000 Euro sollen im Gegenzug mit 15 Prozent und damit deutlich stärker belastet werden.

Rapider Abfluss von Geldeinlagen

Das Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, sagte in Berlin, Zypern könne die Bedingungen für die Beteiligung der Sparer ändern. Unter dem Strich müsse aber der Beitrag der Sparer in Höhe von insgesamt 5,8 Milliarden Euro gesichert sein. Der Bankensektor der Insel habe eine ganz andere Struktur, sagte Asmussen unter Hinweis etwa auf fehlende bestimmte Anleihegläubiger. Daher sei man schnell bei den Einlegern.

Hinter den Kulissen wird nach Informationen aus Regierungskreisen eine Verbesserung der Bedingungen für Kleinanleger ausgearbeitet.

Die Zwangsabgabe hatte große Entrüstung auf Zypern ausgelöst. Schon in den vergangenen zwei Monaten waren die Geldeinlagen von 70 Milliarden auf 60 Milliarden geschrumpft, weil viele Geldanleger das Problem „gerochen“ hatten, hieß es aus Kreisen der Zentralbank. Um einem massenhaften Ansturm auf die Konten zuvorzukommen, legte die Zentralbank Südzyperns das gesamte Bankensystem quasi lahm. Am Montag sind die Banken wegen eines Feiertages ohnehin geschlossen. Auch am Dienstag sollen die Banken voraussichtlich geschlossen bleiben, wie das zyprische Fernsehen unter Berufung auf Kreise des Finanzministeriums berichtete.

Das zyprische Parlament soll nun erst am Dienstag über das umstrittene Gesetz zur Zwangsabgabe auf Bankeinlagen abstimmen. Dies teilte der Vorsitzende einer der beiden regierenden Koalitionsparteien, Marios Karogian, am Montag im zyprischen Fernsehen mit. Parlamentspräsident Giannakis Omirou bestätigte: „Das Repräsentantenhaus wird morgen um 18.00 Uhr zusammenkommen. Der Grund: Es gibt einige Änderungen im Gesetzesentwurf, die jetzt erörtert und erklärt werden müssen.“ Einzelheiten nannte er nicht.

Mehrheit auch nach Nachverhandlungen nicht sicher

Wie die Nachrichtenagentur dpa aus parlamentarischen Kreisen erfuhr, gibt es zahlreiche Abgeordnete, die sich weigern, der Zwangsabgabe zuzustimmen. Karogian sprach von einer „wahllosen Konfiszierung“. Die Politik der Eurogruppe sei eine Erpressung und sei auch unmoralisch, meinten andere Abgeordnete. Die Stimmung war in Nikosia am Montag aufgebracht. Auch aus anderen EU-Ländern kam Kritik. Der Chef der dänischen Saxo-Bank, Lars Seier Christensen, etwa wertete die EU-Pläne als „Sozialismus in Reinkultur“.

Im Parlament von Nikosia droht im Übrigen ein Patt, da die beiden Mitte-Rechts-Parteien DISY und DIKO, die Anastasiades unterstützen, nur 28 von 56 Sitzen haben. (dtj/dpa)