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Politik

Aufruf zum Putsch? Ex-Admirale sorgen für großen Wirbel in der Türkei

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Ein Statement von pensionierten türkischen Admiralen sorgte am Sonntag für viel Wirbel.
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104 pensionierte Admirale haben in der Nacht auf Sonntag ein Statement veröffentlicht. Jetzt wird ihnen vorgeworfen, zum Putsch aufgerufen zu haben. Am Montagmorgen gab es bereits erste Festnahmen.

Türkische Behörden haben am Montagmorgen zehn pensionierte Admirale wegen einer umstrittenen Erklärung zum internationalen Schifffahrtsabkommen von Montreux festgenommen. Das gab die Oberstaatsanwaltschaft von Ankara in einer Pressemitteilung bekannt. Einen Tag zuvor hatten 104 pensionierte Admirale in einer Erklärung eine aktuelle Debatte um das Montreux-Abkommen kritisiert. Die Ex-Militärs, die für ihre laizistische Gesinnung bekannt sind, befürchten außerdem, dass eine religiöse Gruppierung die türkischen Streitkräfte infiltrieren könnte.

Anlass für die Erklärung war neben einem kürzlich in den sozialen Medien kursierendem Foto, auf dem ein Mann zu sehen war, der über seiner Militäruniform ein religiöses Gewand trug, auch eine Aussage des Präsidenten der türkischen Generalversammlung TBMM, Mustafa Şentop. In einem TV-Interview hatte Şentop die Frage, ob der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan das Montreux-Abkommen widerrufen könne, mit folgenden Worten beantwortet: „Technisch gesehen kann er das.“ Die Ex-Militärs sehen das Abkommen als einen Grundpfeiler für die Souveränität des Landes.

Statement löst politisches Beben aus

Die Erklärung der Admirale sorgte am Sonntag für ein politisches Beben in der Türkei. Schon am frühen Morgen äußerten sich hochrangige Politiker:innen der regierenden AKP kritisch, darunter auch Innenminister Süleyman Soylu. Auf Twitter kritisierte er die Erklärung und die 104 Unterzeichner. Das Statement sei eine große Respektlosigkeit gegenüber der türkischen Bevölkerung.

Auf einer Pressekonferenz kam der Innenminister später noch einmal auf die Erklärung zu sprechen: „Sie sollen unsere Geduld nicht ausreizen.“ Das Land habe noch viel vor und auf diesem Weg würden „solche Augenschleime immer wieder entstehen“, sagte Soylu. Das sei eine alte Krankheit, die immer wieder aufkeime: „Unsere Aufgabe ist es, diese Schleime zu reinigen.“ Einige türkische Militärs solidarisierten sich mit Soylu und retweeteten ihn.

Anspielung auf Putsch?

Auch Mustafa Şentop, der mit seiner Aussage zum Montreux-Abkommen den Stein ins Rollen gebracht hatte, verurteilte die Admirale und warf den Unterzeichnern sogar vor, auf einen Putsch angespielt zu haben.

MHP-Chef will Renten der Admirale streichen

Andere AKP-Politiker sprachen ebenfalls von einer Anspielung auf einen Putschversuch. Wie ernst die AKP das Thema nimmt, wird anhand der Aussage eines AKP-Sprechers auf „NTV“ deutlich. Man habe eine für Donnerstag geplante Parteisitzung mit Parteichef Recep Tayyip Erdoğan auf den heutigen Montag vorgezogen.

Devlet Bahçeli, Chef der ultranationalistischen Partei MHP, forderte sofortige Konsequenzen. Die Dienstgrade der unterzeichnenden Admirale gehörten aberkannt. Sie hätten mitten in der Nacht ein Statement veröffentlicht, das einem Memorandum ähnele. Zudem sprach er sich dafür aus, die Pensionsgelder, -rechte und -ansprüche der 104 Unterzeichner zu streichen.

Opposition uneinig

Juristisch betrachtet folgten schon am Sonntagmorgen erste konkrete Schritte. Die Oberstaatsanwaltschaft Ankara nahm Ermittlungen wegen der Veröffentlichung auf. Am Montag gab es dann die ersten Festnahmen.

Die Opposition stellte sich größtenteils auf die Seite der Admirale. Engin Özkoç, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der kemalistischen CHP, sieht das Statement durch die Meinungsfreiheit abgedeckt und solidarisierte sich mit den Admiralen. Es sei ein beschämender Tag für die Türkei.

Die nationalistische IYI-Parti scheint hingegen unentschlossen zu sein. Während der IYI Parti-Politiker Aytun Çıray sich als ehemaliger Militärangehöriger hinter die Admirale stellte, bezeichnete seine Parteichefin Meral Akşener die Erklärung als „dummes Geschwätz“.

Auch der ehemalige Ministerpräsident und aktuelle Vorsitzende der Gelecek-Partei, Ahmet Davutoğlu, kritisierte die Admirale und erkannte eine böse Absicht.

Die Admirale selbst weisen die Vorwürfe, man habe zum Putsch aufgerufen oder darauf angespielt, zurück. Man wolle die Türkei schützen, so Cem Gürdeniz in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der Zeitung Cumhuriyet.

Was wird im Montreux-Abkommen geregelt?

Das Montreux-Abkommen wurde zwischen den beiden Weltkriegen geschlossen, um eine Lösung für den Schiffsverkehr auf dem Marmarameer, das das Schwarze mit dem Ägäischen Meer verbindet, zu finden. Dieses internationale Abkommen, das 1936 im schweizerischen Montreux neben der Türkei auch von mehreren anderen Ländern wie England, Frankreich, der Sowjetunion, Jugoslawien und Griechenland unterzeichnet wurde, regelt seitdem den Schiffsverkehr durch die beiden Meerengen des Marmarameeres, den Bosporus und die Dardanellen.

Zwar wurde der Vertrag für eine Dauer von 20 Jahren geschlossen, doch der freie und unentgeltliche Transitverkehr durch die Meerengen sollte für immer gelten. Als Schifffahrtsstraße können seitdem das Marmarameer, der Bosporus und die Dardanellen von Handelsschiffen aller Staaten frei und gebührenfrei genutzt werden.

Die Dardanellen, das Marmarameer und der Bosporus. Quelle: Wikimedia Commons

Für viele Türken war dieses Abkommen damals ein großer Sieg und spielt nach wie vor eine große Rolle für die Souveränität der Republik. Schließlich erlangte die Türkei durch das Abkommen die im Ersten Weltkrieg verloren gegangene Kontrolle über die Meerengen. So konnten diese Routen nicht mehr von Kriegsschiffen passiert werden.

Doch die Thematik sorgt auch immer wieder für Diskussionen im Land. Vor allem deshalb, weil die Türkei durch den Vertrag keine Einnahmen durch den internationalen Schiffsverkehr erzielen kann. Außerdem existieren einige der unterzeichnenden Länder nicht mehr. Das Abkommen wurde in den letzten Jahren auch immer wieder im Zuge der Debatten um den „Kanal Istanbul“ thematisiert. Mit der alternativen und künstlich geschaffenen Wasserstraße zum Bosporus soll die natürliche, durch das Marmarameer führende Wasserstraße des Welthandels entlastet werden. Kritiker befürchten, dass das Projekt das Montreux-Abkommen unterwandern könnte.

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