Bildung & Forschung
Avicenna: Erstes Begabtenförderungswerk für Muslime
Das Bundesbildungsministerium unterstützt in Deutschland bislang zwölf Begabtenförderungswerke. Nun gibt es mit „Avicenna“ das erste für Muslime. Geleitet wird die Einrichtung vom Islamwissenschaftler Bülent Uçar. (Foto: dpa)
Am Dienstag wurde in Berlin mit dem Projekt „Avicenna“ das erste Begabtenförderungswerk für Muslime vorgestellt. Es ist das dreizehnte dieser Art in Deutschland. Das Bundesbildungsministerium fördert über Projekte dieser Art besonders begabte Studenten und Nachwuchswissenschaftler. Die Einrichtungen selbst unterstützen die Geförderten mit Stipendien und dem Zugang zu einem eigenen Netzwerk.
Vorsitzender des „Avicenna-Studentenwerks“ ist der 36-jährige Osnabrücker Islamwissenschaftler Bülent Uçar (re.). „Wir haben mit diesem Projekt einen Nerv getroffen“, freut er sich in seinem Gespräch mit dem „domradio“. Integration führe über Bildung, betont Uçar bei der Vorstellung am Dienstag. Deswegen sei die Initiative ein „großer Schritt“ nach vorn. Und längst überfällig angesichts von bis zu 100.000 muslimischen Studenten an Deutschlands Universitäten.
Arbeiten wird das „Avicenna-Studienwerk“ nach den gleichen Regeln wie die zwölf anderen bereits bestehenden Werke: Die Anwärter müssen überdurchschnittlich begabt sein und Bereitschaft zu sozialem Engagement zeigen. Die Stipendien finanziert das Bundesbildungsministerium, die Verwaltungskosten übernimmt der Träger. Die ersten Jungakademiker will „Avicenna“ ab dem Wintersemester 2014/2015 fördern. Rund sieben Millionen Euro stehen dafür in den kommenden vier Jahren zur Verfügung.
„Wichtiges integrationspolitisches Signal“
Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU, li.) sieht das als Investition in die Zukunft: Durch die Unterstützung des Förderwerks werde deutlich, „dass gerade in der Pluralität unserer Gesellschaft eine große Chance liegt“.
Nicht allein das Bundesbildungsministerium wird sich an der Förderung des begabten muslimischen Nachwuchses beteiligen. Auch die Stiftung Mercator will bis 2018 eine Million zuschießen. Der Vorsitzende ihrer Geschäftsführung, Bernhard Lorentz, spricht von einem „wichtigen integrationspolitischen Signal“. Die Essener Stiftung, die sich in vielen weiteren Projekten einer „chancengleichen Teilhabe“ von Migranten am deutschen Bildungswesen verschrieben hat, hofft zudem darauf, dass die Stipendiaten zu Vorbildern für andere in der Bundesrepublik lebende Muslime werden.
Die Leitung des neuen Förderwerks liegt in den Händen namhafter Wissenschaftler. So gehören zum Vorstand außer Uçar selbst unter anderem der Leiter des Tübinger Zentrums für Islamische Theologie, Omar Hamdan, sowie die Berliner Arabistin Angelika Neuwirth. In der Politik sei das Echo durchweg positiv gewesen, betont Uçar. Auch in den anderen Begabtenförderungswerken herrscht erwartungsvolle Neugier auf das dreizehnte Mitglied im Club der Bildungsförderer. „Sehr zu begrüßen“ sei die Initiative, weil es nach Werken für Christen und Juden auch ein entsprechendes Angebot für Muslime gebe, sagt Ingrid Reul vom katholischen Cusanuswerk. Vielleicht entstünden dadurch sogar neue Möglichkeiten der Kooperation.
Austausch zwischen den Kulturen
Zwischen 1998 und 2012 wurden die öffentlichen Mittel für diesen Weg der Begabtenförderung mehr als verdreifacht – ab 2005 auch unter Wankas Vorgängerin Annette Schavan (CDU), die früher Geschäftsführerin beim Cusanuswerk war. Dessen Öffentlichkeitsreferentin Ingrid Reul findet vor allem die Namenswahl gelungen. Avicenna – im Arabischen Ibn Sina – war ein islamischer Gelehrter im 11. Jahrhundert. Und gilt bis auf den heutigen Tag als einer der großen Integrationskräfte, die im Mittelalter Abendland und Orient zusammenführten.
Im Interview mit dem „domradio“ betont Uçar, „Avicenna“ verkörpere genau das, was die Wissenschaft allgemein antreibe – oder antreiben sollte: über alle Grenzen hinweg für den Fortschritt und das Allgemeinwohl der Menschheit zu arbeiten. Zugleich stehe Avicenna für den gegenseitigen Austausch zwischen islamischer und christlich-abendländischer Kultur im Mittelalter.
Man wolle alle Kanäle nutzen, die zur Verfügung stehen, um auf das Projekt aufmerksam zu machen: Vom Internet bis hin zu Einzelberatung. „Wir wollen auch frühzeitig an Eltern herantreten und auf das Projekt aufmerksam machen. Dafür stehen uns auch die Türen in den über 2.000 Moscheegemeinden Deutschlands offen“, so Uçar. Insbesondere wolle man die von „Avicenna“ geförderten Nachwuchskräfte in Deutschland halten und einen Brain-Drain verhindern.