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Politik

Doch keine Botschafter-Ausweisung: Erdoğan will „keine Krise verursachen“

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Präsident Recep Tayyip Erdoğan drohte am Wochenende damit, zehn Botschafter aus der Türkei auszuweisen. Er löste damit einen diplomatischen Eklat aus. Nach einer Mitteilung der Botschafter signalisiert der Präsident nun Entspannung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will den deutschen und neun weitere Botschafter nun doch nicht ausweisen. Er wertete zurückhaltende Reaktionen der Botschaften als Einlenken. Sie hätten vor der „Verleumdung unserer Justiz und unseres Landes kehrtgemacht“, sagte Erdoğan am Montagabend nach einer Kabinettssitzung in Ankara. Er glaube daran, dass die Botschafter in Zukunft „vorsichtiger“ sein werden. Sein Ziel sei nicht, eine Krise zu verursachen, sondern „die Ehre, den Stolz und die Würde der Türkei zu schützen“.

Die Botschaften der USA, Kanadas, Neuseelands und der Niederlande in Ankara twitterten am Montag eine Erklärung, sich weiter an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens zu halten. Andere Botschaften wie die deutsche teilten lediglich den US-Tweet. Der Artikel weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen.

Regierungsnahe Medien feiern Erfolg

Hintergrund des Eklats ist eine von den Botschaftern gemeinsam unterzeichnete Forderung, den in der Türkei inhaftierten Kulturförderer Osman Kavala freizulassen. Es sei seine Aufgabe gewesen, „dieser Respektlosigkeit die notwendige Antwort zu geben“, sagte Erdoğan am Montagabend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert bereits seit 2019 Kavalas Freilassung und argumentierte etwa mit einem Mangel an Beweisen.

Vor Erdoğan hatten auch türkische Medien die neue Entwicklung als Erfolg gewertet. Er selbst sagte dazu: „Die türkische Justiz nimmt keine Anweisungen an und ordnet sich niemandem unter.“ Wer die Unabhängigkeit der Türkei und die Empfindsamkeiten der Türken nicht respektiere, werde in diesem Land nicht Willkommen geheißen, so der Präsident, dem die Opposition vorwarf, den Fall genutzt zu haben, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Fast „Persona non grata“

Am Samstag hatte Erdoğan verkündet, er habe das Außenministerium angewiesen, die Botschafter zehn westlicher Länder – darunter neben Deutschland auch die USA und Frankreich – zu unerwünschten Personen („Persona non grata“) zu erklären.

Der türkische Unternehmer und Kulturförderer Osman Kavala sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft. Kavala wird beschuldigt, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul 2013 unterstützt und einen Umsturzversuch angezettelt zu haben. Ihm wird außerdem „politische und militärischen Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kritiker wie auch etwa der EGMR sehen die Vorwürfe als politisch motiviert.

Rückzieher gut oder schlecht für Erdoğan?

Der Analyst Soner Çağaptay vom Washington Institute wertete die Rede am Montag als Imageschaden: „Erdoğan profitiert im Inland von einem globalen Image als starker Mann.“ Auch wenn seine Administration behaupten werde, dass sein Schritt nicht als Rückzieher zu bewerten sei, verpasse er Erdoğans Image doch eine große Delle.

Nach der Ankündigung des Präsidenten wäre dem türkischen Außenministerium nach diplomatischem Regelwerk die Aufgabe zugekommen, den betroffenen Staaten offiziell mitzuteilen, dass die Botschafter ihre Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Frist einstellen müssen. Das scheint nun abgewendet. Neben Deutschland und den USA waren auch die Botschafter von Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Neuseeland, Norwegen und Schweden beteiligt. Es sind jene Länder, mit denen die Türkei gute wirtschaftliche Beziehungen pflegt und wo auch viele Menschen mit türkischen Wurzeln leben.

Deutschland irritiert

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte die Tweets aus den Botschaften gleich als Erfolg Erdoğans gewertet und twitterte ihrerseits: „Die US-Botschaft in Ankara hat nachgegeben.“ Auch der staatliche Nachrichtensender TRT berichtete am Abend umfassend unter dem Motto: „Die USA weichen zurück.“ Einer der Redakteure verglich das Vorgehen der westlichen Botschafter etwa mit ausländischen Einmischungen in den US-Wahlkampf.

International hatte die Ankündigung Erdoğans vor allem für Verwunderung gesorgt. Die Bundesregierung hatte am Montag irritiert auf die angedrohte Ausweisung der Botschafter reagiert.

Seibert zeigt Unverständnis

Man nehme die Äußerungen „mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Reaktion werde es zunächst aber nicht geben. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts ergänzte, dass eine Ausweisung des Botschafters „im Widerspruch zur Tiefe und auch zur Bedeutung“ der deutsch-türkischen Beziehungen stehen würde. „Und er entspräche auch nicht dem Umgang unter Nato-Verbündeten.“

Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell teilte mit, man verfolge die Entwicklungen sehr genau und stufe die Situation als sehr ernst ein. Bisher sei jedoch keines der betroffenen Länder über tatsächliche Maßnahmen informiert worden.

Gül: „Kann nicht im Interesse des Landes sein“

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich zurückhaltend: Bis Ergebnisse der Kontakte zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern bekannt würden, sei es zu früh, darüber zu sprechen.

Auch im Inland schlug Erdoğan Kritik entgegen. Sein einstiger Weggefährte Abdullah Gül, zugleich früherer Staatspräsident des Landes, sagte der Zeitung Sözcü, es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch größeren Krise zu machen. Die Opposition warf Erdoğan Ablenkungsmanöver von einer Wirtschaftskrise vor. Selbst in der regierungsnahen Zeitung Sabah forderte ein Kommentator die Regierung dazu auf, andere Lösungen zu finden, um Spannungen in Konflikten mit anderen Staaten abzubauen.

dpa/dtj

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